Die App Be Real So funktioniert das Anti-Instagram

Anna-Sophie Kächele

Geschönte Bilder, perfekte Körper: Instagram steht mit seiner Inszenierung der Wirklichkeit stark in der Kritik. Zwei Franzosen haben die App Be Real entwickelt. Wie geht das?

 
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Alltägliche Schnappschüsse statt geschönter Bilder – das ist die Idee der App-Erfinder Alexis Barreyat und Kevin Perreau. Ihr Versprechen: keine Likes, keine Follower, keine Werbung. Be Real (auf Deutsch: Sei echt) ist die Reaktion auf die idealisierte Instagram-Welt. Die App erlebt einen enormen Zulauf. Was man darüber wissen sollte.

Was ist die Kritik an Facebook und Co.?

Ein Großteil der Deutschen nutzt mindestens ein soziales Netzwerk. Ganz vorne liegt immer noch Facebook mit 47 Millionen Nutzern im Monat. Und das trotz der Kritik, die 2021 aus den eigenen Reihen kam. Die Whistleblowerin Frances Haugen hatte interne Unterlagen über Facebook, heute Teil des Technologiekonzerns Meta, an Journalisten weitergereicht. Die ehemalige Mitarbeiterin weist nach, dass Facebook Studien unter Verschluss hält, die den negativen Einfluss sozialer Medien auf die geistige Gesundheit von Jugendlichen zeigen. Haugen wirft Facebook außerdem ein unzureichendes Vorgehen gegen Fake-News und Falschinformationen über Impfstoffe vor.

Wie genau funktioniert Be Real?

Das Geschäftsmodell der App Be Real basiert auf Spontanität statt geplanter Postings und auf unverfälschten Fotos statt retuschierter Posen. Alle Nutzerinnen und Nutzer in Europa bekommen zu täglich wechselnden Zeiten eine Aufforderung. Sobald die Push-Nachricht geöffnet ist, bleiben zwei Minuten Zeit, um ein Foto zu schießen. Front- und Rückkamera lösen gleichzeitig aus.

Nur wer der Aufforderung nachkommt und ein Foto postet, kann die Beiträge seiner Kontakte sehen. Wird das Foto später gemacht, ist der Post mit der verspäteten Zeitdifferenz gekennzeichnet. Innerhalb der zwei Minuten kann das Foto beliebig oft wiederholt werden. Eine Möglichkeit, es zu bearbeiten, gibt es nicht, im Gegensatz zu anderen Social-Media-Plattformen.

Geteilt werden die eigenen Aufnahmen dann mit den selbst ausgewählten Kontakten oder im „Discovery-Feed“, auf den alle Nutzer der App Zugriff haben. Nach 24 Stunden werden alle Fotos gelöscht. Diese Begrenzung steht im Kontrast zur Präsentation der Inhalte auf Instagram oder Facebook.

Was hat es mit den Real Mojis auf sich?

Auf Be Real fehlen nicht nur Filter, auch die klassischen Emojis gibt es nicht, mit denen sonst auf den anderen Apps die eigene Reaktion ausgedrückt wird. Stattdessen kann man sein eigenes Gesicht mit dem passenden Gesichtsausdruck fotografieren, aus dem dann ein Real Moji wird.

Wer hat die neue App erfunden?

2020 haben die zwei Franzosen Alexis Barreyat and Kevin Perreau die App veröffentlicht. Wirklich bekannt wurde sie allerdings erst dieses Jahr. Sie gehört in Deutschland momentan mit Tiktok und Instagram zu den beliebtesten Social-Media-Apps. Nach Schätzung des Analysediensts Apptopia wurde sie bis August weltweit 43,3 Millionen Mal heruntergeladen.

Wer nutzt die App heute schon?

Besonders beliebt ist Be Real bei der Generation Z, also Menschen, die zwischen 1997 und 2012 geboren sind. Aber auch ältere Menschen nutzen die App. Die Aufforderung, wieder mehr echte Momente zu teilen, trifft den Nerv der Zeit und bedient offenbar den Wunsch, ungeschönte Inhalte in den sozialen Medien zu sehen. Die Gründer fordern Influencer ausdrücklich auf, andere Plattformen zu nutzen. Öffentliche Follower-Zahlen gibt es nicht, weshalb die App eigentlich nur für Privatpersonen interessant sein sollte. Auch Unternehmen haben es durch die schlechte Planbarkeit von Posts deutlich schwerer, Werbung zu platzieren.

Wie reagiert die Konkurrenz?

Auch Instagram hat jetzt einen internen Prototyp erarbeitet, der wie die App Be Real funktioniert. Instagram selbst äußert sich nicht dazu, ob und wann der Prototyp „IG Candid Challenge“ getestet wird. Die Plattform wird schon länger dafür kritisiert, die Funktionen anderer Apps zu kopieren, anstatt eigene Ideen zu entwickeln.

Was meint man im Netz dazu?

Da die Nutzer keinen Einfluss darauf haben, wann die Benachrichtigung erscheint, sind vor allem Bilder von Computerbildschirmen, Kaffeetassen und Einkaufswägen bei der App zu sehen. Alltägliche Situationen, die manche Nutzer als langweilig empfinden. Andere freuen sich über den spaßigen Austausch mit Menschen, die man tatsächlich kennt. Genau damit wirbt Be Real: Die App sei ein neuer und einzigartiger Weg, um herauszufinden, wer die eigenen Freunde im täglichen Leben wirklich sind. Ob sie sich halten wird oder wie einige ihrer Vorgänger nach dem ersten Hype verschwindet, lässt sich nur mutmaßen.

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