Cordula Hartl über die Arbeit als Hebamme und was eine Geburt verändert Interview: Die Geburt als Orgasmus

Von Martina Bay

Cordula Hartl ist Hebamme. Rund 400 Geburten hat die 38-Jährige in den letzten 20 Jahren begleitet. Gerade ist die 38-Jährige selbst mit ihrem dritten Kind schwanger. Und froh, wenn die Zeit der Schwangerschaft bald vorbei ist.

 
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Cordula Hartl in der Hebammenpraxis Bayreuth, in der sie bis zu ihrer Schwangerschaft noch regelmäßig gearbeitet hat. Foto: Ronald Wittek Foto: red

In einer kleinen Serie sprechen wir bis Weihnachten mit Menschen über ein Bibelzitat. Das Bibelzitat für die Hebamme stammt von Lukas 2,6: "Und als sie dort waren, kam die Zeit, dass sie gebären sollte."

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Gibt es einen richtigen Zeitpunkt, ein Kind auf die Welt zu bringen?

Cordula Hartl: Sicherlich ist es leichter, jünger Kinder zu bekommen. In den Zwanzigern kann das der Körper leichter verkraften. Je älter man wird, desto schwieriger wird es. Ich habe meine ersten beiden Kinder mit 34 und 36 Jahren bekommen.

Sie sind im achten Monat schwanger. Wie geht es Ihnen?

Cordula Hartl: Für mich persönlich ist das eine sehr anstrengende Zeit. Bis zur Mitte meiner Schwangerschaften hatte ich immer starke Übelkeit. In diesem Sommer war es einfach zu heiß. Das war körperlich sehr zehrend. Ich konnte nicht einmal mit meinen beiden anderen Kindern ins Schwimmbad gehen. Nach dem dritten Kind kriegt man zu Beginn der Schwangerschaft einen viel größeren Bauchumfang. Ich sah schon nach acht Wochen aus, als hätte ich gleich den Geburtstermin. Ich bin froh, wenn die Schwangerschaft vorbei ist und das Kind da ist.

Warum wollten Sie Hebamme werden?

Hartl: Ich wollte immer was Soziales machen. Beim Arbeitsamt bin ich über den Beruf der Hebamme gestolpert. Weil man für den Beruf der Hebamme kein Abitur braucht, habe ich nach der zehnten Klasse das Gymnasium abgebrochen. Eine Geburt ist ein sehr intimes Erlebnis. Das schönste Kompliment für eine Hebamme ist es, wenn man überflüssig ist. Wenn man eine Frau so begleitet, dass sie aus eigener Kraft ihr Kind gebären kann.

Bei wie vielen Geburten haben Sie schon geholfen?

Hartl: Ich mache den Beruf seit fast 20 Jahren und habe seitdem bei 300 bis 400 Geburten mitgeholfen. In der Regel betreut man zwischen 20 und 30 Hausgeburten im Jahr. In der Klinik ist der Durchlauf sehr viel höher.

Hatten Sie schon einmal eine Totgeburt?

Hartl: Ich habe das schon einmal in der Klinik erlebt. Das ist eine schlimme Situation, wenn ein Kind vor einem Erwachsenen stirbt. Und je weniger Erinnerungen da sind, desto schwerer kann man es verarbeiten, obwohl die Schwangerschaft so eine intensive Zeit gewesen ist. Wir haben in der westlichen Welt die Vorstellung von ein bis zwei perkfekten Kindern. Das ist das Dilemma in der Geburtsmedizin: Nichts darf und soll passieren. Das gilt auch für Kinder, die krank auf die Welt kommen. Ich bin da auch nicht abgeklärt und heule jedes Mal Rotz und Wasser.

Reden Sie während der Geburt viel mit den Frauen?

Hartl: Im Idealfall ist die Frau in einem hormonellen Trancezustand. Es gibt auch Frauen, die Zuspruch brauchen. Aber es ist sicher kontraproduktiv während der Geburt tagesaktuelle Themen wie die Syrienkrise zu besprechen.

Was macht das mit einer Frau, wenn sie Mutter wird?

Hartl: Man verändert sich, leidet unter anderen Ängsten. Wird von der Frau zur Mutter. Kindesentführungen in der Zeitung liest man mit ganz anderem Auge. Das ist auch für den Partner anstrengend und eine große Herausforderung für die Beziehung. Bei der Geburt kommt man an seine Grenzen.

Die Wehen sollen ziemlich schmerzhaft sein.

Hartl: Es ist etwas ganz anderes als Kopf- oder Zahnschmerzen. Die Gebärmutter zieht sich zusammen, das ist richtige Muskelarbeit. Je mehr eine Frau bei der Geburt bei sich sein kann, ohne gestört zu werden, desto größer ist die Chance, dass sie keine Schmerzen hat. Für manche Frauen ist die Geburt wie ein Orgasmus.

Kann man irgendwie vorbeugen, so dass die Schmerzen erträglicher werden?

Hartl: Das Entscheidende ist das Mentale. Man muss abschalten können und sich auch zutrauen, dass man gebären kann. Man muss kein Leistungssportler sein. Im besten Fall nicht im Internet recherchieren. Das bereitet nur Angst und Sorge.

Lohnt sich der Job als Hebamme noch, seitdem die Versicherungsprämie so hoch ist?

Hartl: Für mich lohnt es sich im Moment mit den Kindern nicht. Man muss extrem flexibel sein, der Organisationsaufwand ist hoch. Die mehr als 6000 Euro Prämie im Jahr hole ich nicht rein. Momentan habe ich mit meinem Beruf der Hebamme abgeschlossen.

Würden Sie trozdem jemandem den Beruf der Hebamme empfehlen?

Hartl: Auf jeden Fall. Es gibt keinen Job, der einen so zufrieden macht. Es puscht einen und macht glücklich, wenn das Baby da ist. Da kann man dann auch mal locker zwei bis drei Tage durcharbeiten. Man muss nur aufpassen, dass man sich nicht auspowert.

Gibt es mittlerweile mehr Männer in ihrem Beruf?

Hartl: Es gibt den Entbindungspfleger, aber es ist immer noch ein Frauenberuf. Frauen haben zu Frauen eine andere Bezugsebene. Das läuft auf emotionaler Ebene ab. Die Frauen erzählen uns ganz andere Sachen als ihren Frauenärzten.

Wollen Sie noch weitere Kinder?

Hartl: Ich glaube nicht, dass mein Körper noch eine weitere Schwangerschaft verträgt. So wie es jetzt ist, ist es gut.

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