Spürbare Sanktionen für große Firmen
Es gibt die europäische Datenschutzgrundverordnung. Ist diese ein effektives Instrument, um Datenmissbrauch zu verhindern?
Heckmann: Die Verordnung ist insoweit kein per Se effektives Instrument. Aber sie hat Teilaspekte einer Verbesserung des Datenschutzes, weil nunmehr wirksame Strafen normiert wurden. Das war früher anders. Da waren die Strafen gegen Datenschutzverstöße so niedrig, dass große Firmen das aus der Portokasse bezahlt haben. Heute sind das spürbare Sanktionen.
Ich behaupte, meine Daten gehören mir. Aber andere machen damit Geld. Ist Big Data gerecht?
Heckmann: Big Data ist ein so komplexer Begriff, dass Attribute wie gerecht oder ungerecht sehr schnell missverstanden werden. Big Data ist erst einmal weder gerecht noch ungerecht. Das können nur einzelne Anwendungen und Analysen sein. Ich kann aber eine provozierende Gegenfrage stellen: Ist es denn gerecht, Big Data nicht einzusetzen, obwohl wir damit jeden Tag Hunderte Menschenleben retten könnten? Ist es denn gerecht, autonomes Fahren nicht zu initiieren, das ja auf Big Data basiert, obwohl wir damit die Zahl der Verkehrsopfer, der schwer Verletzten, die Zahl der Unfälle signifikant reduzieren könnten? Ist es denn gerecht, dass im Gesundheitsbereich täglich Menschen unter den Folgen von Informationsunterversorgung leiden? Es gibt Informationen in den Datenbeständen von Krankenkassen, die die Datenschützer aber nicht freigeben wollen, obwohl man damit sehr viel Gutes tun könnte. Es kommt immer auf den Zweck an. Das können sehr gerechte sinnvolle Ziele sein.
Sie wollen also sagen, dass jeder von uns auch ein Stück weit in der Pflicht ist, seine Daten zur Verfügung zu stellen, damit die Allgemeinheit davon profitiert?
Heckmann: Ja. Und das lässt sich auch datenschutzkonform gestalten. Natürlich brauche ich auch Ihre und meine Daten. Es ist nicht wichtig, dass das die Daten von Moritz Kircher oder Dirk Heckmann sind. Das sind beispielsweise anonymisierte Daten einer männlichen Person einer bestimmten Altersstufe. Hauptsache die Information ist da und kann verwertet werden. Die Herausforderung ist wie gesagt: Wie kann man aus den Daten gewonnene Informationen wieder ohne Missbrauchsgefahr an die Betroffenen zurück spielen, damit diese auch davon profitieren?
Der Mensch als entscheidende Instanz
Was darf Big Data niemals dürfen?
Heckmann: Big Data darf niemals dazu führen, dass menschliches Handeln komplett oder weitestgehend durch Maschinen gesteuert wird. Der Mensch muss immer die Instanz sein, die über die Lebensverhältnisse entscheidet. Maschinen dürfen nur unterstützend tätig sein, um die Verhältnisse zu verbessern. Aber sie dürfen nicht die Datenherrschaft übernehmen.
ZUR PERSON: Professor Dirk Heckmann
Dirk Heckmann, geboren am 15. September 1960 in Remscheid, ist seit 1996 als Juraprofessor an der Universität Passau tätig. Kurz nach seiner Berufung legte er den Schwerpunkt seines Lehrstuhls für Öffentliches Recht unter anderem auf das Internetrecht. Seit 2003 wird er vom Bayerischen Landtag regelmäßig zum nebenamtlichen Richter am Bayerischen Verfassungsgerichtshof gewählt. Seit dem Jahr 2014 ist Heckmann Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Recht und Informatik, der er seit 2007 als Vorstandsmitglied angehört. Als Sachverständiger in Netzfragen arbeitete er an Gutachten für den Deutschen Bundestag mit. Außerdem ist er netzpolitischer Berater der CSU.