Das Phänomen ist auch aus anderen Städten bekannt wie Memmingen oder München. Dass sich in Bayreuth eine Bürgerwehr gründen wollte, überrascht. Gilt doch die Region als eine der sichersten in Deutschland.
Eine Nicht-Nachricht: In Bayreuth hat sich keine Bürgerwehr gegründet. Es gibt nur eine Facebook-Gruppe mit dem kriegerischen Namen „Bayreuther Bürgerwehr zum Schutze unserer Frauen u. Kinder“. Zur Gründung am Freitagabend vorvergangener Woche kamen neben zwei Polizisten, zwei Vertretern von Bunt statt Braun und einem Journalisten nur zwei Interessierte.
Das Phänomen ist auch aus anderen Städten bekannt wie Memmingen oder München. Dass sich in Bayreuth eine Bürgerwehr gründen wollte, überrascht. Gilt doch die Region als eine der sichersten in Deutschland.
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Die Motive der Facebook-Gruppe bleiben im Dunkeln. Und mit der Presse haben es die virtuell Wehrhaften von der nicht gegründeten Bürgerwehr auch nicht so. Als ein Mitglied den Kurier-Journalisten zur Gruppe hinzugefügt hatte, schrieb ein anderes Mitglied: „Ohne Worte.“ Ansonsten fallen Worte wie „Pressewixxer“. Warum sie also eine quasi geheime Wehr gründen wollen, was oder wen sie wogegen oder gegen verteidigen möchten – es bleibt ein Geheimnis.
Schon vor mehr als einer Woche stand die Facebook-Gruppe unter Beobachtung von Polizei und Staatsschutz. Von den angekündigten 95 Leuten, die mitmachen wollten, waren zwei beim abendlichen Treffpunkt an der Universität.
Dabei ist im Gesetz klar geregelt, was eine Bürgerwehr darf: nämlich nichts. „Eine Bürgerwehr hat hat keine rechtlichen Kompetenzen“, sagt ein Sprecher der Polizei. Nur die Polizei selbst verkörpere die Staatsgewalt. Allein die Sicherheitswacht, die sie einsetzt, setzt sich aus „normalen“ Bürgern zusammen, die von der Polizei geschult wird. Aber auch die hat nur das sogenannte Jedermannsrecht: „Wird jemand auf frischer Tat betroffen oder verfolgt, so ist, wenn er der Flucht verdächtig ist oder seine Identität nicht sofort festgestellt werden kann, jedermann befugt, ihn auch ohne richterliche Anordnung vorläufig festzunehmen.“
Polizeisprecher Alexander Czech: „Grundsätzlich ist von Abwehr von Gefahren und die öffentliche Sicherheit die Polizei zuständig. Zivilcourage begrüßen wir, aber entscheidend ist, wie sich die Gruppe organisiert und definiert.“ Unter Zivilcourage also versteht die Polizei, dass jemand sich sofort an sie wendet – und nicht selbst Hand anlegt.
Auch der Rechtsreferent der Stadt Bayreuth, Ulrich Pfeifer, sieht das Entstehen einer Bürgerwehr kritisch. Er rät denen, die das planen, sich sofort an die Polizei zu wenden, um sich dort beraten und ausbilden zu lassen: für die Sicherheitswacht. Erst kürzlich hatte Oberfrankens Polizeipräsident Reinhard Kunkel gesagt, dass Bürgerwehren im Regierungsbezirk „nicht gewünscht und entbehrlich“ seien.
Die Amateure, die größtenteils weder vom Recht noch von der Polizeiarbeit eine Ahnung haben, sieht er „nicht selten mit polizeilich bekannten rechtsmotivierten Mitgliedern durchmischt, deren Ansinnen es ist, die freiheitlich demokratische Grundordnung in Frage zu stellen“.
„Krawallheimer“ nennt die Leute von den Bürgerwehren Georg Kamphausen (60), Professor für historische Soziologie an der Uni Bayreuth. Einer äußere eine Befürchtung, der andere stimme ein, der nächste will auch was gehört haben – „ein Multiplikationsprozess, an dem die Presse nicht ganz unschuldig ist“. Er rät, „einfach mal nichts zu sagen“, vor allem unter den gegenwärtigen Bedingungen müsse „man nicht jede Stimmung bedienen“.
Die Ursache, weswegen Menschen aus lauter Angst eine Bürgerwehr gründen möchte, sieht er unter anderem in einer „Entwöhnung“ der Bürger, differenziert über einen Sachverhalt zu diskutieren. „Es gibt nur noch schwarz und weiß.“ Das wiederum habe mit der Rolle der Volksparteien zu tun, „die programmatisch nichts zu bieten haben und nur der letzten Mode hinterherrennen“. Dadurch fühlten sich die Menschen alleine gelassen, „dann schließt man sich ein paar Rattenfängern an“.
Kamphausen rät im Umgang mit diesen zu „mehr Gelassenheit“. Es seien auch Leute dabei, die schon immer darauf gewartet hätten, sich mal zeigen zu können. „Was bringt Leute dazu, durch die Stadt zu laufen und nach dem Rechten zu schauen? Das ist völlig grotesk.“ Dahinter stecke eine „völlig merkwürdige Ordnungsvorstellung“. Wofür die Bürgerwehren stehen? „Nur für sich selbst“.
Der Wissenschaftler sieht als Ursache für die Selbst-ist-der-Mann-Ordnungshüter eine „Refeudalisierung“ – Bürger, die alles selbst in die Hand nehmen und den Staat nicht mehr seine Arbeit machen lassen, weil sie ihm misstrauen und gegenüber den von ihnen gewählten Regierungsvertretern das Vertrauen schwindet. Zu Unrecht, denn in den Regierungen „sitzen keine Doofköppe“.
Allerdings räumt er auch ein, dass eine weichgespülte „Beruhigungs-Rhetorik“ genau so grotesk sei. Dass man in gewissen Zusammenhängen den Begriff „Islam“ nicht mehr verwenden dürfe, sei „erbärmlich“.