Bundesweites Pilotprojekt Bayreuth: Pionieranlage geht in Probebetrieb

Ein grauer Kasten, der eher unscheinbar aussieht, aber voll ist mit innovativer Technik: Das ist das intelligente Kraft-Wärme-Kopplungssystem (iKWKS), das – als erste Anlage bundesweit – am Mittwoch an der Bayreuther Uni in den Probebetrieb geht. Gebaut haben es die Stadtwerke Bayreuth für rund fünf Millionen Euro.

 
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Bayreuth - Bundesweites Vorreiterprojekt an der Bayreuther Uni: Die Stadtwerke haben am Mittwochmittag den Probebetrieb für das bundesweit erste innovative Kraft-Wärme-Kopplungssysteme (iKWKS) gestartet. Fünf Millionen Euro haben die Stadtwerke nach den Worten ihres Geschäftsführers Jürgen Bayer in den vergangenen drei Jahren seit Projektbeginn in Konzeption und Bau der komplexen Anlage gesteckt.

Holpriger Start

Der Start ist etwas holprig: Der symbolische Startknopf, den Ministerialdirektorin Ulrike Wolf aus dem Wirtschaftsministerium, Oberbürgermeister Thomas Ebersberger (CSU) und Stadtwerke-Geschäftsführer Jürgen Bayer gemeinsam drücken wollen, klappt erst einmal neben dem Rednerpult nach vorne weg und stürzt ab. Aber: Die Anlage läuft, kann in Probebetrieb gehen und ist damit das erste von vier geförderten Projekten, das „als bundesweite Premiere“ laufen wird, wie Wolf in Vertretung von Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger sagt.

Projekt ohne Blaupause

Der Stadtwerke-Geschäftsführer Bayer nennt den Start des Probebetriebs nach der Entwicklung des innovativen Projekts „Neuland für uns alle“. Es sei ein „großartiges Projekt, das zwar sehr einfach klingt“, aber ein System sei, „für das es keine Blaupause gab. Und auch keine Erfahrungswerte.“ Im Ergebnis bekommen die Studierenden und die Mitarbeiter der Uni zwar nichts von der Innovation mit: Im Sommer schön kühl in den Gebäuden, im Winter angenehm warm. Die für Prozesse benötigte Kälte kommt auch aus dem Netz.

Groß wie ein Schiffsmotor

Aber: Das graue Gebäude – „ein erst einmal nicht sehr attraktiver Funktionsbau“, wie Oberbürgermeister Thomas Ebersberger das Gebäude beschreibt –, neben dem die Eröffnungsfeier im Zelt stattfindet, hat es in sich. Schon allein die technischen Daten des Blockheizkraftwerks (BHKW) sind beeindruckend: Ein nach den Worten von Reinhard Schatke, dem Leiter der Zentralen Technik der Uni Bayreuth, 70 Tonnen schwerer Brocken – „groß wie ein Schiffsmotor“ – mit 20 Zylindern und einem Hubraum von 125 Litern, der allein eine Leistung von 3,5 Megawatt bringt.

Stadt, Uni, Umwelt profitieren

Stadt, Uni und die Umwelt profitierten von dem Projekt, das mehrere Systeme zusammenspannt, wie Bayer sagt. Zwei Gasbrenner, das BHKW, ein Elektrodenkessel, „der funktioniert wie ein riesiger Tauchsieder“, wie Bayer sagt, und über den es möglich ist, Energie zu puffern, werden über eine hochintelligente Steuerung gelenkt, zusätzliche könne über ein Prognosesystem der Energiebedarf der Uni auf zwei bis drei Tage im Voraus prognostiziert werden, sagt Bayer.

5000 bis 6000 Tonnen CO2

Das bundesweit einzigartige Projekt soll helfen, „5000 bis 6000 Tonnen CO2 pro Jahr einzusparen“, wie Bayer sagt. Passgenau zur Nachhaltigkeitsstrategie, zur Green-Campus-Strategie, wie Schatke sagt. Die große Überschrift sei für die Uni „der ökologische Aspekt“. Und: „Die deutlich höhere Versorgungssicherheit durch die Redundanz der neuen Anlage.“ Aber nicht nur: Ein vom Wirtschaftsministerium gefördertes Forschungsprojekt soll auch die Verzahnung von Forschung und Praxis weiter stützen – am Beispiel des Kraft-Wärme-Kopplungssystems.

Wissenschaft kommt als Technik an

Die Anlage sei Beleg dafür, „dass wissenschaftliche Erkenntnisse im positive Sinn als Leistung auf die Straße gebracht werden können“, sagt der Stadtwerke-Geschäftsführer. Man habe Forschung „eins zu eins in Anlagentechnik umsetzen können“. Und zwar als „Musterbeispiel für die Sektorenkopplung, die am Anfang der Energiewende etwas unterbelichtet betrachtet wurde“. Denn: „Der Endenergie-Bedarf besteht zur Hälfte aus dem Wärmebereich. Den CO2-neutral zu gestalten, ist schwer. In der Anlage ist es als Paradebeispiel machbar“, sagt Bayer. Die Anlage solle von Bayreuth aus Nachahmer finden, „um die Wärmewände meistern zu können“. Man sei „eines von sehr wenigen Projekten in Deutschland, das die Heizung von Gebäuden in großem Maßstab mit dem Stromnetz koppelt.

Energiewende vor Ort gestalten

Die graue Hülle des Gebäudes sei Beweis dafür, „dass man ein Buch nicht nach dem Einband bewerten soll“, wie Ebersberger sagt: Das iKWKS stehe an der Uni „als dem Bayreuther Gravitationszentrum für Innovation“ genau richtig, um im großen Stil helfen zu können, „die Energiewende vor Ort zu gestalten“.

Investition in Gebäude nicht vergessen

Die Uni habe mit der Green-Campus-Strategie, die vorsehe, „bis spätestens 2030 klimaneutral zu werden“, nach den Worten Schatkes „seit einigen Jahren Ressourcenschonung und Nachhaltigkeit an die Spitze der Anforderungen gestellt“, was Energieeffizienz, wirtschaftlichen Betrieb und einen fairen Umgang mit den Ressourcen streng einschließe. „Wir müssen, um das zu erreichen, zwar noch dicke Bretter bohren – aber es ist zu schaffen“, sagt der Leiter der zentralen Technik. Neben dem neuen iKWKS und dem ebenfalls modernen Blockheizkraftwerk in der Zentrale Süd am Botanischen Garten brauche es aber noch etwas, um die Energiewende vor Ort anzuschieben, sagt Schatke: Investition in die Gebäude, die auch am Bayreuther Campus in die Jahre kommen, denn deren Energiebedarf ist hoch. Auch wenn es für die Politik „nicht so sexy“ sei, in Generalsanierung oder Ersatzneubauten zu investieren, sei gerade hier die Notwendigkeit sehr hoch, sagt Schatke.

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