Digitaler Nachlass: Das ist zu beachten

Von Sarah Bernhard

Wenn wir tot sind, vergeht unser Körper. Unsere Daten aber bleiben. Und machen den Angehörigen  im schlimmsten Fall Probleme. Wir erklären, was man tun kann, um sie zu entlasten. Und was die Angehörigen tun müssen, um unsere Daten wieder offline zu bekommen.

 
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Christina Weber hat das Facebook-Profil ihres Mannes Ralph in den Gedenkzustand versetzen lassen. So kann sie sich auch drei Jahre nach seinem Tod noch über seine Sprüche freuen. Foto: Andreas Harbach Foto: red

Ab und zu schaut sich Christina Weber die Facebook-Seite ihres Mannes Ralph an. „Neulich habe ich wieder einen Spruch gelesen, da musste ich so lachen“, sagt die 28-Jährige. „Aber man kann auch mal die Tränen laufen lassen, das ist in Ordnung.“ Denn Ralph Weber ist seit drei Jahren tot.

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Doch sein Facebook-Profil existiert weiter. Kurz nach seinem Tod hat es Christina Weber in den sogenannten Gedenkzustand versetzen lassen. „Weil ich die Erinnerungen, die ich mit ihm geteilt habe, nachverfolgen wollte“, sagt sie. „Und damit die Leute, die weiter weg wohnen, sehen konnten, was los ist.“

Löschen ist schwieriger als in den Gedenkzustand versetzen

Solange das Profil bestehen bleibt, bietet das soziale Netzwerk den Erben zumindest ein bisschen Mitsprache dabei, wie der digitale Nachlass eines Verstorbenen auszusehen hat. Vorausgesetzt man kann nachweisen, dass der Verstorbene wirklich verstorben ist: „Ich habe die Todesanzeige eingescannt und denen per Email zukommen lassen. Innerhalb von ein, zwei Tagen war das erledigt“, sagt Christina Weber.

Schwieriger wird es, wenn man das Facebook-Profil löschen will. Dazu muss man zusätzlich beweisen, dass man selbst ein naher Verwandter ist. Noch schwieriger wird es, wenn man Zugang zu den Chat-Nachrichten des Verstorbenen bekommen möchte. Dafür braucht man bei Facebook einen Gerichtsbeschluss.

Das Unternehmen argumentiert damit, dass es die Daten der Betroffenen schützen müsse. Und kommt bisher damit durch. „Denn der Gesetzgeber hat beim Telemediengesetz nirgends den Fall bedacht, dass jemand sterben könnte“, sagt Knut Werner Lange, Professor für Bürgerliches Recht an der Uni Bayreuth. Und es gebe auch noch keine höchstrichterliche Rechtsprechung zu diesem Thema.

Weder gibt es also eine allgemeingültige Antwort auf die Frage, ob man überhaupt auf Konten und Profile eines Toten zugreifen darf, wenn man das Passwort kennt. Noch, in welchen Fällen einem der Anbieter Zugang gewähren muss. „Es gibt in Deutschland ein gewisses Grundvertrauen, dass das Vertragsrecht für beide Seiten fair ist. Im Bereich dieser neuen Online-Dienste ist das oft nicht so“, sagt Lange. Denn was man darf, regeln allein die Allgemeinen Geschäftsbedingungen des jeweiligen Anbieters.

Zu Lebzeiten das Mailpasswort hinterlegen

Bei Profilen in sozialen Netzwerken sei das zwar ärgerlich, aber verschmerzbar, sagt Lange. Bei Email-Accounts kann es zum Problem werden. Denn im Erbrecht gibt es die sogenannte Gesamtrechtsnachfolge, die besagt: alles oder nichts. Und wenn man alles nimmt, gehört dazu eben auch das neue Sofa, das der Verstorbene kurz vor seinem Tod gekauft hat. Und von dem der Erbe nichts weiß, weil die Rechnung per Email kam. In ein Postfach, auf das er keinen Zugriff hat. „Sie wissen als Erbe überhaupt nicht, was für Kosten auf sie zukommen“, sagt Lange. Und rät, zumindest das Email-Passwort irgendwo zu hinterlegen.

Christina Weber hatte Glück: Sie kannte die Passwörter ihres Mannes. „Ich sollte mal was für ihn auf Facebook nachschauen. Und ehrlich gesagt hatte er fast überall das gleiche Passwort.“ Durch Zufall fand sie in seinem Email-Postfach Rechnungen vom Krankenhaus, für eine Augenoperation, von Amazon. „Es war gut, dass ich zugreifen konnte.“

Columba hilft unwissenden Angehörigen

Aber was, wenn man gar nicht weiß, wo der Verstorbene überhaupt Konten hatte? Hier kann Columba helfen. Das Startup-Unternehmen aus Berlin scannt Online-Anbieter daraufhin ab, ob ein Verstorbener Mitglied war. „Wir decken über 250 Unternehmen ab, die rund 95 Prozent des Online-Umsatzes generieren“, sagt Christopher Eiler, der Columba 2012 zusammen mit seinem Bruder gegründet hat.

Seine Mitarbeiter finden nicht nur heraus, wo Konten existieren, und bereiten Löschung oder Zugang vor. Sie finden auch Guthaben, die ansonsten verfallen wären. „Deutschland gehört zum Beispiel zu den führenden Poker-Nationen. Zwischen ein paar Euro und Großbeträgen haben wir schon alles gefunden“, sagt Eiler.

Über 1000 Bestatter bieten den Service von Columba bereits an, bisher teilt sich das Unternehmen den Markt nur mit einigen Einzelanbietern. Beim Bayreuther Bestattungsinstitut Pietät Wadenstorfer kostet der digitale Suchservice 89 Euro – allerdings wollte ihn bisher noch niemand haben. „Die 80-jährige Oma hat ja in der Regel noch keinen Twitter-Account“, sagt Bestattungsfachkraft Marco Krügel. „Aber unser Leben findet immer mehr auch digital statt. Da wollen wir auf jede Eventualität vorbereitet sein.“

Das ist bei den verschiedenen Anbietern zu beachten

Facebook und Instagram: Das Unternehmen gibt keine Zugangsdaten heraus. Löschen kann man die Konten nur, wenn man nachweist, dass der Betreffende verstorben und man selbst ein direkter Angehöriger ist, zum Beispiel durch die Geburtsurkunde oder einen Erbschein.

Web.de und Gmx: Will der Erbe das Email-Postfach nur kündigen, reicht eine Sterbeurkunde. Den Zugang muss er mit einem handschriftlich unterschriebenen Brief beantragen, außerdem einen Erbschein vorlegen und sich ausweisen. Bei mehreren Erben muss die Mehrheit dem Zugang zustimmen. 1&1, zu dem beide Email-Dienste gehören, bekomme „einige wenige 100 Anfragen pro Jahr“, sagt ein Sprecher. Bei mehr als 30 Millionen aktiven Nutzern.

Gmail und Youtube:Google bietet einen „Kontoinaktivitäts-Manager“, mit dem man regeln kann, was nach dem Tod mit dem Konto passiert. Tut man das nicht, haben die Erben ein Problem: Google teilt nur mit, dass „in einigen Fällen in Abstimmung mit nahen Familienangehörigen und -vertretern“ Konten geschlossen und „unter bestimmten Umständen“ Inhalte zur Verfügung gestellt werden. Das Passwort bekommen Erben aber auf keinen Fall.

Outlook, Hotmail und Skype: In den Allgemeinen Geschäftsbedingungen von Microsoft findet sich kein Hinweis darauf, wie mit den Konten von Verstorbenen umgegangen wird. Die deutsche Microsoft-Vertretung kann die Frage nicht beantworten.