Der Ruhm hat seinen Preis

Von Martin Kreklau
 Foto: red

Ein Tag als Komparse beim Tatort-Set am Festspielhaus ist mit Entbehrungen verbunden

 
Schließen

Diesen Artikel teilen

Auf den Weg zum Festspielhaus spüre ich die Aufregung: Mein erster Tag als Komparse beim Film, und das beim Franken-Tatort – dürfte spannend werden. Nah dran an den Stars des deutschen Fernsehens, ein Hauch von großem Kino.

Entlang des Festspielhauses geht es zum Restaurant Steigenberger, dem Treffpunkt. Neben mir laufen Menschen in feinem Zwirn und mit strahlenden Gesichtern. Die meisten sind genauso aufgeregt wie ich. Die Komparsen sind „Teil einer Festgesellschaft“, mehr weiß man nicht. Während sich die Damen in enge Cocktailkleider und wallende Gewänder in schillernden Farben geworfen haben, ist die Auswahl bei den Herren eher begrenzt: Anzug, dunkel. Immerhin: Die Fliegen und Krawatten variieren.

Wer plaudert, erntet nur ein "Pscht!"

Der Saal füllt sich. Neben mir nimmt eine junge Frau Platz: Marina Alma aus Hof, 19 Jahre alt. Sie studiert in Bayreuth Jura und wollte die Komparserie ausprobieren. Sie hat bereits schauspielerische Erfahrung: Als sie sechs Jahre alt war, hat sie bei einem Krippenspiel mitgemacht. Sie gab die Maria. Schon ein Jahr später wartete die nächste große Rolle auf sie: Beim Auftritt des Schulchores spielte sie aus Mangel an Gesangstalent einen Frosch. Nun also der Frankentatort. Eine Karriere am aufsteigenden Ast.

In unser Gespräch platzen Regieassistent Harald und Regieassistent-Assistent Jonas. Sie erklären, dass wir ein begeistertes Opern-Publikum mimen sollen und erläutern die wichtigsten Regeln: 1. Keine Fotos am Set machen. 2. Nicht direkt in die Kamera schauen. 3. Ruhig sein. 4. Machen was die Regie uns sagt. 5. Nicht verraten wer der Mörder ist. Und 6. Keine Fotos am Set machen, wirklich nicht. Nach dem Briefing setzt sich der Tross in Bewegung, drängt sich die Treppen hinauf zum Festspielhaus bis in den Saal mit den mächtigen Säulen. Es ist dunkel. Nur ein Strahler direkt über der Bühne beleuchtet die kargen Holzsitze mit dem Cordbezug. Marina nimmt neben mir Platz und neben ihr ein Herr, der das mit Regel Nummer drei nicht ganz so ernst nimmt. Er quatscht pausenlos, zu allem fällt ihm ein Kommentar ein. Jedes Mal erntet er ein “Pscht!”.

Ein Mann hat eine Waffe gezogen - dann fällt ein Schuss

Der Regisseur verteilt die Statisten über die Sitzreihen. Die Action passiert auf der Empore, im Zuschauerraum sieht man nichts von den Schauspielern, hört lediglich ihre Stimmen. Unsere Aufgabe: gebannt auf die leere Bühne starren. “Und bitte!”, ruft der Regisseur, das Zeichen, dass es jetzt losgeht. Ich stelle mir vor, eine Opernsängerin würde eine Arie schmettern. Auf der Empore spielt sich die Szene ab: Ein Mann hat eine Waffe gezogen. Die Kommissarin bittet ihn, sie wegzulegen. Dann fällt ein Schuss. Marina zuckt zusammen und sieht Richtung Kamera. “Dankeschön!”, ruft der Regisseur. “Na immerhin war es keine richtige Pistole”, scherzt der Kommentator. Marina rollt mit den Augen. Wir drehen die Szene noch dreimal.

Als das erledigt ist, schickt uns Regieassistent Harald zurück ins Steigenberger. Drei Stunden sind vergangen, die Statisten haben Hunger. Doch für die 170 Gäste sind nur acht kleine Platten mit Häppchen da. Es beginnt eine heiße Schlacht am kalten Buffet. Unter Einsatz meines Lebens ergattere ich zwei Scheiben Baguette und teile ritterlich mit Marina. Die hat bereits ein „Notfall-Snickers“ aus ihrer Handtasche gezaubert. Es macht sich Unmut breit: Wie soll man schauspielern, wenn der Magen knurrt? Eine korpulente Frau mit Schal macht ihrem Ärger Luft: “Wenn ich das gewusst hätte, hätte ich mir Proviant mitgebracht”, poltert sie.

Kollektives Magenknurren sorgt für schlechte Stimmung

Wir werden noch einmal kurz ins Festspielhaus gerufen, dann beginnt eine lange Zeit des Wartens. Die Komparsen plaudern im Steigenberger, schlendern durch den Wagnerpark, sitzen auf den Stufen des Festspielhauses. Weitere Häppchen? Fehlanzeige. Die Mägen knurren kollektiv, die Stimmung droht zu kippen. Nach weiteren drei Stunden werden alle für eine letzte Szene ins Festspielhaus gebeten. Die Frau mit Schal ist sauer: “In der Einladung hieß es, es ist für das leibliche Wohl gesorgt! Meine Freundin hier kippt bald um”, blafft sie Regieassistent Harald an. Der beschwichtigt die hungrigen Hilfsschauspieler, entschuldigt sich und gelobt Besserung.

Das Warten hat alle ausgelaugt. Es ist schwierig, die Begeisterung noch einmal heraufzubeschwören. Harald und Jonas motivieren: Bald ist Drehschluss, gleich geschafft. “Und bitte!” Wir sitzen jetzt nicht mehr auf den oberen Rängen, sondern direkt vor der Bühne, auf der diesmal sogar zwei Opernsänger stehen. Wieder starren wir gebannt. “Dankeschön!”, ruft der Regisseur. Erleichterung, Applaus. Die Komparsen drängen Richtung Ausgang. Noch schnell die Abrechnung holen und ab ins nächste Restaurant. So ein Tag am Set ist entbehrungsreich. Doch der Ruhm hat eben seinen Preis.

Bilder