Konjunktur trübt sich ein Industrie stellt Koalition schlechtes Zeugnis aus

Containerumschlag im Hamburger Hafen: Vor allem die exportstarke deutsche Industrie wird von den Folgen internationaler Handelskonflikte belastet. Foto: Christian Charisius/dpa Foto: dpa

Die Wirtschaft ist seit langem unzufrieden mit der Arbeit der Koalition. Auch zur Halbzeit gibt es vom Industrieverband alles andere als Lob. Für die Opposition ist das eine Steilvorlage.

 
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Berlin - Zur Halbzeit der großen Koalition hat die deutsche Industrie dem Bündnis aus CDU/CSU und SPD ein schlechtes Zeugnis ausgestellt.

"In zentralen Politikfeldern fehlen bis heute ein klarer Kurs und richtungsweisende Entscheidungen zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie", sagte BDI-Hauptgeschäftsführer Joachim Lang der Deutschen Presse-Agentur. "Angesichts der sich stark eintrübenden Konjunktur müssen wir feststellen, dass die jüngsten Aufschwung-Jahre verpasste Chancen für mehr Wachstum waren." Der wirtschaftspolitische Kurs nach dem Motto "Umverteilung vor Investitionen" drohe sich nun zu rächen.

Die Halbzeitbilanz wird an diesem Sonntagabend auch den Koalitionsausschuss von Union und SPD beschäftigen.

Das Bündnis war Anfang 2018 nur unter Mühen zustande gekommen, nachdem die Jamaika-Verhandlungen von CDU/CSU, FDP und Grünen gescheitert waren. Die SPD bestand darauf, zur Mitte der Wahlperiode eine Zwischenbilanz zu ziehen. Bei den Sozialdemokraten gibt es eine starke Strömung, die für einen Ausstieg aus der großen Koalition plädiert. Viel Gewicht wird in dieser Frage der künftigen Parteiführung zukommen.

Familienministerin Franziska Giffey sprach sich für einen Verbleib ihrer Partei in der Regierung aus. "Das Heil der SPD kann nicht in einem vorzeitigen Verlassen der großen Koalition liegen", sagte sie der "Neuen Osnabrücker Zeitung" (Samstag). "Die Bürgerinnen und Bürger wollen eine verlässliche Regierung, die gute Arbeit leistet."

Die Konjunktur in Deutschland hat sich deutlich abgekühlt. Vor allem die exportstarke deutsche Industrie wird von den Folgen internationaler Handelskonflikte belastet. Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) und andere Spitzenverbände der Wirtschaft fordern seit langem Entlastungen für Unternehmen. Sie wollen zum Beispiel weniger Bürokratie und eine Reform der Unternehmensteuern, damit die Firmen wettbewerbsfähig blieben.

"Deutschland hat sich zum Höchststeuerland entwickelt", sagte BDI-Hauptgeschäftsführer Lang. "Seit der Steuerreform von 2008 gab es keine nennenswerten Entlastungen für Unternehmen." Auch von den soeben im Bundeskabinett beschlossenen Klimagesetzen gingen keine ausreichenden Wachstumsimpulse aus. "Die Energiekosten steigen weiter, obwohl der Standort Deutschland bereits zu den Volkswirtschaften mit den teuersten Industriestrompreisen gehört. Höhere Steuern belasten die Unternehmen zusätzlich."

Lang sagte, Deutschland verfüge nach einem wirtschaftlich starken Jahrzehnt mit einem sehr hohen Beschäftigungsstand und solide finanzierten öffentlichen Haushalten über finanzielle Spielraum, trotz der Schuldenbremse. Der Staat könne sich außerdem gegenwärtig zu negativen Zinsen verschulden. "Finanzpolitisch muss Deutschland jetzt umschalten", forderte Lang.

"Im Bundeshaushalt 2019 mit dem Rekordvolumen von 356 Milliarden Euro gehen 40 Prozent ins Budget des Bundesarbeitsministeriums, aber nur rund 5 Prozent in Forschung und Bildung. In der Wirtschaftspolitik hat sich ein enormer Handlungsdruck aufgebaut, weil zu lange zu viel umverteilt und zu wenig investiert wurde. Die Ungeduld in den Unternehmen wächst." Lang forderte zudem mehr Tempo beim Ausbau des schnellen Internets sowie der Stromnetze im Zuge der Energiewende.

Der Vizevorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion, Michael Theurer, erklärte, der BDI kritisiere die große Koalition zu Recht. Diese - voran Wirtschaftsminister Peter Altmaier - habe "bis auf große Ankündigungen kaum Substantielles für die Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit unseres Wirtschaftsstandorts getan". Jetzt sei schnelles Handeln gegen eine drohende Rezession und die Strukturkrise nötig. "Die Bundesregierung muss endlich liefern", sagte Theurer der dpa.

Altmaier sieht das Problem in erster Linie beim Koalitionspartner SPD. "Vieles, was dringend notwendig wäre, geht mit unserem Koalitionspartner gar nicht oder nur schleppend", sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (Samstag). "Entbürokratisierung bei den Dokumentationspflichten zum Mindestlohn oder die Flexibilisierung der Arbeitszeiten wären dringend nötig, um angesichts der abflauenden Konjunktur gegenzusteuern." Die SPD aber beschäftige sich derzeit vor allem "mit sich selbst und ihren ungeklärten Personalfragen".

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