Der lange Weg zurück aufs Feld

Von Martin Kreklau
 Foto: red

Eine Verletzung kommt oft mit einem Knall: ein Zusammenstoß, ein Sturz, ein falscher Schritt. Bei Philipp Schöttner war es anders. Die Schmerzen schlichen sich förmlich ins Knie des Bayernliga-Handballers. Erst waren sie kaum zu spüren, doch sie wurden von Woche zu Woche stärker. Irgendwann waren sie fast unerträglich. Die Diagnose: ein flächiger Knorpelschaden im rechten Knie. Jetzt droht dem 29-Jährigen das Karriereende.

 
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Philipp Schöttners Verletzung war kein Unfall, sondern Verschleiß. Zehn Jahre Leistungssport macht das rechte Knie des 29-Jährigen nicht mit: Die Knorpelmasse ist fast vollständig abgebaut. Wenn er sich bewegt, reibt Knochen auf Knochen – und das verursacht starke Schmerzen. Doch Schöttner ignoriert es zunächst. Dass es ab und an mal zwickt, sei man als Sportler gewöhnt. Er trainiert weiter, steht sogar auf dem Feld. Doch die Schmerzen im Knie verschwinden nicht. Im Gegenteil: Sie werden immer schlimmer.

„Ich habe schon gespürt, dass da irgendwas nicht passt“, sagt Schöttner. Doch er ist handballverrückt, spielt seit er vier Jahre alt ist. Nicht mehr spielen? Geht nicht. Er konsultiert Physiotherapeuten und Ärzte, versucht es mit Übungen und Spritzen. Es hilft nichts: Die Schmerzen nehmen zu. In einer Würzburger Klinik bekommt er seine Diagnose. Der Arzt sagt ihm, dass er für mindestens ein Jahr nicht mehr Handball spielen kann. Vielleicht sogar für immer. „Es war ein Schock für mich“, sagt Schöttner. „Mir sind die Tränen gekommen.“

"Für einen Sportler ist es eine Strafe"

Für den 29-Jährigen bricht eine schwierige Zeit an. Er kommt unters Messer: Ein Arzt entnimmt Knorpelmasse aus Schöttners rechtem Knie und gibt sie an ein Labor. Dort wird sie künstlich gezüchtet und vermehrt. Es folgt eine zweite Operation. Bei der sogenannten Chandrozytentransplantation wird die neue Knorpelmasse in das beschädigte Knie eingepflanzt. Schöttner muss für die nächsten drei Monate an Krücken gehen. Das Schlimmste für ihn: Er darf das Bein nicht belasten, sonst kann die Knorpelmasse nicht anwachsen. „Für einen Sportler ist es eine Strafe, wenn er sich nicht bewegen darf“, sagt Schöttner.

Diese Phase ist inzwischen vorbei, richtig belasten darf er das Bein jedoch immer noch nicht. Die Muskeln sind weitgehend abgebaut. Schöttner bekommt Physiotherapie. Dort muss er sich regelmäßig selbst bremsen, um das Bein nicht zu überlasten. „Wenn man übertreibt, dann kommt es zu Schwellungen und Schmerzen“, sagt Schöttner, „aber man lechzt förmlich danach, sich auszupowern.“ Der Bewegungsmangel schlägt sich auch auf seine Laune nieder. Früher hat er jede Gelegenheit genutzt, um sich ein Handballspiel im Fernsehen anzuschauen. Inzwischen schaltet er lieber ab. Der Frust ist zu groß.

Fortschritte bei Reha und Aufbautraining

Hoffnung gibt es dennoch. Schöttner macht Fortschritte beim Aufbautraining. „Es ist ein langer Weg“, sagt sein Physiotherapeut Christoph Meyer, „man braucht sehr viel Geduld. Aber es läuft gut, wir sind absolut im Soll.“ Meyer erklärt, dass es verschiedene Phasen der Reha nach einer solchen Operation gibt. Die sind vom Operateur genau vorgegeben, damit der Heilungsprozess ideal unterstützt wird.

Beim letzten Training hat es Schöttner übertrieben, weshalb das Knie angeschwollen ist. „Das ist aber weiter nicht schlimm“, sagt Meyer. Und auch nicht ungewöhnlich: Das Knie sei aufgrund des Eingriffs in einem Reizzustand. Es schwelle nicht nur bei Belastung an, sondern auch, wenn sich Schöttner – beispielsweise an seinem Arbeitsplatz im Büro – länger nicht bewegt. Aber eben nicht immer.

Chancen auf eine Rückkehr stehen 50:50

So oder so: „Wenn es zu einer Schwellung kommt, dann behandeln wir das. Hat es sich beruhigt, gehen wir wieder in die Belastung.“ Auf Schöttner warten noch acht Monate Reha mit Aufbautraining. Die Chancen, dass er je wieder Handball spielen kann, liegen bei 50:50. Damit das Knie voll belastbar ist, müsste der Knorpel perfekt anwachsen. Wenn das allerdings nicht der Fall ist, wird sich Schöttner mit großer Wahrscheinlichkeit erneut verletzen. Er müsste dann endgültig auf Handball verzichten: „Aber irgendwann geht die Gesundheit eben vor.“

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