Gesundheitsatlas Baden-Württemberg Rückenschmerz – wenn’s im Kreuz zwickt

Werner Ludwig

Wie können wir möglichst lang gesund leben? Wir informieren Sie jede Woche in unserem Gesundheitsatlas Baden-Württemberg über die beste Vorsorge und die sinnvollsten Therapien gegen häufige Krankheiten. Heute: Rückenschmerzen.

 
Schließen

Diesen Artikel teilen

Bei vielen Formen des Rückenschmerz helfen schmerzlindernde Medikamente, sowie Physio- und Bewegungstherapien. Foto: Racle Fotodesign, Adobe Stock/Picture-Factory

Rund 20 Millionen Deutsche gehen mindestens einmal pro Jahr wegen Rückenschmerzen zum Arzt. Das ist etwa jeder vierte Einwohner. Zwar verschwinden in den meisten Fällen die Symptome wieder, mitunter aber bleiben sie, werden chronisch und können gar das Leben zur Qual machen. Wie gelingt die Suche nach der Ursache und der richtigen Therapie – und was dient der Vorbeugung?

Nach der Werbung weiterlesen

Was sind Rückenschmerzen?

Rückenschmerzen stehen auf der Liste der Volkskrankheiten ganz oben. Bei einer repräsentativen Erhebung des Robert-Koch-Instituts (RKI) im Jahr 2020 berichteten 61,3 Prozent der Befragten von Rückenschmerzen innerhalb der letzten zwölf Monate. Grob lassen sich die Beschwerden in spezifische und nicht-spezifische Rückenschmerzen unterteilen. Die spezifische Variante ist auf organische Ursachen zurückzuführen – etwa auf einen Bandscheibenvorfall, eine Unfallverletzung oder degenerative Veränderungen wie den Verschleiß der Gelenke zwischen den einzelnen Wirbeln.

Bei nicht-spezifischen Rückenschmerzen lassen sich in der Regel keine krankhaften Veränderungen finden, die man mit den Beschwerden in Verbindung bringen kann. Ursache sind häufig verspannte, verkürzte oder überdehnte Muskeln infolge von Fehlhaltungen oder einseitiger Belastung. Auch starke Anspannung infolge von Stress spielt hier oft eine Rolle.

Typische Symptome

Bei der Zahl der Diagnosen dominieren klar die nicht-spezifischen Rückenschmerzen. „85 Prozent der Bevölkerung sind im Lauf ihres Lebens irgendwann davon betroffen“, sagt Bernd Kladny, Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie (DGOU). Nicht-spezifische Rückenschmerzen können sich sehr unterschiedlich äußern. Sie können an unterschiedlichen Stellen der Wirbelsäule auftreten, sie können mäßig stark sein oder nahezu unerträglich. Sie können akut auftreten wie zum Beispiel ein Hexenschuss, der meist auch ohne Behandlung nach kurzer Zeit wieder verschwindet. Sie können aber auch wochenlang anhalten und durchgängig oder phasenweise auftreten. Dauern die Beschwerden länger als zwölf Wochen an, bezeichnet man sie als chronisch.

Treten neben Schmerzen im Rückenbereich weitere Symptome auf, die auf körperliche Schäden hindeuten, ist Vorsicht geboten. „Ein taubes oder pelziges Gefühl in den Gliedmaßen ist ein Alarmzeichen, wenn auch noch Muskellähmungen dazu kommen“, sagt Kladny. Hier könnten im Rückenmark Nerven eingeklemmt sein. „In so einem Fall müssen bildgebende Verfahren eingesetzt werden, um abzuklären,ob Gewebe auf einen Nerv drückt.“ Starke Schmerzen, die auch nachts anhalten, könnten wiederum ein Indiz für entzündliche Veränderungen der Wirbelsäule sein.

Die Diagnose

Beim ersten Arztbesuch muss zunächst geklärt werden, ob es für die Rückenschmerzen eine organische Ursache gibt. „Dazu gehören ein ausführliches Patientengespräch und eine gründliche körperliche Untersuchung“, sagt Kladny. Finden sich dabei keine Hinweise auf Verletzungen oder ernsthafte Erkrankungen, die eine spezielle Therapie erfordern, empfehlen die Behandlungsleitlinien zunächst keine weiteren diagnostischen Maßnahmen wie etwa eine Röntgenuntersuchung oder eine Kernspintomographie.

„An einem Röntgenbild kann man in den meisten Fällen ohnehin nicht erkennen, ob jemand Schmerzen hat oder nicht“, so Kladny. Selbst wenn dort ein Verschleiß zu sehen sei, könne es sein, dass der Betroffene keine Beschwerden habe – und umgekehrt. Das Patientengespräch sei auch wichtig, um psychosoziale Belastungsfaktoren zu erkennen, etwa Stress bei der Arbeit oder in der Beziehung. Erst wenn die Schmerzen trotz konservativer Behandlung nach vier bis sechs Wochen nicht abnehmen oder sogar stärker werden, soll den Leitlinien zufolge entschieden werden, ob der Einsatz bildgebender Verfahren sinnvoll ist, um mögliche körperliche Ursachen aufzuspüren.

Therapieansätze – das hilft

„Wenn jemand nicht-spezifische akute Rückenschmerzen hat, klingen diese oft ohne Behandlung wieder ab und verschwinden in ein paar Tagen oder Wochen“, sagt Kladny. Zur Unterstützung könnten schmerzlindernde Medikamente, sowie Physio- und Bewegungstherapie eingesetzt werden. Bei chronischen nicht-spezifischen Rückenschmerzen wird eine multimodale Therapie empfohlen, bei der Ärzte, Physiotherapeuten und Psychologen eng zusammenarbeiten. Oberstes Ziel sei dabei die Wiederherstellung der Belastbarkeit und Leistungsfähigkeit, so Kladny.

Auch für den Fall, dass die Beschwerden nicht ganz verschwinden, müssten die Betroffenen „lernen mit dem Schmerz umzugehen“. Operationen oder andere invasive Therapien seien bei nicht-spezifischen Beschwerden nicht angezeigt – anders als bei spezifischen Rückenschmerzen, die auf Verletzungen oder Abnutzungserscheinungen zurückzuführen sind. „Manchmal ist auch nur ein Wirbelgelenk blockiert, das der Arzt wieder lösen kann“.

Das wirkt vorbeugend

„Jede Form körperlicher Aktivität hilft“, sagt Kladny. „Die Bandscheiben werden nicht durchblutet, sie müssen deshalb regelmäßig durchgewalkt werden. Sonst bekommen sie zu wenig Nährstoffe ab.“ Und das funktioniere nur über Bewegung. Dabei sei es gar nicht wichtig, ob man lieber läuft, Fahrrad fährt oder schwimmt. Ergänzend könne man etwas für die Rückenmuskulatur tun, ohne die die Wirbelsäule ein ziemlich instabiles Gebilde wäre.

Bei all dem sollte man sich aber auch nicht überlasten. Wichtig für die Prävention seien zudem ergonomisch gestaltete Arbeitsplätze und regelmäßige Bewegung auch bei sitzenden Tätigkeiten: „Telefonieren kann man genauso gut im Stehen“, meint Kladny.