Corona-Krise Pandemiewelle zieht weiter durch Europa - neue Restriktionen

BERLIN. Mehr als eine Million Corona-Ansteckungen in Frankreich, Beschränkungen für die Einreise von Deutschland nach Dänemark: Das Coronavirus hält Europa weiter fest im Griff. In Italien gibt es Proteste gegen einige Maßnahmen.

 
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Die Zahl der Corona-Neuinfektionen in Europa steigt und steigt. Frankreich und Spanien verzeichnen jeweils mehr als eine Million Infizierte und über 34.000 Tote. Noch mehr Tote gibt es in Großbritannien (44.600) und Italien (mindestens 37.000).

Im Verhältnis zur Einwohnerzahl wütet die Pandemie in Belgien und Tschechien besonders heftig. Belgien hat nur 11,5 Millionen Einwohner und registriert trotzdem höhere Neuinfektionszahlen als Deutschland mit rund 83 Millionen Menschen. Die EU-Seuchenbehörde ECDC meldete am Samstag für Belgien pro 100.000 Einwohner binnen 14 Tagen 1115,6 Neuinfektionen, für Deutschland mit 118,8 etwa ein Zehntel. Der Trend zeigt nach Angaben von Belga steil nach oben: Im Schnitt registrierte das staatliche Gesundheitsinstitut Sciensano in den sieben Tagen vom 14. bis 20. Oktober 11 201 neue Ansteckungen, 56 Prozent mehr als in der Woche davor. Kneipen und Restaurants im Land sind zu, es gelten eine nächtliche Ausgangssperre und strikte Kontaktbeschränkungen.

In Tschechien mit knapp 10,7 Millionen Einwohnern ist die Lage nicht besser: ECDC meldete am Samstag pro 100.000 Einwohner binnen 14 Tagen 1210,8 Neuinfektionen. Die Gesundheitsbehörden im Land meldeten mit 15.252 neuen Fällen binnen 24 Stunden den bisherigen Rekord-Zuwachs. Im Nachbarland Slowakei traten am Samstag landesweite Ausgangsbeschränkungen in Kraft. Bis einschließlich 1. November dürfen Bürger ihre Wohnungen nur für den Weg zur Arbeit sowie dringende Besorgungen verlassen. An diesem und den beiden folgenden Wochenenden soll sich fast die gesamte Bevölkerung einem Antigen-Schnelltest unterziehen. Wer nach der Aktion keinen negativen Corona-Test vorweisen kann, muss in eine zehntägige Zwangsquarantäne. Auch mehrere slowakische Abgeordnete haben sich mit Corona infiziert.

In Polen wurde Präsident Andrzej Duda positiv auf das Coronavirus getestet. Sein Sprecher Blazej Spychalski teilte am Samstag auf Twitter mit, der 48 Jahre alte Präsident fühle sich gut. "Wir sind in ständigem Kontakt mit dem Gesundheitsdienst", schrieb Spychalski. Polen hatte am Freitag mit 13.600 Corona-Neuinfektionen binnen 24 Stunden einen neuen Höchststand gemeldet. Seit Samstag gelten im Land schärfere Maßnahmen. Unter anderem sind dort nun Restaurants geschlossen, Versammlungen mit mehr als fünf Personen verboten.

Auch andere Staaten Europas greifen inzwischen zu einschneidenden Maßnahmen: In Frankreich gilt seit Samstag eine nächtliche Ausgangssperre in 54 Départements und dem Überseegebiet Französisch-Polynesien. Betroffen sind davon 46 Millionen Menschen - zwei Drittel der Bevölkerung. Am Freitag gab es in Frankreich mit 42.032 Neuinfektionen binnen 24 Stunden wieder einen Rekord.

Dänemark hat Deutschland aufgrund der Infektionslage zum Risikoland erklärt. Die Einreise von Deutschland in das Nachbarland im Norden ist daher seit Mitternacht nur noch eingeschränkt möglich. Das bedeutet, dass nur noch einreisen kann, wer etwa Verwandte besuchen möchte, ein Vorstellungsgespräch hat oder zu einer Beerdigung möchte. Auch Berufspendler und Studenten dürfen weiter einreisen. Ausnahmen gelten zudem für die Bewohner Schleswig-Holsteins und für Besitzer eines Ferienhauses im Nachbarland. In Dänemark wurden in den vergangenen 14 Tagen 113,8 Ansteckungen mit dem Coronavirus pro 100.000 Einwohner (Stand 23.10.) verzeichnet.

Im spanischen Corona-Hotspot Madrid gilt seit Samstag eine "nächtliche Schließung" zwischen Mitternacht und 6.00 Uhr morgens. In dieser Zeit sind öffentliche Zusammenkünfte und private Treffen mit nicht zum Haushalt gehörenden Menschen verboten. In Spanien zeichnet sich angesichts rasant steigender Corona-Zahlen eine Rückkehr zum Alarmzustand wie während der ersten Pandemie-Welle im Frühjahr ab.

In Slowenien schließen die meisten Geschäfte, Hotels, Kindergärten, Studentenheime, Friseurläden und Schönheitssalons. In Lettland dürfen bei Veranstaltungen in Räumen nur noch maximal zehn Personen zusammenkommen.

In der Slowakei haben sich mehrere Abgeordnete angesteckt. Parlamentspräsident Boris Kollar brach am Freitag eine laufende Sitzung ab und organisierte Corona-Schnelltests für alle anwesenden Abgeordneten. Wie der TV-Nachrichtensender TA3 berichtete, fielen einige der Schnelltests positiv aus. Zuvor hatte der Chef der rechtsextremen Volkspartei Unsere Slowakei LSNS, Marian Kotleba, seinen positiven Befund öffentlich gemacht. Vor seiner eigenen Infektion hatte er die Pandemie in digitalen Medien wiederholt als "Erfindung" bezeichnet, die zur Unterdrückung der Bürger diene.

In Italien kam es zu Protesten. In der süditalienischen Metropole Neapel gingen in der Nacht zum Samstag Hunderte Menschen gegen eine Ausgangssperre und einen geplanten Lockdown für die Region Kampanien auf die Straße. Es gab zwei Festnahmen, zwei Polizisten wurden leicht verletzt. Die Hauptstadtverwaltung in Rom kündigte die abendliche Schließung beliebter Treffpunkte an Wochenenden an, um Menschenansammlungen zu vermeiden: Freitags und Samstag von 21.00 Uhr bis Mitternacht sollen zentrale Plätze geschlossen bleiben.

Die Regierung in Wales erntete mit einem Verkaufsverbot für etliche Waren in Supermärkten massive Kritik. Als Teil eines temporären Lockdowns dürfen die Märkte nur noch "essenzielle Waren" verkaufen - selbst Geräte wie Wasserkocher oder Textilien wie Kissen und Bettlaken, aber auch Postkarten oder Geschirr sind in den Läden mit Plastikfolien oder anderen Barrieren abgesperrt.

In der Türkei hat sich der Bürgermeister der Millionenmetropole Istanbul, Ekrem Imamoglu, mit dem Coronavirus infiziert. Wie der 50 Jahre alte Oppositionspolitiker am Samstag via Twitter mitteilte, begab er sich Freitagabend mit hohem Fieber ins Krankenhaus.

© dpa-infocom, dpa:201024-99-61624/7

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