Christoph Höreth ist tot Ein Mann der alten Schule

Christoph Höreth, wie man ihn kannte – hier vor seinem 90. Geburtstag, den er noch groß mit der Familie und Freuden gefeiert hat. Mit 90 Gästen auf mehreren Etappen. Und mit einem seiner ersten Zeitungsartikel, die er seit 1956 geschrieben hat als freier Mitarbeiter. Foto: Eric Waha/Eric Waha

„Hö“ – das war sein Kürzel unter vielen, vielen Texten, die er für den „Nordbayerischen Kurier“ geschrieben hat in mehr als 50 Jahren freier Mitarbeit. Doch Christoph Höreth war nicht nur Mitarbeiter der ersten Stunde, er war durch seine Umtriebigkeit, seine Lehrertätigkeit und seine vielen Ehrenämter in Bayreuth bekannt wie ein bunter Hund. Jetzt ist er im gesegneten Alter von 95 Jahren gestorben. Ein Nachruf.

 
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Bayreuth - Von ihm konnte man lernen. In ganz vielen Lebenslagen. Wissen aufsaugen, ganz niederschwellig. Und spüren, wie wichtig es ist, Zeit zu haben. Nicht nur für sich selbst, sondern für andere. Christoph Höreth hat sich diese Zeit immer genommen. Jetzt ist Zeit, von ihm Abschied zu nehmen. Denn Christoph Höreth, der Lehrer mit Herz und Seele war, sozial engagiert und über mehr als 50 Jahre freier Mitarbeiter – erst für die „Fränkische Presse“ und ab 1968 – für den „Nordbayerischen Kurier“, ist jetzt, wenige Tage vor seinem 96. Geburtstag gestorben. „Friedlich eingeschlafen“ nach schwierigen Wochen, wie sein Sohn Christian sagt.

Not-Abitur und Kriegseinsatz

Christoph Höreth, Jahrgang 1926, kommt in Creußen zur Welt und entwickelt als Sohn eines Metzgermeisters schon bald den Wunsch: Lehrer will er werden. Über das Not-Abitur wegen des Krieges und über einen kurzen Kriegsdienst als Gebirgsjäger mit einschneidenden Erlebnissen. Die lassen in ihm den Pazifisten reifen lassen: nie mehr wird er ein Gewehr anrühren, „nicht einmal am Volksfest, man hat halt seine Prinzipien“, wie Christoph Höreth einst im Kurier-Gespräch sagte. Nach dem Krieg kann er seinen Traumberuf ergreifen. Bronn, Creußen, Bayreuth sind seine Lehrer-Stationen. Riesige Klassen, jahrgangsgemischt selbstverständlich, unterrichtet er. 60 und mehr Kinder in einem Raum – heute nicht mehr vorstellbar. Das schärft den Geist, schult das Organisationstalent.

Der Oberlehrer, der kein Paragraphenreiter ist

Höreth ist einer, der kein Paragraphenreiter ist, der auch unkonventionell handelt – die Schulordnung kreativ auslegt. Der an der Jean-Paul-Schule auf einen Schlag 150 türkische Kinder aufnimmt, die sonst keine Möglichkeit gehabt hätten, zur Schule zu gehen. Und zu denen gehört, die darauf dringen, dass die anfangs rein türkischen Klassen aufgelöst und die Kinder in die normalem Klassen integriert werden. „Oberlehrer“ hatte er im Telefonbuch stehen vor seinem Namen – und das blieb auch ganz uneitel so, obwohl Höreth als Rektor aus dem Schuldienst ausschied. Und dann, wie das Schlitzohr Höreth schmunzelnd sagte, „ein ganz armer Hund war, weil ich seitdem ja keine Ferien mehr hatte“.

Immer Zeit für andere

Und als Ruheständler auch nicht zwingend mehr Zeit. Obwohl Höreth Zeit seines Lebens einer ist, der anderen Zeit widmet: Schülern, denen er Schwimmen oder Eislaufen beibringt. Tausende werden es gewesen sein. Wettbewerbe betreut und organisiert. Sich sozial engagiert, unter anderem rund zwei Jahrzehnte als Vorsitzender des Vereins Christen schaffen Wohnungen. „Einer segensreichen Arbeit, die ihm sehr am Herzen lag“ wie sein langjähriger Freund Wolfgang Fuchs am Freitag im Kurier-Gespräch sagt. „Aus Interesse ist er zur Gründungsversammlung, als Vorsitzender ist er wieder raus.“ Der im Kirchenvorstand in der Altstadt war. Hier, sagt Fuchs, habe der stets vor Ideen sprühende Höreth „unermüdlichen Einsatz gezeigt, dass es für die Gemeinde der Erlöserkirche gut läuft, deren redaktionelles Sprachrohr er lange war“. Für Höreth war es bis ins hohe Alter ganz selbstverständlich, diejenigen seiner mit ihm älter werdenden Schafkopffreunde zum Karteln immer mittwochs beim Becher mit seinem roten Polo abzuholen, weil die eben nicht mehr so gut zu Fuß waren. Eine Leidenschaft, die Christoph Höreth auch in seinen letzten Lebensjahren gerne weiterverfolgt hätte im Altersheim, „weil er bei unseren Schafkopf-Runden, die er initiiert und organisiert hat, ja auch meist der freundliche Gewinner war“, erinnert sich Fuchs mit einem Schmunzeln. „Nur leider hat das Corona unmöglich gemacht.“

Bis zuletzt im Oberstübchen fit

Durch seine vielen ehrenamtlichen Tätigkeiten und nicht zuletzt durch seine rund fünf Jahrzehnte als freier Mitarbeiter des Kuriers – so lange wie er schrieb kaum ein anderer – ist Christoph Höreth bekannt wie ein bunter Hund in Bayreuth und am Land, wo ihm sein Geburtsort Creußen immer besonders am Herzen lag. Das hielt ihn bis ins hohe Alter fit. Körperlich und geistig. Noch zu seinem 90. Geburtstag sagte er, er sei „dankbar, dass im Oberstübchen noch alles funktioniert“. So war es auch an seinem 95. Geburtstag noch, den er im Kreise seiner Familie, aber unter dem Eindruck von Corona deutlich kleiner, feiern konnte.

Rastlose Neugier

Die geistige Klarheit paarte Christoph Höreth mit einer anderen besonderen Eigenschaft: Neugier. Eine liebevolle Art, die sich aus echtem Interesse für seine Umwelt und seine Mitmenschen speiste. Eine rastlose Neugier, die er einmal so beschrieb: „Naa, neugierig bin iech net. Iech will halt bloß immer alles wissen.“ Das war auch immer der Grund, dass Gespräche mit Christoph Höreth etwas länger dauern konnten. Und sich wie eine Zeitreise, ein Urlaub vom Alltag, anfühlten, in dem man ganz einfach die Zeit vergaß. Weil es so kurzweilig, so spannend war. Denn auch bei seinen Besuchen in der Kurier-Redaktion, wenn er – ausgestattet mit seinem Stoffbeutel für Manuskript und die kleine Kamera – einen seiner endlos vielen Artikel brachte, kam man mit ihm gerne von Hundertsten ins Tausende. Eine wunderbare Mischung aus Heimat- und Sachkunde mit fundiertem Wissen – und ein klein wenig Bareider Tratsch, den er aus seinen vielen Begegnungen mitgebracht hat.

Ein Charmeur mit Schalk im Nacken

Als Mann der alten Schule war Höreth nicht nur liebevolles Schlitzohr, dem der Schalk schon an den vielen Lachfältchen anzusehen war, die er trotz einiger Schicksalsschläge in seinem langen und besonderen Leben bewahrte. Er war auch ein Charmeur – ebenfalls der alten Schule – einem Tänzchen in Ehren, einem Kaffee und Kuchen oder einem Spaziergang ohne Hintergedanken nicht abgeneigt. Mit seiner Art war Christoph Höreth in positiver Weise aus der Zeit gefallen. Einer, der keine Langeweile kannte: „Mich treibt nichts an. Ich treib mich rum“, wie er einmal lachend gesagt hat. Einer, der anderen Menschen durch seine Aufmerksamkeit Freude bereitet hat, auf manche das Licht gelenkt hat. Alte Schule eben. Das wird fortan fehlen. „Genauso wie der Altstadt ohne Christoph Höreth etwas fehlen wird“, sagt Wolfgang Fuchs.

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