An Feiern war noch vor einem Jahr nicht zu denken. Der Skandal war bereits im November 2017 im Zuge der #MeToo-Enthüllungen ins Laufen gekommen, nachdem 18 Frauen in der schwedischen Zeitung "Dagens Nyheter" Anschuldigungen wegen sexueller Belästigung und Übergriffen gegen Arnault vorgebracht hatten. Wegen Vergewaltigung wurde er im Dezember 2018 zu zweieinhalb Jahren Gefängnis verurteilt - das Urteil ist nach mehrmals gescheiterter Berufung mittlerweile rechtskräftig.
Als wäre das nicht genug, warf die Akademie Frostenson und Arnault vor, die Literaturnobelpreisträger vorab ausgeplaudert und damit gegen ihre Geheimhaltungspflicht verstoßen zu haben. Der Streit führte letztlich dazu, dass im Nobel-Kalender 2018 eine breite Lücke klaffte - kein Literaturnobelpreis war - wie sonst üblich - zwischen den wissenschaftlichen Auszeichnungen und dem Friedensnobelpreis verkündet worden.
Frostenson hat die Zeit von November 2017 bis Mai 2018 in einem teils bissigen Buch verarbeitet. Sie spricht von "grotesken Übertreibungen, Lügen und Verleumdungen", von Neid und Karrierelust. Der Skandal hat rückblickend aber auch zu einem Erneuerungsprozess bei der Akademie geführt. Zwar ist der Altersdurchschnitt immer noch hoch und der Anteil von Frauen mit 33 Prozent weiter niedrig. Aber die Statuten erlauben mittlerweile Austritte. Mehrere Mitglieder gingen, neue kamen - so viele, dass die Institution erstmals seit beachtlichen 30 Jahren wieder vollständig sein wird. Für Frostenson sitzt Dichterin Tua Forsström nach der offiziellen Amtseinführung am 20. Dezember künftig auf dem Platz mit der Nummer 18.
Mit Mats Malm hat zudem ein neuer Ständiger Sekretär das Ruder übernommen. Er macht keinen Hehl daraus, dass die Krise Spuren hinterlassen hat. "Es ist schmerzhaft gewesen. Es gibt blaue Flecken", sagte er zuletzt auf der Buchmesse in Göteborg.
Ob die Akademie bei der Doppelvergabe lieber auf Nummer sicher geht und von kontroversen Entschlüssen wie der Vergabe des Preises an den US-Musiker Bob Dylan 2016 absieht, wird sich am Donnerstag zeigen. Für 2018 hat sich die Akademie nach dpa-Informationen 194 Kandidaten angeschaut, für 2019 insgesamt 189. Diese Namen werden traditionell für 50 Jahre unter Verschluss gehalten.
Glaubt man den Wettanbietern, dann dürfte der Preis für 2019 an eine Frau gehen. Mehrere Frauen liegen beim Wettbüro Unibet ganz vorn: Anne Carson aus Kanada, ihre immer wieder zum engen Favoritenkreis zählende Landsfrau Margaret Atwood, die in der Karibik geborene Schriftstellerin Maryse Condé aus dem französischen Überseegebiet Guadeloupe, die 2018 von schwedischen Kulturschaffenden den "Alternativen Literaturpreis der Neuen Akademie" erhielt, sowie Olga Tokarczuk aus Polen. Dahinter folgen Namen, die seit Jahren hoch gehandelt werden, darunter der Kenianer Ngugi wa Thiong'o und Haruki Murakami aus Japan. Letztere wären eine sichere Bank für die Akademie.
Ob das Nachholen des Preises aus dem Vorjahr richtig oder falsch ist? Auch das muss sich erst noch zeigen. Die frühere Ständige Sekretärin Sara Danius hält das Vorgehen für einen Fehler. Aus Respekt vor den Frauen, die Opfer des Mannes im Zentrum des Skandals geworden seien, hätte man sich entschließen sollen, für 2018 auch nachträglich keinen Preis zu vergeben, sagte sie im März im schwedischen Fernsehen. "So hätte man in Erinnerung behalten können, dass tatsächlich etwas passiert ist. Wie ein Sprung in der Scheibe."