Schon wieder ein Schlag für die Diakonie: Beim diakonischen Unternehmen Jean-Paul-Verein stehen neun Mitarbeiter vor der Kündigung. Weil die Stadt einen Vertrag kündigt und junge Flüchtlinge nach Hof schickt. Unmenschlich, heißt es im Verein. Die Stadt nennt die Situation „unglücklich“. Aber „ein großer Teil“ der Mitarbeiter soll in einer neuen Einrichtung unterkommen.
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Franz Sedlak, Geschäftsführer der Diakonie Bayreuth und des Jean-Paul-Vereins bestätigt: Es stehen neun Mitarbeiter vor einer betriebsbedingten Kündigung, am Donnerstagmorgen haben sie in einer Team-Besprechung davon erfahren. „Ein Geschäftsfeld fällt weg“, sagt er. Ob die Mitarbeiter in einem anderen Diakonie-Bereich unterkommen, steht noch nicht fest.
Innerhalb weniger Wochen hatte Sedlak die Betreuungseinrichtung für unbegleitete junge Flüchtlinge aus dem Boden gestampft. Die Arbeit sollte der Verein leisten, die Stadt bezahlen. Neun Mitarbeiter kümmerten sich fortan um die 35 Jugendlichen. Aber nur vier Monate lang. Im November beschloss der Bundestag ein neues Gesetz, nachdem junge Flüchtlinge anders in Bayern verteilt werden sollten. Die Stadt reagierte schnell: Sie kündigte den Vertrag mit dem Verein, die Flüchtlinge sollen ab Mai in Speichersdorf unterkommen, von da auf Einrichtungen in Oberfranken verteilt werden, hauptsächlich in eine der Diakonie Hochfranken in Hof.
„Die Jean-Paul-Verein Bayreuth hat die Drecksarbeit gemacht, jetzt kriegt sie einen Tritt in den Hintern“, sagt ein Beteiligter. Es habe eine Absprache mit der Stadtverwaltung gegeben, die Jugendlichen „zwei bis drei Jahre“ in Bayreuth zu lassen. Nach Informationen des Kuriers aber unterschrieb die Stadt einen Mietvertrag für lediglich ein Jahr. Dies sei, so Carsten Hillgruber, Sozialreferent der Stadt, auch dem Verein bekannt gewesen.
Es zahlt immer der Freistaat
Tatsächlich will die Stadt Bayreuth die Notaufnahmeunterkunft in der Peter-Henlein-Straße beenden und sie stattdessen eine sogenannte In-Obhutnahme-Einrichtung für Jugendliche umwandeln. Für Jugendliche also, die irgendwo auf ihrer Flucht aufgegriffen werden. Bei der Bezahlung ändert sich nichts: „Letztendlich trägt bei beiden Formen der Einrichtung immer der Freistaat Bayern die Kosten“, bestätigt die Regierung von Oberfranken.
Mit dem Landkreis habe der Jean-Paul-Verein „den absolut gleichen Vertrag“ wie mit der Stadt – aber dort ändert sich erst einmal nichts. Jugendliche Flüchtlinge werden weiter in Betzenstein untergebracht, der Landkreis zahlt, die Diakonie macht die Arbeit. Jetzt hat der Landkreis eine Immobilie in Creußen gefunden, die für zwei Gruppen von Jugendlichen flott gemacht wird. Die kommen dann von der Notaufnahme aus Betzenstein nach Creußen, die Mitarbeiter des Vereins gehen mit. „Warum kriegt das die Stadt nicht auf die Reihe?“, wundert sich ein Beteiligter.
Das neue Gesetz hat grundlegende Dinge verändert, es regelt die bundesweite Verteilung nach einem bestimmten Schlüssel. Nur etwa 15,5 Prozent bleiben im Freistaat, die neu aufgegriffenen Jugendlichen werden seit November in Bayern nur vorläufig in Obhut genommen.
In dem neuen Gesetz steht, dass die Standards der Jugendhilfe bei Flüchtlingen einbehalten werden sollen. Die Plätze in den Notunterkünften, die jetzt nicht mehr so nötig sind, sollen deshalb weniger werden. Aber einige werden bestehen bleiben müssen. „Wir wollen die Gruppe in Betzenstein auch in einen Regelbetrieb überführen“, sagt Georg Schmelzer, Jugendamtsleiter für den Landkreis. Wann das ist, hänge davon ab, wie schnell der Landkreis eine geeignete Unterkunft finde. Das habe „einen langen Vorlauf“, sagt Schmelzer. Vielleicht bleibt sogar die Unterkunft in Betzenstein als Notunterkunft bestehen. Man müsse gewappnet sein, wenn wieder viele junge Flüchtlinge kommen.
"Keiner kümmert sich um das Wohl der Jugendlichen"
„Keiner kümmert sich um das Wohl der Jugendlichen“, sagt dagegen Helmut Raithel, Abteilungsleitung Jugendhilfe vom Jean-Paul-Verein. Genau das aber soll das neue Gesetz verbessern. Denn die Einrichtungen, in denen die Flüchtlinge untergebracht werden, sollen schöner sein und luxuriöser. „Ja, in Bayreuth sind die Standards niedriger“, räumt Raithel ein. Aber die Jugendlichen hätten sich wohlgefühlt. Außerdem hätten sie sich gerade integriert. Und müsste jetzt wieder weg. Vergangene Woche wurden einige von Bayreuth nach Helmbrechts verlegt. Zwei davon haben sich in den Zug gesetzt und sind nach Bayreuth zurückgekommen. Trotz der schöneren Häuser mit schöneren Zimmern. Integration passiere, sagt Raithel. „Aber wir reißen die Jugendlichen wieder heraus.“
Die beiden Jungs im Alter von 15 und 16 Jahren, die von Helmbrechts nach Bayreuth zurückkehrten, sollen jetzt „gezwungen“ werden, wieder nach Helmbrechts zu gehen. Denn nach wie vor weigern sie sich. Ihnen soll die Stadt „drohen“, dass sie in die Gemeinschaftsunterkunft gehen müssen. Das entspräche, so bestätigt Raithel, nicht dem Jugendschutz. „Wir kennen solche Prozesse im Verfahren mit deutschen Jugendlichen so nicht.“ Anders gesagt: Mit deutschen Jugendlichen würde man so nicht verfahren.
"Das ist in der Tat nicht ideal"
Carsten Hillgruber, Sozialreferent der Stadt, ist sich sicher, dass „ein großer Teil“ der neun Mitarbeiter in der neuen Einrichtung unterkommen, die auch vom Jean-Paul-Verein betrieben werden soll. Allerdings gibt es weder eine Immobilie noch eine Betriebserlaubnis noch eine schriftliche Vereinbarung darüber. Man sei in Verhandlung, sagt Hillgruber.
Die Jugendlichen, um die es jetzt gehe, sollen nicht auf Dauer in einer Notunterkunft untergebracht werden. Die sollen – und müssen per Gesetz – in eine „normale“ Jugendhilfeeinrichtung wie in Helmbrechts, weil diese für eine langfristige Aufnahme geeignet sei. Hätte die Stadt eine zusätzliche Einrichtung gehabt, hätten die Jugendlichen da bleiben können. „Aber da gibt es im Moment keine“, sagt Hillgruber. „Das ist in der Tat nicht ideal“, sagt er, „da sind wir nicht glücklich drüber“. Allerdings sind die Jugendlichen noch in dem sogenannten Asylverfahren, wo sie eigentlich keine Wahl haben, sich einen Wohnort auszusuchen.