Der Wochenend-Kommentar Notwendig, nicht unwürdig

Die Kritik, dass immer mehr Menschen auf die Hilfe der Tafel angewiesen sind, ist berechtigt. Doch die Essensausgabe „unwürdig und erniedrigend“ zu nennen, schießt über das Ziel hinaus, findet unser Kommentator Christian Weidinger.

 
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  Foto: /Reißaus

Es ist schon richtig, wenn Horst Ramming sagt, es dürfe nicht sein, dass in einem so reichen Land wie Deutschland Menschen für Essen Schlange stehen. Und zwar nicht wegen eines Schnäppchens,sondern aus purer Not. Doch das „unwürdig und erniedrigend“ zu nennen geht zu weit – und trifft vor allem die Falschen.

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Denn die Nutzer der Tafel können nichts dafür, dass sie auf Hilfe angewiesen sind. Und erst recht ist Elfriede Höhn und ihrem Team kein Vorwurf zu machen. Wofür auch? Dafür, dass sie sich jeden Tag abrackern, um zumindest die größte Not zu lindern? Doch hinter Rammings Kritik eine böse Absicht zu vermuten, trifft es ebenfalls nicht. Schließlich wären nur die Wenigsten dazu bereit, ein Fest für Bedürftige zu organisieren. Oder überhaupt selbst etwas auf die Beine zu stellen. Unbedacht und kurzsichtig waren die Aussagen des Ködnitzers jedoch allemal.

So ist es mehr als fraglich, ob sich eine Familie auf dem Weg zur Essensausgabe besser fühlt, wenn sie zuvor lesen musste, wie unwürdig das doch sei. Viele Nutzer brauchen mehrere Anläufe, bis sie sich zu einem Besuch der Tafel durchringen können. Es ist unnötig sie mit solchen Aussagen zusätzlich zu belasten. Man darf sich sicher sein: Scham empfinden viele ohnehin schon genug.

Doch Rammings Absicht war sicher nicht, die Menschen zu beschämen. Seine Kritik zielte eher auf den Sozialstaat und letztlich auf uns als Gesellschaft ab. Darauf, dass wir nicht dafür sorgen, dass jeder genug zu essen hat. So ist wohl auch seine Aussage zu deuten, man solle die Tafel überflüssig machen. Anstatt einer Essensausgabe bei der Tafel schlägt er vor, jeder solle nach seinem Vorbild Bedürftige zu sich zum Essen einladen. Eine schöne Idee, nur leider spiegelt sie nicht die Welt wider, in der wir leben.

In einem Punkt hat Ramming jedoch recht: Ein Handeln der Politik ist längst überfällig. Sie ist es, die endlich dafür sorgen muss, dass Menschen keinen Hunger leiden während andere ihre Steuermillionen im Ausland parken. Bis dahin können wir froh sein, dass es die Tafeln gibt. Sie abzuschaffen, während man darauf wartet, dass sich die Sozialpolitik ändert, wäre genauso plausibel, wie Frauenhäuser zu schließen, weil der Gesetzgeber mehr gegen häusliche Gewalt unternehmen muss.

redaktion.kulmbach@frankenpost.de