Energiewende Bayerns Wirtschaft fordert Tempo

Roland Töpfer
Die Energiewende ist nach Ansicht von Spitzenvertretern der Wirtschaft erheblich ins Stocken geraten. Foto: dpa/Federico Gambarini

Der Netzausbau kommt nicht in Schwung und bestimmte Vorschriften verhindern den Ausbau grüner Energien, wie der Dachverband VBW klagt. Er drängt die Politik zum Handeln.

 
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Hof/Coburg/Bayreuth/München - Hart ins Gericht geht die bayerische Wirtschaft mit dem aktuellen Stand der Energiewende. „Die Energiewende hinkt“, resümierte Bertram Brossardt, Hauptgeschäftsführer der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft (VBW) bei einer Online-Pressekonferenz. Der Netzausbau komme nicht in Schwung. „Planungen gibt’s genug. Jetzt muss gemacht werden.“

Alle Teile Bayerns seien gefordert. Mit Blick auf die vielen Windräder in Oberfranken sagte Brossardt: „Wir können nicht sagen, das machen wir alles in Oberfranken und im Rest Bayerns nichts. Da darf es kein Ungleichgewicht geben.“ Die 10-H-Regelung, wonach ein Windrad mindestens das Zehnfache seiner Höhe von Wohnbebauung entfernt sein muss, müsse abgeändert, „vielleicht auch abgeschafft“ werden. Noch sei die Versorgungssicherheit gegeben, was in Zukunft aber immer schwieriger werde. „Wir werden nicht ruhen, zu mahnen, zu treiben.“ Das sei bitter nötig, denn es stehe zu viel auf dem Spiel. Brossardt warnte vor einer schleichenden Deindustrialisierung. Auf Nachfrage unserer Zeitung, ob die hohen Energiepreise bereits zu Produktionseinschränkungen bei bayerischen oder speziell bei energieintensiven oberfränkischen Betrieben geführt hätten, sagte Brossardt, dies sei bislang nicht der Fall. Das könne aber im Laufe des Jahres noch kommen. Die hohen Strompreise dämpften Investitionen und würden der Industriestruktur schaden.

Wo sind die Taten?

Von der Politik würden die Klimaziele verschärft, die Umsetzung lasse aber immer mehr auf sich warten. Mit jedem Jahr wachse der Druck, „aber keine Taten folgen“. Der Eifer der Zielsetzungen müsse sich endlich auf die Umsetzung übertragen. Für den VBW-Chef steht dabei im Zentrum: „Leitungen bauen, Leitungen bauen, Leitungen bauen.“ Bayern müsse mit leistungsstärkeren Turbinen noch viel mehr auf Wasserkraft setzen, und auch bei der Biomasse sei noch „ein Stück zu holen“. Brossardt: „Wir müssen alles zusammenkratzen, was wir haben.“ Gas sei teuer und könne nur als Brücke und Ersatz, „wenn es uns nass reinläuft“, dienen. Auf Nachfrage unserer Zeitung, wie sein Verband Nord Stream 2 bewerte, sagte Brossardt: „Für unsere Versorgungssicherheit brauchen wir das.“ Um die Energiesicherheit zu gewährleisten, brauche man auch möglichst schnell möglichst viel Wasserstoff und einen breit aufgestellten Energieimport. Anspruch und Wirklichkeit klaffen für Brossardt bei der Energiewende „meilenweit auseinander“. Bei der Umsetzung trete man im besten Fall auf der Stelle.

Laut dem von der Prognos AG erstellten Monitoring für das Jahr 2020 ist das Netz noch gut, müsse aber mit immer mehr Eingriffen der Betreiber stabil gehalten und ausgebaut werden. Vor allem der Bau der großen Übertragungsleitungen Richtung Süden stagniere. Die Kosten für Eingriffe und Sicherheitsmaßnahmen ins Stromnetz hätten 1,4 Milliarden Euro erreicht. Das Netz müsse besser auf dezentrale Einspeisungen von Strom aus erneuerbarer Energie vorbereitet werden, fordert Brossardt. Dafür müssten Planungs- und Genehmigungsverfahren auf allen Ebenen weiter entschlackt, modernisiert und vereinfacht werden.

Solarmodule gehören für den VBW-Chef grundsätzlich auf jedes Dach. Die praktische Umsetzung ist aber auch hier nicht immer einfach, denn, die geltenden Förderrichtlinien könne man kaum noch durchblicken, und einen Handwerker, der die Anlage montiert, müsse man auch erst einmal finden. Der Fachkräftemangel wird für Brossardt auch hier „brutal sichtbar“.

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