Erhöhter Meeresspiegel in Venedig Klimawandel löst „Acqua alta“ im August aus

Dominik Straub

Wegen schwerer Unwetter und des Anstiegs des Meeresspiegels musste Venedig am Montagabend das Hochwasserschutz-System „Mose“ aktivieren – zu einem Zeitpunkt im Jahr, an dem die Hochwassersaison früher längst vorüber war.

 
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Jeder Einsatz von „Mose“ zum Schutz Venedigs kostet 300 000 Euro. Foto: Claudio Furlan/LaPresse

Alvise Papa, Direktor des kommunalen Zentrums für Hochwasser in Venedig, betont den historischen Moment: „Was wir hier gerade erleben, sind Phänomene, die wir noch bis vor Kurzem für unmöglich gehalten hatten.“ Dass im August Hochwasser-Alarm ausgerufen wurde, sei seit dem Jahr 1872 nur viermal vorgekommen. Jetzt werde man sich an diese Situationen wohl gewöhnen müssen: „Schon im August 2022 hatten wir einen Rekordwert von 102 Zentimetern über Normalpegel gemessen, heute, Dienstag, sind wir bei 115 Zentimetern angelangt.“ Der Grund für diese außergewöhnliche Situation seien die aktuellen Unwetter und die immer häufiger werdenden Extremwetter-Ereignisse im Mittelmeerraum sowie der Anstieg des Meeresspiegels. Mit anderen Worten: der Klimawandel.

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Zum Glück gibt es nun immerhin „Mose“. Beim 2020 in Betrieb genommenen „Modulo Sperimentale Elettromeccanico“ handelt es sich um im Meeresgrund verankerte Stahltanks, die bei drohendem Hochwasser mit Druckluft gefüllt werden und sich aufrichten. Das milliardenteure Bauwerk wurde bei den drei Lagunen-Eingängen Bocca di Lido, Bocca di Malamocco und Bocca di Chioggia realisiert und hindert das Meerwasser am Eindringen in die Lagune. Damit kann die Unesco-Weltkulturerbestadt Venedig zuverlässig vor dem Hochwasser geschützt werden. Normalerweise wird „Mose“ erst bei einem Pegel von 120 Zentimetern aktiviert; als Vorsichtsmaßnahme wurden die Lagunen-Eingänge am Montagabend aber schon bei 90 Zentimetern geschlossen.

Jeder Einsatz von „Mose“ kostet 300 000 Euro

Trotz „Mose“ stehen ein Teil des berühmten Markusplatzes und die am tiefsten liegenden Stadtteile Venedigs bei Hochwasser jeweils einige Zentimeter unter Wasser. Doch das ist von den Stadtbehörden und auch von der Zentralregierung in Rom gewollt. Denn „Mose“ stellt die Behörden vor ein Dilemma: Erstens kostet jeder Einsatz rund 300 000 Euro, und zweitens werden mit der Schließung der Lagune die Schiffe blockiert – bei den Eingängen bilden sich regelrechte Staus. Um den Einsatz der mobilen Hochwasserschutzwände zu beschränken, hat man sich auf den Grenzwert von 120 Zentimetern geeinigt; zu Beginn lag dieser noch bei 130 Zentimetern. Dass die Schutzwände am Montag bereits bei 90 Zentimetern aktiviert wurden, liegt daran, dass im Mai nach dem – vermeintlichen – Ende der Hochwassersaison wie jedes Jahr die mobilen Hochwasserstege in der Stadt und auf dem Markusplatz abmontiert worden sind.

Norditalien wird seit dem Wochenende erneut von schweren Unwettern heimgesucht. Insbesondere die Regionen Lombardei, Ligurien und Piemont mit ihren Hauptstädten Mailand, Genua und Turin waren von heftigen Regenfällen, Hagel und starkem Wind betroffen. Die Unwetter führten zu Überschwemmungen und Erdrutschen; Stromausfälle waren die Folge.

Die Zugverbindung zwischen Ventimiglia in Italien und Nizza in Frankreich wurde durch einen Erdrutsch unterbrochen. Auch der Tourismus ist von den Regenfällen in Mitleidenschaft gezogen worden. So stand am Gardasee auf Campingplätzen das Wasser knöchelhoch.