Bundesverfassungsgericht Karlsruhe prüft Kontrollmöglichkeiten für EZB-Anleihenkäufe

Der Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Andreas Voßkuhle (r), sprach zum Auftakt der Verhandlung von nach wie vor großen Bedenken gegen die milliardenschweren EZB-Anleihenkäufe. Foto: Uli Deck Foto: dpa

Das Bundesverfassungsgericht sieht die ultralockere Geldpolitik der europäischen Währungshüter sehr kritisch. Aber EU-Richter lassen EZB-Präsident Draghi freie Bahn. Lässt sich der Konflikt auflösen?

 
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Karlsruhe - Die Europäische Zentralbank (EZB) könnte ihre umstrittenen milliardenschweren Anleihenkäufe nach Auffassung des "Wirtschaftsweisen" Lars Feld besser nach außen hin begründen.

Außerdem wäre es wichtig, von Anfang an ein Ausstiegsszenario deutlich zu machen, sagte der Freiburger Ökonom, der dem Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung angehört, am Mittwoch vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe. Es sei wesentlich, dass die Notenbank bei einer Normalisierung der Situation aus dem Programm auch wieder aussteige.

Die EZB hatte zwischen März 2015 und Ende 2018 im großen Stil Staatsanleihen und andere Wertpapiere aufgekauft und auf diese Weise rund 2,6 Billionen Euro in die Märkte gepumpt. Mittlerweile wird nur noch das Geld aus auslaufenden Papieren erneut investiert. EZB-Präsident Mario Draghi hat aber bereits neue Anleihenkäufe ins Spiel gebracht. Das soll Inflation und Konjunktur beflügeln.

Die Verfassungsrichter haben die Notenbank im Verdacht, damit Wirtschafts- statt Währungspolitik zu betreiben und klammen Eurostaaten unter die Arme zu greifen. Beides ist der EZB untersagt.

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) teilt diese Bedenken allerdings nicht und hat dem Kaufprogramm PSPP (Public Sector Purchase Programme) im Dezember 2018 seinen Segen erteilt. Um der EZB Grenzen aufzuzeigen, müssten die Karlsruher Richter sich über diese Vorentscheidung aus Luxemburg hinwegsetzen. Das hat sich das Bundesverfassungsgericht immer vorbehalten - allerdings nur für den Fall, dass ein EuGH-Urteil "nicht mehr nachvollziehbar" ist.

Der frühere CSU-Vize Peter Gauweiler sieht diese rote Linie dieses Mal überschritten. Als Kläger erwarte er, dass das Verfassungsgericht der Bundesbank untersagt, "sich an derartigen Programmen zu beteiligen, wenn sie nicht vorher rechtsstaatlich-demokratisch legitimiert sind", sagte er Journalisten am Rande der Verhandlung.

Ein Mittelweg könnte darin bestehen, dass die Richter der EZB Bedingungen vorgeben, die für eine deutsche Beteiligung erfüllt werden müssen. Das Urteil wird in einigen Monaten verkündet, möglicherweise noch vor Jahresende. (Az. 2 BvR 859/15 u.a.)

Am zweiten und letzten Verhandlungstag lotete der Zweite Senat mit Experten aus, welche verbindlichen Kriterien es bräuchte, um eine effektive gerichtliche Kontrolle der Anleihenkäufen zu ermöglichen. Die Folgen der Politik der Notenbank berührten das Leben der Menschen in evidenter Weise, sagte Gerichtspräsident Andreas Voßkuhle. Dabei gehe es um existenzielle Fragen wie die Altersvorsorge. Das werfe die Frage auf, ob die EZB allein mit der Inflationsrate vor Augen relativ frei agieren könne, ohne sich legitimieren zu müssen.

Mehrere Richter äußerten ihren Unmut darüber, dass der EuGH die Auswirkungen des Kaufprogramms in seinem Urteil völlig ausblende. Sobald es darum gehe, die Kompetenzen der eigenen EU-Organe zu klären, nehme sich Luxemburg völlig zurück, bemerkte Voßkuhle.

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