Corona und Psyche Hilfe wird jetzt besonders gebraucht

Von Peter Rauscher
Unter Einhaltung strenger Hygienevorschriften bieten Eugenia Eckermann (links) und Olga Schweizer ab November wieder Borderline-Trialog und Psychoseseminar beim Sozialpsychiatrischen Dienst in Bayreuth an. Foto: Peter Rauscher Quelle: Unbekannt

BAYREUTH. Die Corona-Pandemie und die damit verbundenen Einschränkungen belasten schon jetzt viele psychisch kranke Menschen in besonderem Maße. Der Sozialpsychiatrische Dienst (SPDI) in Bayreuth hat einen neuen Weg gefunden, um auch unter den erschwerten Bedingungen Unterstützung leisten zu können.

 
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Persönliche Begegnung, der Austausch und das Gespräch sind gerade in Zeiten psychischer und seelischer Not besonders wichtig. Ein Lockdown könne das Gefühl massiver Überforderung, Angst und Panik auslösen, weil man fürchte: Ich schaff das nicht, sagt Eugenia Eckermann. Die Sozialpädagogin moderiert beim SPDI der Diakonie den sogenannten Borderline-Trialog. Borderliner sind Menschen mit sehr starken Gefühlen, die sie nicht regulieren können. Beim Borderline-Trialog treffen sich Menschen mit Borderline, Angehörige, Interessenten und Profi-Helfer wie Therapeuten mit zwei Moderatoren zu Gesprächen auf Augenhöhe, um Themen und Probleme aus verschiedenen Blickwinkeln zu besprechen. Oder besser: Sie trafen sich. Denn der Trialog ist seit rund einem halben Jahr auf Eis. Die Hygieneauflagen machten die Treffen mit bis zu 30 Personen einmal im Monat unmöglich.

Störung der Wahrnehmung

Dem Psychose-Seminar des SPDI mit Moderatorin und Pädagogin Olga Schweizer ging es genauso. Psychosekranke Menschen sind psychisch instabil und leiden unter Wahrnehmungsstörungen. Das können Halluzinationen oder Empfindungsstörungen sein, manche fühlen sich verfolgt.  Bis zu sechs Personen, Betroffene, Angehörige und Helfer hatten sich regelmäßig mit Moderatoren getroffen, bis das Seminar wegen Corona unterbrochen wurde. Ausgerechnet in Zeiten, in denen die Psyche besonderen Belastungen ausgesetzt ist.

Konzept mit Hygieneauflagen

„Es gab viele Anfragen, wann es wieder losgeht, weil die Treffen gerade jetzt besonders gebraucht werden. Deshalb wollen wir es jetzt wieder anbieten“, sagt Eckermann. Das SPDI-Team hat ein Konzept erarbeitet, mit dem die Treffen wieder möglich sein sollen. Es gibt strenge Hygieneauflagen mit Maskenpflicht, der Borderline-Trialog zieht in den größeren Diakonie-Seminarraum am Kirchplatz 5 um, die Zahl der Teilnehmer wird auf 14 (Psychoseminar: sechs) begrenzt und eine Teilnahme ist nur noch nach vorheriger Anmeldung  möglich.

Ein besonders heikler Punkt, denn bisher war die Teilnahme offen und auch anonym möglich. Die Lösung: Teilnehmer hinterlegen ihre Namen und Daten in einem geschlossenen Umschlag, der nur im Falle eines Infektionsgeschehens geöffnet, andernfalls nach zwei Wochen vernichtet wird. Zunächst ist in diesem Jahr je ein Treffen geplant, ehe es 2021 wieder einmal im Monat stattfinden soll. Eckermann und Schweizer „hoffen sehr,  dass das möglich sein wird“.

Das Psychose-Seminar findet wieder statt am Donnerstag, 12. November, in der SPDI, Brunnenstraße 4, der Borderline-Trialog am Dienstag, 24. November am Kirchplatz 5. Anmeldung unter Telefon 0921 / 15 08 77 oder per mail an spdi@diakonie-bayreuth.de

 Psychische Krankheiten werden zunehmen

Eine Zunahme psychischer Erkrankungen, je länger die Pandemie andauert, erwartet Prof. Thomas Kallert, Ärztlicher Direktor der Gesundheitseinrichtungen des Bezirks Oberfranken (Gebo). Die Pandemie schüre Ängste bei den Menschen auf sehr  verschiedenen Ebenen: Ängste um die eigene Gesundheit und die nahestehender Menschen, Ängste um die wirtschaftliche Existenz und die soziale Stellung durch Kurzarbeit und Arbeitsplatzverlust, Ängste um die Bewältigung neuer Situationen bei Kinderbetreuung, Homeschooling und Homeoffice.

Die Pandemie hat nach Kallerts Einschätzung auch den Glauben an die Beherrschbarkeit eines Naturereignisses als Illusion entlarvt. Mit zeitlicher Verzögerung werden die Auswirkungen der Pandemie auch an steigenden Patientenzahlen in den psychiatrischen Krankenhäusern sichtbar werden, erwartet er. Denn bis sich Befindlichkeitsstörungen zu krankheitswertigen psychischen Störungen entwickeln, brauche es Zeit. Insbesondere drohen nach seiner Einschätzung steigende Zahlen bei Suchterkrankungen, Angststörungen und Depression.

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