CSU-Politiker Hartmut Koschyk über seine Herkunft und seine Rolle als Vater

Von Thorsten Gütling
Schlimmer, als nicht da zu sein, ist es für die Kinder, wenn der Vater den Stress von der Arbeit mit nach Hause bringe, sagt Hartmut Koschyk, der von sich selbst behauptet, kein moderner Vater zu sein. „Papa, bei uns zuhause ist die Mama der Bestimmer“, habe sein Sohn nur geantwortet, als Koschyk sich auch einmal zu Wort melden wollte. Offen spricht Koschyk über seine Familie, seine Herkunft und seinen Werdegang. Foto: red

Klar, Hartmut Koschyk würde gerne noch einmal für vier Jahre Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesfinanzministerium sein. „Ich bin eingearbeitet und hätte Lust drauf", sagt er. Aber ein Automatismus sei seine Kandidatur auch nach 23 Jahren im Bundestag keineswegs. „Ich habe lange darüber nachgedacht, ob der Antrieb noch von innen kommt, ob ich nicht schon ausgebrannt bin", sagt Koschyk. Ausgebrannt wirkt er nicht. Im Gegenteil: Im Café Ponte wirkt der 54-Jährige entspannt, redet ohne Punkt und Komma – über Glatzen, das Vatersein, dicke Autos und Drogen.

 
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Als ihm mit 20 Jahren die Haare auszufallen begannen, habe er den Scheitel noch verschämt von links nach rechts gekämmt. Aber ziemlich schnell habe er eingesehen, dass es der nackten Wahrheit ins Gesicht zu schauen gilt. „Dem Gescheiten gehen die Haare aus, dem Saukopf muss man sie abbrühen", sagt Koschyk seitdem. Manchmal auch: „Ein schönes Gesicht braucht eben Platz."

Koschyk ist gut drauf. Nächsten Samstag startet er in den Haustürwahlkampf. Ein bisschen eitel sei auch der Staatssekretär, „aber nicht persönlich getroffen, wenn man mich nicht erkennt". Schließlich sehe man in echt ja anders aus als in der Zeitung.

Zigaretten ja, Joints nein. Härtere Drogen als Nikotin, Koffein und Alkohol hat Koschyk nie probiert. Dennoch bekämpft er sie. „Weil Crystal ein Teufelszeug ist, das den Menschen psychisch und physisch zerstört", sagt er. Und weil es wegen der Nähe zu Tschechien eben ein starkes regionales Problem sei. Und bestimmt auch der Kinder wegen. Koschyk hat selbst drei – alle bereits erwachsen. Vielleicht wären es auch mehr geworden, doch die dritte Schwangerschaft sei eine komplizierte gewesen. Bei zwei Geburten und zahlreichen Frauenarztbesuchen sei Koschyk dabei gewesen, dass er ein moderner Vater sei, verneint er kräftig. „Meine Frau ist alleinerziehend mit gesichertem Unterhalt", sagt er. Denn selbst wenn er mal in Bayreuth ist, treibe er sich auf irgendwelchen Terminen herum, komme oft nur zum Schlafen nach Hause. Zu spüren bekommen habe er das, als seine Frau ihn einmal ermuntert habe, daheim doch auch mal ein Machtwort zu sprechen. Gesagt, getan. „Papa, bei uns ist die Mama der Bestimmer", habe der Sohn nur geantwortet.

Nicht da zu sein, sei gar nicht so schlimm gewesen. Die Kinder hätten eher in politisch unruhigen Zeiten gelitten, wenn der Stress nicht an der Haustür haltmachte.

Die Sonne brennt. Koschyk zieht das Jackett aus, sitzt jetzt im kurzärmligen Hemd da, „hk" steht auf der Brusttasche. Koschyk trinkt Espresso, dazu eine große Flasche stilles Wasser. Dass er an stimmungsvollen Abenden immer noch gerne zur Zigarette greife und seine Kinder manchmal nachts von Diskotheken abgeholt habe, erzählt er. Und dass er ihnen schon früh eingebläut habe: „Man kann nie so weit von zuhause weg sein, dass man sich nicht ein Taxi leisten kann."

Koschyks Eltern waren zu weit von zuhause weg. Die Mutter Erzieherin, der Vater Destillator, wurden sie aus Schlesien vertrieben und kamen so nach Forchheim. Andere Teile der Verwandtschaft landeten in Polen und der DDR. Die Familie war in alle Winde verstreut, sagt Koschyk. Jedes Familienfest sei davon überlagert gewesen – das prägte den jungen Koschyk. Während andere in die Landjugend gingen, engagierte er sich im Bund der Vertriebenen. „Die Deutschland- und die Ostpolitik waren meine politische Sozialisation", sagt Koschyk.

Der Vater war Sozialdemokrat samt Parteibuch, die Mutter tendierte zur FDP. Der Junge sollte warten, bis er die Schule abgeschlossen habe und sich erst dann auf eine Partei festlegen, habe es geheißen. Im Sommer 1978 macht Koschyk das Abitur, im Herbst tritt er in die CSU ein.

Zu dieser Zeit ist Koschyk erfolgreicher Schwimmer, lernt Bayreuth kennen, als er zu den oberfränkischen Meisterschaften im Bayreuther Kreuzsteinbad antritt. Starke Muckis habe er damals gehabt, sagt Koschyk, seine Disziplin sei das Brustschwimmen gewesen. Er verpflichtet sich für vier Jahre als Zeitsoldat bei der Bundeswehr. Bis heute ist er Reserveoffizier.

In Bonn studiert er Geschichte und politische Wissenschaft, ein halbes Jahr vor der Magisterarbeit bricht er ab. Weil sich 1987 die Chance bietet, Generalsekretär des Bundes der Vertriebenen zu werden. „Die Frau war Sozialarbeiterin, das erste Kind war unterwegs", erklärt Koschyk seine Entscheidung für den BdV. Und außerdem habe er damals noch gedacht, eine Abschlussarbeit ließe sich auch neben dem Amt noch schreiben – Pustekuchen!

Als Generalsekretär lernt Koschyk den damaligen Innenminister Schäuble kennen. 1990 zieht er über die Liste in den Bundestag ein, gehört bald einer Kommission zur Aufarbeitung der deutschen Teilung und Wiedervereinigung an. „Das war für mich wie ein Geschichtsstudium", erinnert sich Koschyk. Als 1998 der südkoreanische Botschafter den Vorsitz der deutsch-südkoreanischen Gesellschaft abgibt, um Außenminister zu werden, wird Koschyk sein Nachfolger. Nach Osteuropa wird nun Nordostasien zu seinem Steckenpferd. Vom Jahr 2000 an reist Koschyk auch nach Nordkorea – insgesamt zehn Mal war er bis heute dort.

Familie Koschyk wohnt in Goldkronach und fährt VW, das war schon immer so. Aktuell steht ein Tiguan in der Garage, ein sogenannter SUV, ein Geländewagen für die Stadt sozusagen. Beruflich bleibt der Staatssekretär der Marke treu. Während Koschyk im Café Ponte sitzt, wartet ein Fahrer in der Wölfelstraße. In einem VW Phaeton, ein Wagen der Oberklasse. Koschyk schätzt den großen Kofferraum und dass der Wagen im Vergleich zum 7er BMW oder einem Audi A8 erheblich günstiger sei. Wenn man im Finanzministerium arbeite, müsse man auch ein bisschen Vorbild sein, sagt Koschyk.

Selbst Reifenwechseln? Kein Problem. Einen Schrank zusammenbauen gehe auch noch. Ansonsten sei er handwerklich und technisch recht unbegabt, als Handlanger aber durchaus zu gebrauchen. Koschyk ist Fußballfan. Vier, fünf Mal im Jahr schafft er es zum 1. FC Nürnberg. „Der Club ist Kult", sagt Koschyk, der gerne kocht – meist Pi mal Daumen – ein ganz passabler Tänzer sein soll und im Finanzministerium nicht nur für den Zoll, sondern auch für Briefmarken zuständig ist. Eine von zwölf Stimmen, die bestimmt, welche Motive auf die begehrten Sammelstücke kommen, ist die von Koschyk. Ein Husarenstück, nennt es der 54-Jährige, dass auf weltweit sechs Millionen Marken die Eremitage zu sehen ist. Natürlich auch in Südkorea.

Ein Mann solle im Leben einen Sohn zeugen, einen Baum pflanzen und ein Buch schreiben, habe Koschyk einmal gehört. Die Liste sei abgearbeitet, letzteres, indem er einen Band über Gemeinsamkeiten der deutschen und südkoreanischen Teilung herausgegeben habe. Dabei lese er privat viel lieber Krimis um den fränkischen Ermittler Kluftinger.

Er sei bereit für die nächsten vier Jahre im Ministerium, sagt Koschyk. Er wisse das, weil er vor der Kandidatur einmal ganz tief in sich hineingehört habe. Der Glaube, sagt Koschyk, gebe ihm in schwierigen Situationen die nötige Gelassenheit. Koschyk war Ministrant – seine drei Kinder waren es auch. Die Möglichkeit, mitgestalten zu können, reize ihn noch immer. „Wer sich reinarbeitet, der kann etwas bewirken", sagt er.

Er könne sich aber auch gut vorstellen, für ein paar Jahre im Ausland zu arbeiten. Ein Kollege, nur vier Jahre älter als Koschyk, sei nach Kamerun gegangen. „Ich beneide ihn nicht, aber ich bewundere die Aufbruchstimmung", sagt Koschyk.

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