Der Grüne Faden Stefan Traßl ist der Herr von 35 Königinnen

Vier Bienenvölker von Stefan Traßl stehen an seinem Lieblingsplatz bei Mähring. Der Weiler ist eine von sieben Waldlichtungen des Fichtelgebirges, die schon 1300 besiedelt waren. Fürs Foto zeigt der Imker eine Wabe. Zuvor sprüht er Rauch, um die Tiere etwas ruhig zu stellen. Gestochen werde er immer noch, und es tue auch noch weh, sagt der Imker – und greift beherzt in Richtung Bienen. Foto: Andreas Schmitt

Irgendwann ist er da. Dieser eine Entschluss, der ein Leben umkrempelt. Er lässt den frühpensionierten Ex-Lehrer Stefan Traßl von der Couch aufstehen, auf der er zuvor oft liegt. Und hinausgehen. In sein Hohes Fichtelgebirge. Aus dem er kommt, das er liebt, aus dem er nie mehr weg will. Und in dem er eine neue Berufung findet. Als einer der größten Imker im Umkreis.

 
Schließen

Diesen Artikel teilen

„Ich konnte nicht einfach nur nichts tun“, erinnert sich der heute 52-Jährige an die Zeit, als seine vorherige berufliche Laufbahn als Hauptschullehrer zu Ende gegangen war. „Das war schon ein Einschnitt. Der Beruf hat mir Spaß gemacht.“ Doch 2012 ist Schluss. Psychische Probleme. Fehltage. Amtsarztuntersuchung. Frühpension. Manches hätte er sich anders gewünscht. Das war eine harte Zeit, das merkt man Traßl heute noch an, wenn er darüber spricht. Doch er gab nicht auf, rutschte nicht ab, dachte quer, suchte eine neue Herausforderung. Und ist heute Herr von 35 Königinnen.

Los geht die Geschichte des kleinen Stefan in Hütten, wo die Schilder des Ortseingangs und des Ortsendes in Sichtweite stehen. „Wir spielten Fußball auf dem Acker und Volleyball. Treffpunkt war die Bushaltestelle.“ Traßl liebt das. „Hütten war mein Zentrum der Welt.“

Im Winter dauert Fahrt zur Schule ewig

Zur Grundschule geht es nach Warmensteinach. Dann startet das tägliche Abenteuer. Die Busfahrt ins Graf-Münster-Gymnasium Bayreuth dauert 45 Minuten. Bei schönem Wetter. Oder über zwei Stunden. Bei Schnee. Auch wenn sie das in Bayreuth manchmal nicht glaubten. „Bei Sophienthal war oft die Grenze zwischen weiß und grau.“

Als Jugendlicher wirft Traßl im Bus ein Auge auf ein Mädchen. Andrea aus Fichtelberg. Gleich erwidert sie die Blicke nicht, irgendwann schon. Während er mit dem Fichtelberger Eishockeyteam zu Spielen einer damaligen inoffiziellen deutsch-tschechischen Hobbyliga antritt („Da ging es um den Spaß, oft saßen wir danach bis 4 Uhr früh.“), ist sie auf der Tribüne. „Ich denke schon, dass sie wegen mir zugeschaut hat.“ Sie kommen zusammen. Sie ziehen zusammen. Seit 1994 ist sie Frau Traßl. 2008 ziehen sie ins Haus der Schwiegereltern, bauen an. Die Kinder Severin und Maria sind heute 21 und 19.

20 Jahre Retter bei der Bergwacht

Traßl ist auch gesellschaftlich aktiv, gehört etwa zur Vorstandschaft der FGV-Ortsgruppe Fichtelberg. Fotografieren ist eine Leidenschaft, vor allem in der Natur. Und er ist 20 Jahre lang ehrenamtlicher Retter der Bergwacht Fichtelberg/Neubau. Nie vergessen wird er eine Hilfsaktion auf der Langlaufloipe. „Wir transportierten einen Mann mit dem Motorschlitten ab. Ich bin nebenher gejoggt und habe ihn immer wieder beatmet. Am Schluss musste ich fast beatmet werden.“ Der Mann kam ins Krankenhaus. Was aus ihm wurde: weiß er nicht, sagt Traßl, der immer gerne geholfen hat. „Wir hatten auch eine super Kameradschaft.“ Leider, findet Traßl, sei der gesellschaftliche Einsatz in Vereinen heute nicht mehr so selbstverständlich. „Das könnte auch an der Ganztagsschule liegen“, glaubt der Ex-Lehrer.

Apropos Schule: Traßl wird nach dem Abi Hauptschullehrer. Studium natürlich in Bayreuth. Länger weg aus der Region will er nie. Er unterrichtet von 1999 bis 2012. Bad Berneck, Goldkronach, Kirchenlamitz, Albert-Schweitzer-Schule Bayreuth, wieder Bad Berneck. Das sind die Stationen. Sein Favorit war Kirchenlamitz. Dort ist es ländlich wie daheim. „Da wurden Kinder mit dem Traktor gebracht.“ Traßl unterrichtet fast alles. „Bis auf Kochen und Stricken.“ Paradox: Sogar Maschinenschreiben bringt er Schülern bei – ohne es selbst zu beherrschen. „Und die haben bei den Prüfungen echt gut abgeschnitten.“

Das Kapitel als Lehrer endet

Irgendwann jedoch klingt die Erzählung über sein Lehrerdasein nicht mehr perfekt. Die Ortswechsel gefallen ihm nicht. Der Grund für das Häufen krankheitsbedingter Fehltage sind sie aber wohl nicht. Die Belastung ist einfach groß. Die Psyche. Einige Kuren. Irgendwann will das Schulamt planen. Das Kapitel endet. „Ich verdiene jetzt deutlich weniger, habe aber mehr Zeit für mich.“

Traßl erinnert sich an seinen Bergwacht-Kollegen Albert. Der hat immer gesagt: „Du solltest Imker werden. Lehrer und Pfarrer haben immer Bienen gehabt.“ Lange gibt Traßl nichts darauf. Irgendwann erinnert er sich an den Satz. Da reizt es ihn irgendwie. „Ich musste ja auch was machen, konnte ja nicht den ganzen Tag nur Fernsehen.“ Da macht der Gedanke ans Imkern Sinn. „Du bist draußen, hast deine Ruhe, und es bleibt finanziell ein bisschen was hängen.“

Zuerst zahlt der Neu-Imker Lehrgeld

Gedacht, getan. Traßl startet seinen „zweiten Bildungsweg“, lernt an Imkerschulen in Mitwitz bei Kronach und Aschau bei Amberg. „Dann probiert man, und zahlt Lehrgeld.“ Er erinnert sich an abgefüllten Honig, der im Glas so hart wie Stein ist, und an eine richtig versaute Küche nach dem Honigrühren. Aber der Ehrgeiz bleibt. „Ich baue meine Bienenkästen selbst“, sagt Traßl. „Und das Einschmelzen der Waben ist eine Sauerei und klebt, aber gehört halt mit dazu.“

Traßl tritt dem Imkerverein Warmensteinach bei. Als der Vorsitzende stirbt, gibt es noch sieben Mitglieder. Sie wollen den Verein auflösen. Traßl übernimmt, wird Vorsitzender. Er forciert die Umbenennung in Imkerverein Hohes Fichtelgebirge. „Das spricht mehr Leute an.“ Mittlerweile sind es 46 Mitglieder. Viele nutzen am Anfang Traßls Örtlichkeiten und Material – etwa zum Schleudern. „Aber nach einiger Zeit müssen sie es selbst machen.“ Das ist der Deal. Dafür hilft der Verein im Krankheits- und Urlaubsfall und organisiert Fortbildungen. „Und es entstehen Freundschaften.“

Irgendwann hat Traßl den Dreh raus

Traßl startet mit zwei Bienenvölkern auf einer Streuobstwiese in Goldkronach. „Es ist schwieriger mit weniger Völkern. Es kann ja eine Königin sterben.“ Heute hat er 35 Völker. „Irgendwann hatte ich den Dreh raus.“ Er hat einige feste Standorte, andere variieren. Oft stehen die Bienen in Lichtungen wie bei Mähring, einem Weiler mitten im Wald. Dort ist Traßl gern. Die Ruhe, das Surren, dann ein Feierabendbier. Für ihn ein Traum.

Dienstags und Donnerstags gibt es feste Öffnungszeiten an seiner Imker-Haustür in Fichtelberg. Den Weg weist ein „Honig“-Schild an der Hauptstraße. Dazu besucht der Imker Märkte. Und sein Honig wird in Geschäften der Dachgemeinschaft Bayreuther Land verkauft. „Wir setzen auf Regionalität, haben auf den Etiketten Ochsenkopf und Schneeberg.“ Die Gläser seien ein gutes Mitbringsel. „Da schmeckt man das Fichtelgebirge“, sagt Traßl. Der Zuhörer merkt: Da hat einer seine Berufung gefunden.

Autor

Bilder