Else Schmidt ist seit 70 Jahren Ortsbäuerin von Glashütten und damit die Dienstälteste in Bayern Älteste Bäuerin: Zitate einer anderen Zeit

Von Thorsten Gütling

Else Schmidt hat viel erlebt. Den Zweiten Weltkrieg, zwei Ehemänner, den Untergang der kleinen Landwirtschaftsbetriebe, die Emanzipation der Frauen. Seit 70 Jahren und damit länger als jede andere Frau, ist sie Ortsbäuerin. Dabei ist ein Ansprechpartner für Bäuerinnen längst überflüssig geworden. Landwirte gibt es in Glashütten schon seit Jahrzehnten nicht mehr. Deshalb kümmert sich Else Schmidt mit 89 Jahren eben um die, die mal Bauern waren. Und hält die Geschichten aus einer anderen Zeit am Leben.

 
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SS-Offiziere umwarben sie als junge Frau. Die Bayreuther Altstadtschule, die sie besuchte, hieß damals noch Hans-Schemm-Schule, benannt nach dem NSDAP-Gauleiter der Bayerischen Ostmark. Mehrmals musste sie die Schule wechseln. Von der Altstadt-, an die Luitpold- und weiter an die Graserschule. Jedes mal, weil aus ihrem Schulhaus ein Lazarett für verwundete Soldaten wurde.

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Die gelernte Landwirtschaftsmeisterin spricht ohne Punkt und Komma. Und jedes kleinste Detail, das sie vergessen hat, ärgert sie. „Wenn das so weiter geht, werde ich wirklich alt“, sagt die bald 90-Jährige dann.

Von 75 Milchbauern bleibt am Ende kein einziger übrig

Es war der 15. September 1946, als die damals 19-Jährige zur Ortsbäuerin bestimmt wird. Zur ersten Ansprechpartnerin der Glashüttener Bäuerinnen, die im Bayerischen Bauernverband organisiert sind. 75 Milchbauern gibt es zu dieser Zeit im Dorf. Und zu jedem Bauer eine Frau. Die lud sie nicht nur zum Plausch und Ausflügen ein, sondern erklärte ihnen die technischen Neuerungen der Landwirtschaft. Und die kamen Schlag auf Schlag. Aus Milchkannen wurden Melkmaschinen, aus der Sense eine Heumaschine. Else Schmidt war Geburtshelferin etlicher Kälber und Verleihstube für alles, was die Landwirtschaft so brauchte.

Dann begann das große Bauernhofsterben. Es war in den 70er Jahren. Kurze Zeit später stand Glashütten ganz ohne Landwirte da. Seitdem gibt es auch keine Bäuerinnen mehr, die um Rat fragen. Denkste! Denn geblieben sind die Frauen, die noch in den alten Bauernhäusern wohnen. Sie regelmäßig zusammenzubringen und den Ortsbäuerinnen anderer Dörfer ihre Erfahrungen weiterzugeben, hat sich Else Schmidt zum Ziel gesetzt.

 

Else Schmidt über Schuhe:

„Ich war nur ein paar mal in Bayreuth, wenn ich neue Schuhe brauchte. Aber wann brauchte ich die schon? Ich war ja ständig auf dem Bulldog.“

 

Else Schmidt über das Geheimnis eines gesunden Lebens:

"Viel arbeiten. Im Stall und an der frischen Luft. Mein Mann ist früh verstorben, ich musste mich schon plagen.“

 

Else Schmidt über Politik:

„Wenn ich jünger wäre, ich ginge in die Politik. Was die mit den Bauern machen. Und die sind noch so dumm und geben nach.“

 

Else Schmidt über Hilfsbereitschaft:

„Sonntags nach der Kirche. Was glauben Sie, was ich da in Glashütten und Umgebung Säue geschnitten (Eber kastriert, Anm. d. Red.) hab. Ich hätte nie etwas dafür genommen.“

 

Else Schmidt über Soldaten:

„Die Männer in Uniform, hübsche Bumm. Aber wer grad auf Händ’ und Füß’ ist, ist ein schöner Kerl. Also jeder, der wenigstens geradeaus laufen kann.“

 

Else Schmidt über Schule:

„Ich hab oft gesagt: Alfred, sag’s dem Herrn Lehrer, du kommst heut’ nicht rein. Wir haben zu arbeiten.“

 

Else Schmidt über Verantwortung:

„Als Schülerin musste ich um vier Uhr aufstehen, dann Kühe einspannen und bis sieben Uhr zum Mähen. Auf dem Weg zur Schule lieferte ich noch meine drei Geschwister und einige Nachbarskinder in der Kinderschule ab.“

 

Else Schmidt über Frauenärzte:

„Ich bin noch mit dickem Bauch den Mähdrescher hoch und runter gesprungen. Bis das ein Frauenarzt zufällig sah und schrie: Sofort runter da! Sie treiben’s ja zur Frühgeburt. Was brauchte ich einen Frauenarzt, mir tat ja nichts weh.“

 

Else Schmidt übers Heiraten:

„Wir wollten doch keine älteren Männer. Der eine war acht Jahre älter. Aber ich hätte ihn vielleicht schon noch geheiratet. Ich war ja nicht böse auf ihn.“

 

Else Schmidt über Zäune:

„Früher hat man keinen Zaun gebraucht. Mit den Nachbarn war man gut und wer hinten und vorne einen Stall hatte, der konnte doch eine Linie mit Augenmaß ziehen.“

 

Else Schmidt über Donner:

„Beim ersten Donner spring ich heute noch aus dem Bett und steck’ den Schlüssel in die Tür. Nicht dass man ihn im Falle eines Stromausfalls nicht mehr findet und nicht mehr raus kommt. Die kleinen Dreggla sieht man heute ja fast nicht mehr. Das hat der Großvater damals schon richtig gemacht.“

 

Else Schmidt über die Frau von heute:

„Der Nachbar findet keine Frau. Zwei waren schon mal da und sind wieder gegangen. Die wollen nichts mehr arbeiten heute, nur noch Urlaub machen.“

 

Else Schmidt über die Männer von damals:

„Nachts, nach dem Stall, bin ich noch mit dem Fahrrad rumgefahren, die Zettel mit den Veranstaltungen in der Schürzentasche. Ich habe sie so verteilt, dass die Männer es nicht mitkriegten. Die Frauen sollten ja am besten nur arbeiten und nichts ausgeben.“