Das Simon-Wiesenthal-Center und die „Jerusalem Post“ haben Vorwürfe erhoben, Code Pink sei antisemitisch. Was ist dran an den Vorwürfen?
Ist Code Pink antisemitisch? Der Verdacht ließ Bayreuths Oberbürgermeisterin Brigitte Merk-Erbe die Reissleine ziehen und von der Verleihung des Wilhelmine-Toleranzpreises an die Bürgerrechtsgruppe Abstand nehmen. Am Montag soll der Stadtrat entscheiden. Wir sprachen mit der Code-Pink-Sprecherin und Filmemacherin Elsa Rassbach über die drohende Ausladung, Kritik an Politik und das Schweigen aus Bayreuth.
Das Simon-Wiesenthal-Center und die „Jerusalem Post“ haben Vorwürfe erhoben, Code Pink sei antisemitisch. Was ist dran an den Vorwürfen?
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Elsa Rassbach: Wir finden das sehr komisch, weil zwei der drei Mitbegründerinnen selber jüdischer Herkunft sind. Überhaupt sind viele Mitglieder von Code Pink jüdisch. Kritik am Staat Israel ist nicht dasselbe wie Antisemitismus. Auch viele Organisationen in Israel selbst sehen die israelische Politik kritisch. Code Pink hat das Existenzrecht Israels nie bestritten. Das machen wir auch in dem Brief an die Frau Oberbürgermeisterin deutlich.
Was bezwecken Sie mit Ihren Boykott-Aufrufen gegen Israel?
Rassbach: Wir haben auch geschrieben, dass es uns um die Produkte geht, die in den Siedlungen produziert werden. Dass diese Produkte gekennzeichnet werden, so dass der Verbraucher entscheiden kann, ist im übrigen auch die Position der EU und der USA. Dieser Boykott wurde durch 170 Nichtregierungsorganisationen im Jahre 2005 ausgerufen. Code Pink hat sich 2002 gegründet, um sich der Arbeit gegen den Krieg in Afghanistan und den damals schon drohenden Krieg in dem Irak zu widmen. Dem Konflikt zwischen Israel und Palästinensern widmen wir uns erst seit 2009, seit dem israelischen Angriff auf Gaza. Code Pink hatte damals eine Delegation nach Gaza geschickt, die entsetzt über die vielen toten Kinder und Frauen war. So wurden wir Unterstützer dieser Boykott-Bewegung.
Rassbach: Wir kritisieren auch Hamas. Aber es ist bekannt, dass die überwältigende Mehrzahl der Toten nicht in Israel zu beklagen war, sondern in Gaza. Wir sind traurig, dass israelische Soldaten und Zivilisten getötet wurden, aber das Verhältnis von vielleicht zwei Dutzend Toten auf israelischer Seite und mehr als 1400 toten Palästinensern spricht eine deutliche Sprache. Es gab noch viel mehr Opfer in Folge des 2014 Kriegs auf Gaza, und es wurden auch Krankenhäuser, Schulen und UN-Einrichtungen in Gaza beschossen.
Wofür Israel Hamas verantwortlich macht, die ihre Raketen aus Krankenhäusern oder Schulhöfen abfeuert.
Rassbach: Wenn Sie meinen, dass man deswegen auf Schulen und Moscheen und Kirchen schießen und Zivilisten töten darf... Ich finde das unverständlich, das schürt den Hass und die Unterstützung für Hamas. Ich kenne eine Bloggerin aus dem Gazastreifen, die sich immer sehr kritisch gegen Hamas äußerte. Im Sommer 2014 gab sie bekannt, dass auch sie Hamas nun unterstütze. Im Kriegsfall werden die Menschen nun einmal eher ihre Führung unterstützen. Das kennt Deutschland aus dem Zweiten Weltkrieg ebenfalls.
Warum musste Code Pink an einer Konferenz in Teheran teilnehmen? War Ihnen nicht bewusst, dass die Gruppe vom Iran vor den Karren gespannt werden könnte?
Rassbach: Medea Benjamin hat bereits klargestellt, dass sie als Autorin und Expertin zu Drohnen eingeladen worden war. Und es war ihre persönliche Entscheidung, als Privatperson dorthin zu fahren, aber keine Entscheidung der Organisation Code Pink. Es handelt sich übrigens nicht um jene berüchtigte Konferenz 2006 zur Leugnung des Holocausts. Das war eine andere Konferenz. Dass iranische Ministerien eingebunden sind, ist klar, schon deswegen, weil man Visa benötigt. Es kann im übrigen nicht sein, dass man zu keiner Konferenz in dem Iran reisen darf. Frau Benjamin hat auch klar gestellt, dass sie absolut anderer Meinung ist als viele Teilnehmer. Warum auch nicht? Warum soll man auf eine Konferenz fahren, auf der alle die selbe Meinung haben? Wir finden, dass durch dies Mensch-zu-Mensch-Diplomatie mehr zu erreichen ist. Es ist akzeptabel, nicht alle als Feinde zu sehen. So, wie auch neulich Herr Steinmeier eine Reise in den Iran unternommen hat, obwohl Israel das kritisiert hat. Wir loben diesen Schritt und wünschen, dass auch unsere eigene Regierung solche Schritte machen würde. Präsident Obama hat kurz nach Amtseintritt eine Botschaft an die muslimische Welt gerichtet, aber er ist ihr nicht gefolgt. Stattdessen hat er die Drohnenkriege intensiviert. In Ländern wie Jemen und Afghanistan werden Zivilisten umgebracht, das schürt den Hass. Die Menschen dort empfinden das ebenso als willkürliche Gewalt wie das die Leute in Paris empfunden haben müssen. Wie soll das zum Frieden führen?
Warum kritisieren Sie Israel so hart, nicht aber klar autoritäre und aggressive Regimes?
Rassbach: Code Pink hat Russland und Ukraine nicht als Thema, das stimmt. Aber es macht die Menschenrechtsverletzungen in Saudi Arabien zum Thema. Wir werden dazu im März eine Konferenz in Washington abhalten. Und wir werden die US-Regierung bitten, die Waffenlieferung und die Unterstützung für Saudi Arabien zu stoppen. Wir haben uns auch für Journalisten in Ägypten eingesetzt. Was Iran betrifft, sind wir sehr stark für Verhandlungen. Wir sehen viele Sachen im Iran kritisch, aber die Hauptsache ist es, da einen Krieg zu verhindern und Gespräche zu fördern.
Wie erklären Sie das Video, das von der Jerusalem Post präsentiert wurde? Bestreitet Code Pink darin nicht das Existenzrecht von Israel?
Rassbach: Dieses Video ist bei einem Protest vor der AIPAC-Konferenz entstanden (American Israel Public Affairs Committee, Anm. der Red.), das ist eine Lobby-Organisation in den USA, die sehr einflussreich ist. 2014 haben während des Krieges in Gaza hundert Prozent der Kongressabgeordneten für weitere Waffenlieferungen an Israel gestimmt, eine Entscheidung, die nicht die Meinung der Bevölkerung repräsentiert. Insofern herrschte eine sehr emotionalisierte Atmosphäre. Es waren viele Gruppen in der Demonstration vertreten, nicht nur Code Pink. Medea Benjamin ist auf dem Video zu sehen, das stimmt, aber in dem Video schweigt sie und ruft die diese Parolen nicht mit. Ich kenne sie, und sie sieht wirklich nicht glücklich aus. Wir haben keine Kontrolle, was andere Gruppen auf der Straße rufen.
Wurden Sie von Bayreuth eingeladen, für klärende Gespräche?
Rassbach: Ich habe darum gebeten, dass ich hinfahren darf. Ich wollte ein Gespräch mit der Oberbürgermeisterin führen, und Medea Benjamin hat die Oberbürgermeisterin um ein persönliches transatlantisches Telefongespräch gebeten. Wir haben keine Antwort erhalten, außer dass am Freitag das Kulturamt telefonisch mitgeteilt hat, dass ich nicht kommen soll. Als Ehrenamtliche wäre ich auf eigene Kosten hingefahren, weil ich fürchte, dass diese Sache unserer Friedensarbeit schwer schaden wird. Wir werden im April eine Redetour machen, da geht es nicht um Isarel und Palästina, sondern um die deutsche Beteiligung am US-Drohnenkrieg zum Beispiel via Ramstein Air Base. Wir hatten deswegen einen Brief an die Kanzlerin übergeben, aber auch da keine Antwort erhalten. Das ist schon sehr enttäuschend.
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