Einst ausgezeichnet, heute untragbar Wer in Bayreuth mal Ehrenbürger war und heute lieber verschwiegen wird

Von Michael Weiser
 Foto: red

Wen eine Stadt besonders auszeichnet, das ist nicht zuletzt eine Frage des Zeitgeistes. Wer gestern noch verehrt war, kann heute höchst umstritten sein – oft zu Recht, wie ein Blick auf die Liste ehemaliger Bayreuther Ehrenbürger zeigt.

 
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Hitler? Der einst meistgeehrte Ehrenbürger Deutschlands ist auf der Müllhalde der Geschichte gelandet. Entsorgt wurden all die Straßenschilder von Adolf-Hitler-Plätzen und Straßen. Die diversen Ehrenbürgerwürden musste man ihm nicht mehr aberkennen, sie waren – laut Gemeindesatzung – bereits mit dem Selbstmord im Bunker erloschen. Dennoch setzten zahllose Städte und Gemeinden mit einem symbolischen Akt nochmals einen Punkt.

Bei einigen anderen mit dem Ende des „Dritten Reichs in Ungnade gefallenen Persönlichkeiten in Bayreuth besteht offenbar Bedarf auf Klärung, wie sich jüngst in den Diskussionen über eine symbolische Aberkennung von Ehrenbürgerschaften zeigte. Wir stellen eine Auswahl untragbarer oder umstrittener Ehrenbürger Bayreuths vor.
 

Hans von Wolzogen (1848 bis 1938)

Nach Hans von Wolzogen ist eine Straße am Grünen Hügel benannt. Dennoch ist er in Vergessenheit geraten. Dabei gehörte der Enkel des Architekten Karl Friedrich Schinkel zu den Vertrauten Richard Wagners und war Herausgeber der „Bayreuther Blätter“, der „Zeitschrift im Geiste Richard Wagners“. Diese Vierteljahresschrift wurde zu einem Hauptorgan der Völkisch-Nationalen. Wolzogen setzte sich für den Fortbestand der Festspiele ein, war aber auch Nazi der ersten Stunde und schickte dem gescheiterten Putschisten Hitler 1924 seine „Longinus-Legende“ ins Landsberger Gefängnis. 1928 war er Mitunterzeichner des Gründungsmanifestes des Kampfbunds für deutsche Kultur. Für Wolzogen war Hitler der Erlöser: „Unser Führer, der mehr ist als eine politische Persönlichkeit, der eine Verkörperung des völkischen Geistes, deutscher Mensch ist, war von jeher seelisch verbunden mit der Kunst des deutschen Meisters.“ Hitler blieb unbeeindruckt. „Flachkopf“ nannte er den Schwärmer aus Bayreuth.
 

Houston Stewart Chamberlain (1855 bis 1927)

Hitler schätzte Bayreuth, weil dort „das geistige Schwert geschmiedet wurde, mit dem wir heute fechten“. Als „Schmied“ hatte er den „abtrünnigen Engländer“ Chamberlain erkannt, Sohn eines britischen Admirals und Verfasser eines wichtigen Buches der Rassentheorie, „Die Grundlagen des 19. Jahrhunderts“. Der mit einer Tochter Wagners verheiratete Antisemit versuchte, Jesus vom Judentum zu lösen und ihn zu einer Art Ehren-Arier zu machen. In Bayreuth gedachte man des aggressiven, chauvinistischen Rassekämpfers bis 1990 mit einer eigenen Straße.


Ludwig Siebert (1874 bis 1942)

1931 wurde Siebert in Lindau der erste Nazi-Oberbürgermeister, von 1933 bis zu seinem Tod war er bayerischer Ministerpräsident. Nach dem SA-Obergruppenführer ist in Rothenburg ob der Tauber noch heute eine Straße benannt. In Bayreuth war man da etwas nachdenklicher: Die Ludwig-Siebert-Halle ist seit langem in Stadthalle umbenannt.


Adolf Hühnlein (1881 bis 1942)

In Neustädtlein bei Kulmbach geboren, gehört der frühere Bayreuther Ehrenbürger Adolf Hühnlein heute zu den unbekanntesten NS-Spitzenfunktionären. Dabei stand er nah bei Hitler, als der für seine Reichsautobahnen den ersten Spatenstich setzte. Hühnlein war Führer des Nationalsozialistischen Kraftfahrerkorps (NSKK), das nicht nur der Ausbildung des Kraftfahrer-Nachwuchs diente, sondern auch SA und SS bei der Reichspogromnacht unterstützte. Während des Krieges unterstützte das NSKK die Logistik der Wehrmacht. Hühnlein hatte schon als Freikorps-Mitglied die Räterepublik bekämpft, 1923 war er an der Seite Hitlers zur Feldherrnhalle marschiert. 1942 starb das ranghohe SA-Mitglied in München und erhielt ein Staatsbegräbnis.


Hans Schemm (1891 bis 1935)

Charme, verwegene Ausstrahlung, gutes Aussehen und früher Tod in den Trümmern seines Flugzeugs machten’s möglich: Der Bayreuther Hans Schemm blieb für viele Bayreuther „der schöne Hanni“. Schemm profitierte auch davon, dass sein Konkurrent in Franken einen verheerenden Ruf hatte: Julius Streicher, der korrupte, brutale und stumpfsinnige Prediger des Judenhasses. Dabei schlug Schemm gegen politische Feinde seinerseits skrupellos zu. Der Lehrer Schemm, der die NS-Organisation in Franken mit aufgebaut hatte, wurde unter die „Apostel“ Hitlers gezählt. Schemm nahm Chamberlains Theorie vom arischen Jesus auf und neigte zum Predigen: „Mir wäre der Kampf des Nationalsozialismus ohne die Bejahung der Religion unverständlich.“ Dem Salbadern des bayerischen Kultusministers und Gauleiters der bayerischen Ostmark ging man nur zu gerne auf den Leim. Auch der seinerseits umstrittene Landesbischof Meiser nannte ihn nach 1945 einen guten Christen.


Winifred Wagner (1897 bis 1980)

Was „USA“ auch bedeuten kann, erklärte lange nach dem Krieg die unverbesserliche Winifred Wagner: „Unser seliger Adolf“. Winifred Wagner und ihr Mann Siegfried waren frühe Vertraute von Hitler und führten ihn in die bessere Gesellschaft ein. Nach dem Tode Siegfrieds konnte sich Winifred der Unterstützung Hitlers für die Festspiele sicher sein. Ihn pries sie noch 1944 als „Führer durch Nacht zum Licht“. Ihre Meinung von „USA“: „Charmant, gemütlich und gemütvoll.“ Und: „wundervoller Humor“. Sie entlastete Hans Schemm bei dessen postumen Spruchkammerverfahren.

Paul von Hindenburg (1847 bis 1934)

Der greise Generalfeldmarschall und „Held der Schlacht von Tannenberg“ ernannte als Reichspräsident Hitler zum Reichskanzler – diese Entscheidung glaubte man lange Zeit durch Hindenburgs Altersschwäche bedingt. Hindenburg mochte den „böhmischen Gefreiten“ Hitler zwar nicht, er sah in ihm aber vermutlich das kleinere Übel. Von ihm erwartete sich Hindenburg die Beilegung der Straßenschlachten zwischen Nazis und Kommunisten. Als Reichspräsident verwaltete er ohne Begeisterung, aber einigermaßen loyal, die Weimarer Republik. Deren Start hatte er allerdings selbst zuvor entscheidend erschwert: Als Miterfinder der „Dolchstoßlegende“ hatte Hindenburg großen Anteil daran, dass die Republik mit dem Makel des angeblichen Verrats am deutschen Heer belastet war. Als Steigbügelhalter Hitlers ist Hindenburg mittlerweile höchst umstritten. Zahlreiche Städte haben Hindenburg-Straßen in den vergangenen Jahren umbenannt.

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