Dino-Killer aus dem WeltallFeinstaub führte zum Dinosaurier-Aussterben
Markus Brauer 01.11.2023 - 11:40 Uhr
Vor 66 Millionen Jahren schlug ein riesiger Asteroid auf die Erde ein. Durch den Aufprall wurden gigantische Mengen an Feinstaub, Schwefel und Ruß in die Atmosphäre geschleudert. Die Folge war ein jahrelanger globaler Winter, der zu einem Massensterben führte und das Ende der Dinosaurier besiegelte.
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66 Millionen Jahre vor unserer Zeit: Ein kosmischer Felsbrocken von zehn bis 15 Kilometern Größe und einem Gewicht von drei Billionen Tonnen rast mit einer Geschwindigkeit von 20 Kilometern in der Sekunde auf die Erde zu. Auf der Halbinsel Yucatán im heutigen Mexiko schlägt er beim Ort Chicxulub Pueblo mit der Energie von einer Milliarden Hiroshima-Atombomben ein und gräbt sich 30 Kilometer tief ins Gestein.
Hitze- und Druckwellen, Tsunamis und Staubwolken
Der Krater, den dieser sogenannte Chicxulub-Impakt hinterlässt, hat einen Durchmesser von 180 Kilometern. Im Umkreis von 1500 Kilometern tötet die Hitze- und Druckwelle augenblicklich jedes Leben. Erdbeben mit einer Stärke von zwölf oder 13 auf der Richterskala erschüttern den gesamten Planeten. Tsunamis rasen über Meere und Kontinente und hinterlassen Tod und Zerstörung.
Doch das Schlimmste kommt erst noch: Gewaltige Mengen an Ruß, Staub und Schwefelgasen gelangen in die Atmosphäre. Der Himmel verdunkelt sich. Der kosmische Gesteinsbrocken hat eine Erdschicht mit besonders viel Sulfat, Silikat und Carbonat getroffen.
Eine Billion Tonnen Feinstaub und Schwefelgase
Schlagartig werden eine Billion Tonnen Feinstaub, eine etwas geringere Menge an Schwefelgasen sowie eine Milliarde Tonnen Ruß in die Atmosphäre geschleudert und bilden einen undurchdringlichen Aerosol-Schleier. Die aus dem Schwefelgasen entstandenen Schwefelsäuretröpfchen sowie der Feinstaub lassen kein Sonnenlicht mehr durchdringen, so dass die Temperaturen weltweit rapide abfallen.
Infolge des Chicxulub-Impakts kommt es weltweit zu Vulkanausbrüchen - vor allem in den westindischen Dekkan-Trapps, einer mehr als 500 000 Quadratkilometer großen durch Vulkanismus geprägten Region in Westindien. Der damit einhergehende Mangel an Sonnenlicht hätte die Photosynthese aller Pflanzen fast zwei Jahre lang komplett verhindert und so ganze Nahrungsketten kollabieren lassen, berichten Forscher in einer neuen Studie, die jetzt im Fachmagazin „Nature Geoscience“ veröffentlicht worden ist.
Viele der nur wenige Mikrometer großen Tröpfchen und Partikel stammten aus beim Einschlag pulverisiertem Gestein und aus Vulkanausbrüchen. Andere Schwebstoffe wie Ruß gelangten durch die vom Einschlag ausgelösten, großflächigen Waldbrände in die Atmosphäre. Welche Schwebstoffe einst die größte Klimawirkung entfalteten, war umstritten – bis jetzt.
Silikat-Staub umhüllt die Erde mit einem Dunstschleier
Die Forscher um den Paläontologen Cem Berk Senel von der Königlichen Sternwarte Belgiens in Brüssel haben für ihre Studie Gesteinsschichten im US-Bundesstaat North Dakota untersucht, um herauszufinden, welche Partikel besonders folgenreich waren. Die Erdsedimente in North Dakota spiegeln hervorragend die atmosphärischen Ablagerungen von feinem Silikatstaub nach dem Asteroiden-Einschlag vor 66 Millionen Jahren wider.
Mit spezieller Lasertechnik konnten Senel und seine Kollegen die Körnergröße des Silikat-Staubs ermitteln und anschließend hochrechnen, wie viel davon sich in der Atmosphäre befunden haben muss. Durch Computersimulationen ermittelten sie, wie sich die verschiedenen Sorten von Schwebstoffen in der einstigen Paläoklima-Atmosphäre verhalten und welche Folgen sie für das Leben auf der Erde hatten.
Dabei stellte sich heraus, dass vor allem der Feinstaub weit tödlicher war als bisher angenommen worden war. Die Silikat-Partikel aus North Dakota waren mit einer Größe von 0,8 bis acht Mikrometern sehr klein, wie Senel und sein Team schreiben. Das wiederum bedeutet, dass der Feinstaub innerhalb des atmosphärischen Schleiers das Sonnenlicht deutlich effektiver abblockte als grobe Körner.
„Unsere Simulationen zeigen eine Welt nach dem Einschlag, in der Silikat-Staub die größte ausgeworfene Masse darstellt“, erläutern die Wissenschaftler. Ihren Berechnungen zufolge befanden sich kurz nach dem Einschlag des Asteroiden eine Billion Tonnen Staub in der Atmosphäre und eine etwas geringere Menge an Schwefelgasen. Ruß steuerte hingegen gerade mal eine Milliarde Tonnen zum Aerosol-Schleier bei.
Globaler Winter zerstörte fast alles Leben
Die Klima-Simulationen zeigen die katastrophalen Folgen des Feinstaub-Dunstschleiers für das gesamte Leben auf der Erde vor 66 Millionen Jahren. Die Paläontologen vermuten, dass diese zweifache Katastrophe – der Asteroiden-Einschlag und die Vulkanausbrüche – zu einem globalen Winter mit eisigen Temperaturen und Finsternis führte. Die Pflanzen konnten keine Photosynthese mehr betreiben und starben ab. Und mit ihnen die kompletten Nahrungsketten, die auf ihnen aufbauten.
Zur Info: Die Photosynthese ist ein biochemischer Vorgang, der in grünen Pflanzen und einigen Bakterien stattfindet. Durch den Prozess können diese Bakterien die Energie des Sonnenlichts nutzen. Pflanzen stellen mithilfe der Photosynthese Zucker her, den sie für ihr Wachstum brauchen.
Laut Studie befanden sich wahrscheinlich noch zehn bis 15 Jahre nach dem Einschlag Silikat- und Rußpartikel in der Atmosphäre und ließen den globalen Winter fortdauern. Sie sorgten dafür, dass sich die Erdoberfläche insgesamt um bis zu 15 Grad abkühlte und erst 20 Jahre nach dem Einschlag wieder von diesem Temperatursturz vollständig erholte, berichten die Forscher.
Nur wenige Spezies überlebten die Eiszeit
Die jahrelange Abkühlung und Dunkelheit vernichtete sämtliche Wälder, das Plankton in den Weltmeeren verschwand. Und damit auch die Pflanzenfresser, die ohne Nahrung verhungerten, wenn sie nicht schon durch die unmittelbaren Folgen des Meteoriteneinschlags sofort getötet worden waren. Als die Nahrungskette zusammenbrach, verschwanden auch die Fleischfresser – wie der Tyrannosaurus Rex, der gewaltigste Räuber, der je auf dem Land gelebt hat.
Weltweit konnten die Pflanzen fast zwei Jahre lang keine Photosynthese mehr betreiben. „Dies ist eine ausreichend lange Zeitspanne, um sowohl terrestrische als auch marine Lebensräume vor große Herausforderungen zu stellen“, erklären die Forscher. „Biotische Gruppen, die nicht angepasst waren, um die dunklen, kalten und nahrungsarmen Bedingungen fast zwei Jahre lang zu überleben, wären massiv ausgestorben“, resümieren Senel und seine Kollegen.
Überleben konnten nur solche Pflanzen, deren Samen einen jahrelangen Ruhezustand überdauern, sowie Tiere, die durch Winterschlaf in einen Energiesparmodus verfallen können. Laut Simulation hatte die Photosynthese nach einigen Jahren wieder den Normalzustand erreicht. Wenige Spezies hatten die globale Katastrophe und das Artensterben überlebt. Mit ihnen konnte eine Ära der Erdgeschichte beginnen.
Info: Erdzeitalter und Massensterben
Kreidezeit Die Kreidezeit dauerte von 145 bis 66 Millionen Jahren. Voraus ging ihr das Erdzeitalter des Jura, es folgte das Paläogen. Es war die Hochzeit der Dinosaurier, die während der Kreide immer riesenhaftere Dimensionen annahmen.
Massensterben Der Katastrophe vor 66 Millionen Jahren gingen fünf Massensterben voraus – das Schlimmste vor circa 252 Millionen Jahren an der Grenze vom Perm zur Trias. Innerhalb von 200 000 Jahren starben 95 Prozent allen Leben in den Meeren und 65 Prozent der landlebenden Tiere und Pflanzenarten.