Ehrenamtler unter sich Die Siebener kennen jeden Stein

Rosi Thiem

Karl Schnörer und Hans Schrüfer sind als Feldgeschworene seit Jahren ehrenamtlich unterwegs

 
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Die heutigen Grenzsteine sind aus Granit. Früher verwendete man auch einheimisches Gestein wie den Jurastein auf dem Bild. Hans Schrüfer (vorne) und Karl Schnörer haben sich vor Jahren für das kommunale Ehrenamt Feldgeschworener entschieden. Foto: Rosi Thiem

Seelig/Waischenfeld - Hans Schrüfer zeigt auf ein „V“ am Straßenrand. „Das ist ein Grenzpunkt. Das Meißelzeichen zeigt hier eine bestehende Grenze an“, deutet er auf die etwas unauffällige Markierung. Etwas weiter weg findet man noch einmal das gleiche Zeichen. Hans Schrüfer und Karl Schnörer kennen sich aus. Sie sind die vereidigten Feldgeschworenen vor Ort.

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Die beiden Ehrenamtler wissen genau um die Fluren und Grundstücke in der Umgebung und sie kennen auch die ehemaligen Gemeindegrenzen. „Bis zur Gebietsreform gehörten unser Ort und die benachbarte Ortschaft Schönhaid als eigenständige Gemeinde Seelig zum Landkreis Ebermannstadt. Nach der Auflösung der früheren Gemeinden wurden wir ein Ortsteil von Waischenfeld“, erklärt Schrüfer. Jedes Feld- und Waldstück hat eine Flurnummer. „Die Vermessung gibt es seit circa 1860. Ganz früher sind die Flurnummern nach Hausnummern benannt worden“, erzählt Schrüfer.

In Waischenfeld gibt es 17 Feldgeschworene

Seit 20 Jahren bekleidet er das kommunale Ehrenamt; Karl Schnörer ist seit gut zehn Jahren dabei. „Früher, als ich berufstätig war, hatte ich keine Zeit für solche Aufgaben“, erzählt der heute 72-Jährige. Dann wurde er gefragt – als es in Richtung Rente ging – und der ehemals im Metallhandwerk Beschäftigte sagte zu. „Feldgeschworener ist man auf Lebenszeit“, legt der Obmann Hans Schrüfer offen. „Natürlich, wenn man ins Alter kommt und nicht mehr kann, geht die Tätigkeit nicht mehr.“

Im gesamten Gebiet der Stadt Waischenfeld gibt es 17 Feldgeschworene und in Bayern insgesamt 27 000, weiß Schrüfer. Tätig werden sie, wenn Grundstücke neu vermessen werden, sei es bei einem Wohnhausneubau, bei einer Straße, einem Wald oder einem Radweg. „Wir arbeiten im Auftrag der Stadt und setzen die Grenzpunkte, die vorher durch das Amt für Digitalisierung, Breitband und Vermessung digital bestimmt wurden“, erklärt Schnörer. „Die Steine dürfen wir nicht alleine setzen, nur wenn wir den Auftrag vom Amt bekommen.“

Bei den Vermessungen sind neben den Fachleuten vom Amt und den Feldgeschworenen immer auch die Grenznachbarn anwesend. „Diese müssen unterschreiben, dass sie die Grenzsteine anerkennen“, erklären die kommunalen Ehrenamtlichen. Gibt es auch einmal Grenzstreitigkeiten? „Ja, natürlich. Wir halten uns da als Feldgeschworene aber stets heraus und bleiben neutral. Das müssen die Anwohner mit dem Amt ausmachen. Wir hatten so einem Fall hier im Dorf selbst allerdings noch nicht“, berichtet der frühere Bauhofleiter Schrüfer. „Wir wollen da nicht in die Bredouille kommen und sind absolut neutral.“

Wenn zu einem neuen Auftrag ein Verwandtschaftsverhältnis besteht, dann kommt ein neutraler feldgeschworenen Kollege aus einem anderen Ortsteil. Da hilft man sich gerne aus. So zwei bis drei Einsätze haben die Seeliger im Jahr. „Oft ist es eine ganztägige Arbeit“, sagt Karl Schnörer. Die beiden Feldgeschworenen erzählen von den Messpunkten, die unter der Pflugtiefe liegen, und von Nägeln als Grenzpunkte im Asphalt. „Kraft braucht man schon, da kann es dann schon mal sein, dass am nächsten Tag die Arme noch weh tun“, spricht er aus seinem jahrelangen Erfahrungsschatz. Feldgeschworener ist ein Ehrenamt. Als Entschädigung gibt es nur einen kleinen Obolus, wie die beiden verraten. „Das ist dann das Wirtshausgeld, wenn es wieder geht“, sagt Schnörer schmunzelnd.

Die Feldgeschworenen nennt man auch Siebener. „Das kommt vom Siebener-Geheimnis. Es wird ein Zeichen unter einen Grenzstein gelegt, dass nur der Feldgeschworene kennt“, verrät Hans Schrüfer. „Das Zeichen ist der stumme „Zeuge.“ Ganz früher war das immer ein rotes, fünfmarkgroßes Ziegelstück, heute hat man genauere Zeichen. Das Zeichen wird auch nicht gesetzt, wenn fremde Leute dabei sind und zuschauen. Das nicht bekannte Zeichen kennt nur der Feldgeschworene“, offenbart Schnörer den geheimnisvollen Vorgang. „Eine Zeit lang wurden mal keine Zeichen unter die Steine gesetzt. Seit ich Feldgeschworener bin, werden die Zeichen wieder verwendet. Grund ist auch, dass man nachweisen kann, dass ein Stein auch tatsächlich ein Grenzstein ist“, weiß der 70-jährige Ehrenamtliche. „Das meiste ist harte, schweißtreibende Muskelarbeit. Da kommt einem schon mal ein hartnäckiges Juragestein beim Grenzsteinsetzen in die Quere. In der Gemeinde gibt es ein Bohrgerät, das kann man sich holen. Dann wird es leichter. Aber bei zwei bis fünf Steinen machen wir da nicht lange rum“, erzählen die beiden Feldgeschworenen. Da nehmen sie lieber ihr eigenes, teilweise selbst gebautes Werkzeug. Als sie allerdings mal bei einem Straßenbau 400 Steine setzen mussten, sah es dann anders aus. Da waren beide froh, das Bohrgerät vom Bauhof zu haben.

Was sie eigenständig machen dürfen, sind Grenzsteine höher oder tiefer setzen. Die Grenzsteine werden laut Schrüfer immer in Fluchtrichtung gesetzt. Er zeigt auf einen alten, unförmigen Grenzstein aus Juragestein, den man nicht sofort als Grenzmarkierung erkennen kann. „Heute nimmt man bei uns Granitsteine, die gibt es normalerweise bei uns nicht und kann sie so besser erkennen“, sagt der Obmann.

Normalerweise finden jährliche Feldgeschworenenversammlungen – auf Gemeinde- und Landkreisebene statt. Corona ließ dies nicht zu, aber heuer brennen die beiden schon auf den Start des immer regen und informativen Erfahrungsaustausches mit Gleichgesinnten. „Es wird immer gebaut und vermessen und so gibt es immer was zu tun. Wir vor Ort kennen unsere Leute, wissen über die einzelnen Bodenverhältnisse Bescheid und kennen unsere eigenen Flure am besten“, resümieren die beiden Seeliger. Ihr Dorf zählt um die 100 Einwohner, hinzu kommt Schönhaid mit rund 20 Seelen. „In den kleinen Dörfern hilft man zusammen“, sind sich beide einig.

„Im Dorf muss man eben zusammenhalten“

„Es ist wichtig, dass sich immer wieder Menschen finden, die bereit sind, etwas für die Allgemeinheit zu tun und sich einbringen. Sonst funktioniert das öffentliche Leben nicht, wenn alles bezahlt werden müsste.“ Da gibt es dann auch noch Feuerwehr, Kirchenbauverein, Jagdgenossenschaft und viele mehr. Die Liste ihrer Vereinsmitgliedschaften ist lang. „Im Dorf muss man sich einbringen und zusammenhelfen“, ist ihr Credo. „Bei der Kerwa beispielsweise hilft jeder Bürger mit. Unsere Frauen sind bekannt für die gute Küche und jeder steuert irgendeinen Arbeitsanteil bei. Nur so kann es funktionieren“, sagt Karl Schnörer und macht sich mit Hans Schrüfer auf den Weg. Die Arbeit im Dorf wartet.