Dachverband schlägt Alarm Stürme und Borkenkäfer verursachen Milliardenschäden im Wald

Teilweise braun verfärbt sind die Schwarzkiefern in Deutschlands größtem Schwarzkiefernwald auf dem Volkenberg. Foto: Karl-Josef Hildenbrand Foto: dpa

Vor 200 Jahren waren große Teile Deutschlands abgeholzt und kahl. Die Wiederaufforstung dauerte Jahrzehnte. Nun bedroht der Klimawandel die Wälder. Viele Bäume sterben - und die Kosten steigen unaufhörlich.

 
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München/Berlin - Die deutschen Waldbesitzer fürchten wegen Borkenkäfer-Plage und Dürre Milliardenkosten. Der Dachverband der Waldeigentümer geht davon aus, dass 2018 und 2019 insgesamt 70 Millionen Festmeter sogenannten Schadholzes anfallen.

Dabei handelt es sich im Wesentlichen um Käferholz und bei Stürmen umgeknickte Bäume. Ein Festmeter entspricht einem Kubikmeter. Allein der Abtransport könnte nach Schätzung der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Waldbesitzerverbände (AGDW) 2,1 Milliarden Euro kosten.

"Es handelt sich um eine Jahrhundertkatastrophe für die Wälder in Deutschland", sagt AGDW-Sprecherin Larissa Schulz-Trieglaff. Die Arbeitsgemeinschaft ist der Dachverband der kommunalen und privaten Waldbesitzer in Deutschland.

Stürme und Borkenkäfer haben bundesweit mutmaßlich etwa 110.000 Hektar Wald zerstört. Die Waldeigentümer schätzen, dass bundesweit für die Wiederaufforstung etwa 300 Millionen Bäume nachgepflanzt werden müssten, die Kosten beliefen sich nach Schätzung der AGDW auf weitere 640 Millionen Euro. Sowohl der Bund als auch einzelne Bundesländer wie Thüringen böten finanzielle Hilfen, die aber nicht die Kosten deckten.

Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) hatte ein Wald-Aufforstungsprogramm gefordert, das Schätzungen zufolge mehr als eine halbe Milliarde Euro kosten wird. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) will dafür Geld aus dem Energie- und Klimafonds bereitstellen. "Wir haben sehr, sehr große Waldschäden. Tausende von Waldbauern sind davon betroffen", hatte Merkel am Freitag gesagt.

"Die Dürre und die vorangegangenen Stürme haben ganze Wälder in Mittel- und Ostdeutschland zerstört", sagt Schulz-Trieglaff. "Für manche Forstbetriebe ist dies existenzbedrohend, da der Markt mit dem beschädigten Holz übersättigt ist und sich die Holzpreise halbiert haben oder noch weiter gesunken sind."

Forstwissenschaftler und -fachleute sind bundesweit tief beunruhigt. "Wir haben bei fast allen Baumarten täglich Hiobsbotschaften über Vitalitätsminderung und Schäden", sagt Olaf Schmidt, Präsident der Bayerischen Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft (LWF) in Freising.

Ein Beispiel: der Volkenberg bei Erlabrunn nordwestlich von Würzburg. Dort steht der Ende des 19. Jahrhunderts angepflanzte größte Schwarzkiefernwald Deutschlands. Heimat dieses Baums ist der trockene Süden Europas, doch auch der Schwarzkiefernwald bei Erlabrunn leidet.

"Bisher ist die Schwarzkiefer dort auch ganz gut gewachsen", sagt LWF-Präsident Schmidt. "Seit einigen Jahren ist der Bestand von dem Pilz Diplodia befallen, der das Kieferntriebsterben verursacht. Ich bin fest überzeugt, dass der Klimawandel den Pilz fördert, denn der liebt Wärme und Trockenheit." So trage der Klimawandel zu den Schäden an den Schwarzkiefern bei - "vielleicht direkt durch die Trockenheit, auf jeden Fall aber sekundär durch den Pilzbefall".

Und es gibt noch viele andere Beispiele, die Förster, Waldliebhaber und -besitzer schwermütig stimmen. "Insekten und Pilze reagieren sehr schnell und feinfühlig auf die Klimaveränderungen", sagt Schmidt. So vermehren sich in manchen Regionen explosionsartig die Raupen der Schmetterlingsarten Schwammspinner und Eichenprozessionsspinner, die Eichen und andere Laubbäume kahlfressen.

In Bayern seien die beiden Arten zwar schon lange bekannt, "aber sie hatten bis vor circa dreißig Jahren keine forstliche Bedeutung", berichtet Schmidt. "Nun haben sich diese Arten so schnell ausgebreitet, wie es noch vor 15 Jahren niemand erwartet hätte."

Auch die massenhafte Vermehrung der Fichtenborkenkäfer in Mitteleuropa steht nach Überzeugung vieler Wissenschaftler im Zusammenhang mit dem Klimawandel. "Normalerweise kann die Fichte die Käfer durch Harzbildung abwehren. Aber wenn es zu trocken wird, hat sie kein Wasser und damit kein Harz mehr. Dann kann es innerhalb weniger Wochen zum Absterben der Bäume kommen", sagt Schmidt.

Die idyllischen Wälder in vielen Teilen Deutschlands sind nicht natürlich gewachsen, sondern Ergebnis einer großen Wiederaufforstungskampagne im 19. Jahrhundert. Zu Zeiten Napoleons war Deutschland weitgehend entwaldet, weil Holz bis dahin als gängigster Brennstoff und Baumaterial diente. Das heutige Modewort "nachhaltig" ist eine Erfindung der Forstwirtschaft des 18. Jahrhunderts und bedeutet ursprünglich, nicht mehr Holz einzuschlagen als nachwachsen kann - so dass der Wald erhalten bleibt.

Doch nun droht den Wäldern eine andere Gefahr als die Abholzung: "Wir haben auch vermutlich wärmebedingte Schäden an Buchenbeständen", sagt LWF-Präsident Schmidt. "Viele Buchen haben dürre Kronen, die sehen zwar von unten betrachtet noch grün belaubt aus, aber aus der Luft sind die Schäden sichtbar." Möglicherweise leiden die Buchen unter Sonnenbrand: "Wir vermuten, dass es sich dabei um Schäden handelt, die durch die intensive Sonneneinstrahlung verursacht beziehungsweise gefördert werden", sagt der Wissenschaftler.

Besorgniserregend ist eine Baumkrankheit, die für Menschen Gefahr bedeutet: "Auch die Ahorn-Rußrindenkrankheit breitet sich aus, die ebenfalls von einem wärmeliebenden Pilz verursacht wird", sagt Schmidt. "Das ist besonders bedenklich, weil dieser Pilz Gesundheitsprobleme bei Menschen verursacht." Denn dessen Sporen können nach dem Einatmen Entzündungen auslösen.

Für die Waldbesitzer - ob Kommunen, Bundesländer oder Privatleute - bedeuten die Folgen des Klimawandels neben hohen Ausgaben und schrumpfenden Einnahmen immensen Arbeitsaufwand. Von Borkenkäfern befallene Fichten müssen eigentlich schnell aus dem Wald entfernt werden, weil die Insekten sich in rasender Geschwindigkeit auf Nachbarbäume ausbreiten.

Doch das ist in diesem Jahr nahezu unmöglich, weil so viele Bäume befallen sind: "Die Kapazitäten für den Transport sind nicht vorhanden", sagt Philipp Bahnmüller, Sprecher der Bayerischen Staatsforsten, des mit 800.000 Hektar größten deutschen Forstbetriebs.

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