Das Leers’sche Waisenhaus Ein Kaufmann mit sozialem Gewissen

Man muss hoch blicken, um zu erfahren, was sich einst hinter den Mauern des Gebäudes Bernecker Straße 11 befand: Dort oben, unter dem Giebel, steht geschrieben: „Leers’sche Stiftung für arme Waisenkinder“. Foto: Eric Waha

Christoph Friedrich Leers war ein Unternehmer, dem das Wohl einer Arbeiter und deren Familien wichtig war. Zusammen mit seiner Frau Mariane Catharine kümmerte er sich um die Armen der Gesellschaft in St. Georgen und Bayreuth. Ihr Engagement mündet 1825 in der Stiftung eines Waisenhauses in den Räumen ihres Wohnhauses.

 
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Bayreuth - Am 12. Juni 1836 war es soweit: In der Ordenskirche hatte sich viel städtische Prominenz versammelt, um der Einweihungsfeier für eine neue soziale Einrichtung beizuwohnen: Der „Stadtrath Leersischen Waisen-Anstalt zu St. Georgen“. In seiner Predigt beschäftigte sich Johann Martin Busch, erster Pfarrer und Ordensprediger, mit der Frage „Was ist Reichthum in der Hand des Weisen?“.

Gewichtige Rolle

Ob Pfarrer Busch mit dem Weisen den Stifter des Waisenhauses, Christoph Friedrich Leers, meinte? Das erschließt sich auch nicht durch die Lektüre eines 32 Seiten umfassenden Büchleins, das anlässlich dieser Einweihungsfeier „Zum Besten dieser Anstalt“ von Erhard Christian Hagen, „erstem rechtskundigen Bürgermeister der Kreishauptstadt Bayreuth“, herausgegeben wurde und im Bayreuther Stadtarchiv aufbewahrt wird. Mit all den anderen Unterlagen, die Auskunft geben über das Leers’sche Waisenhaus und seinem Stifter oder besser: seinen Stiftern. Denn Ehefrau Mariane Catharina Leers, geborene Roose, spielte bei der Gründung der Stiftung eine gewichtige Rolle.

Umzug nach St. Georgen

Das Leers’sche Waisenhaus und das Archiv der Stadt Bayreuth: Hier schließt sich ein Kreis. Denn: Das Schicksal des Stadtarchivs ist besiegelt. Es muss, nein, darf umziehen. Sehr zur Freude aller, die dort arbeiten oder in Bayreuths Vergangenheit schmökern. Das jahrzehntelang als Domizil dienende historische Gebäude, der sogenannte Spitalhof, hat ausgedient. Nach jahrelanger Suche war man in der Verwaltung fündig geworden: Auf dem Grundstück mit der Anschrift Bernecker Straße 11. Das unter Denkmalschutz stehende Leers’sche Waisenhaus soll saniert, auf dem dahinter liegenden Grundstück ein neues Gebäude errichtet werden. Mit diesem Vorhaben werde Bayreuth mit einem Schlag in die „Bundesliga unter den Archiven katapultiert“, sagte der Historiker und Stadtrat Norbert Aas in einer Sitzung des Bauausschusses im Dezember 2020. Zum Leidwesen des Deutschen Schreibmaschinenmuseums, das Räume in der Villa belegt hat. Es muss weichen. Möglicher Alternativstandort ist ein Nebengebäude des Schlosses Thiergarten (der Kurier berichtete).

Sozialbindung des Eigentums

Das Haus mit der Nummer 85, direkt neben dem Ordensschloss von St. Georgen gelegen, diente Christoph Friedrich Leers und seiner Frau Mariane als Wohnhaus. Leers, 1769 in Wunsiedel als Sohn des Kaufmanns, Bürgermeisters und Spitalverwalters Georg Christoph Leers geboren, lebte und arbeitete schon einige Zeit in Bayreuth, als er 1806 die heruntergewirtschaftete Fayence- und Steingutfabrik im damals noch selbstständigen St. Georgen erwarb. Er sei nicht nur ein erfolgreicher, sondern auch ein patriarchalischer Unternehmer gewesen, schreibt Rainer-Maria Kiel, einst wissenschaftlicher Bibliothekar an der Universitätsbibliothek Bayreuth. 1997 veröffentlichte Kiel im Band 77 des Archivs für Geschichte von Oberfranken, herausgegeben vom Historischen Verein für Oberfranken, seine Recherchen zum Leben des Fabrikanten Leers. Kiel kommt zu dem Ergebnis, dass Leers „bei allem Streben nach Gewinn um die Sozialbindung des Eigentums“ wusste und seine Mittel – nicht selten im Verborgenen – zum Wohle seiner Arbeiter und für vielfältige karitative Zwecke eingesetzt habe. So habe Leers auf eigene Kosten eine Anzahl armer Kinder erziehen, ein Handwerk lernen und studieren lassen. Seit 1816 habe sich Leers als Armenpflegschaftsrat um die Versorgung „darbender Kinder“, um die neu errichtete Armenbeschäftigungsanstalt und um das städtische Krankenhaus gekümmert.

Ein weiteres Beispiel seiner sozialen Engagements: In den Hungerjahren 1816 und 1817 habe Leers als Mitglied der Armenkommission auf eigene Kosten ausländisches Getreide beschafft. In seiner Funktion als Magistratsrat der Kreishauptstadt Bayreuth habe er sich besonders den Armenschulen angenommen und auf seine Kosten mit Büchern und Unterrichtsmarteralien ausstatten lassen.

Sechs Jungen und sechs Mädchen

Wann in dem kinderlosen Ehepaar die Idee reifte, ein Waisenhaus zu gründen, ist nicht überliefert. Im Juni 1821 hat Leers beider Vorhaben schriftlich festgehalten. Seinem Wunsch zufolge sollten sechs Waisenknaben dort unterkommen. Im Oktober des Jahres zog seine Frau nach und rief eine „Bildungsanstalt für arme Elternlose Kinder und zwar weiblichen Geschlechts“ ins Leben. In einem wechselseitigen Testament vom 12. Juni 1825 bekräftigt das Ehepaar, eine Heimstätte für zwölf elternlose Kinder zu stiften. Die gemeinsame Stiftung statten sie, schreibt Kiel, „äußerst großzügig mit 31.200 Gulden“ aus.

Die Einweihung des in ihrem Wohnhaus untergebrachten Waisenhauses am 12. Juni 1836 erleben die Stifter nicht mehr: Leers starb bereits am 14. September 1825, seine Frau überlebte ihn um sieben Jahre.

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