Bühnenbild: "Das ist Zauberei"

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Man sitzt im Zuschauerraum, ist nahezu erschlagen von der Pracht der barocken Holzkonstruktion. Und plötzlich öffnet sich der Vorhang - und man blickt in den geschlossenen Raum eines Schlosses, das in seinem Prunk der Pracht des Logenhauses des Weltkulturerbes Markgräfliches Opernhaus in nichts nachsteht. So mancher wird ganz unfürstlich "Wow!" seufzen. Oder ganz still für sich "verrückt, echt verrückt" sagen.

 
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Die Klammer zu 1748, zur Eröffnung des Markgräflichen Opernhauses, ist das Bühnenbild. Eine Rekonstruktion, so gewaltig, dass auch Thomas Rainer, der Museumsreferent der Schlösserverwaltung, der für Bayreuth zuständig ist, in Begeisterung schwelgt. Obwohl er den Entstehungsprozess im Detail miterlebt hat.

Der Entwurf von Carlo Galli Bibiena liegt in Bayreuth

"Es ging los, als man sich entschieden hat, die Bühnenöffnung, die im 19. Jahrhundert um ein Drittel verkleinert worden war, wieder auf die Originalmaße zu bringen", sagt Rainer im Gespräch mit dem Kurier. "Da war klar: Wir können eine Rekonstruktion des Bühnenbildes wagen, das für die Eröffnungsoper ,Ezio' von Carlo Galli Bibiena, dem Sohn des Theaterarchitekten Giuseppe Galli Bibiena, geschaffen worden war." 1746 war Carlo Galli Bibiena, ein junger Mann, zum Bauleiter bestellt worden, und war gleichzeitig zuständig für die Bühnenausstattung. Was Rainer "unglaubliches Glück" nennt: Ein Entwurf Bibienas für das Bühnenbild liegt im Historischen Museum, "beschriftet auf der Rückseite, was das Bühnenbild als die Dekoration für ,Ezio' ausweist".

Einheit von Bühne und Zuschauerraum

Schon vor knapp 20 Jahren, anlässlich der Bibiena-Ausstellung "Das vergessene Paradies" hatte es eine Fotomontage mit dem Entwurf des Bühnenbildes und der Bühnenöffnung des Opernhauses in Originalgröße gegeben: "Um zu zeigen, wie wichtig die Einheit von Bühne und Zuschauerraum ist", sagt Rainer. "Die Säulen aus dem Zuschauerraum setzen sich als doppelstöckige Kollonade auf der Bühne fort. Das ergibt einen Effekt, als blicke man in eine unendliche Weite." Der Zuschauerraum und die Bühne haben nahezu identische Maße, was den Effekt noch verstärkt. Und natürlich zum Konzept der barocken Theater gehört: Auf der einen Seite der Fürst, der sich in seiner Loge präsentiert, auf der anderen Seite die Schauspieler auf der Bühne - die im Idealfall Geschichten über einen Feldherr oder königlichen Herrscher spielten, der zeigen konnte, welch würdiger Monarch er ist. "Es fand permanenter Austausch zwischen den beiden Bereichen statt", sagt Rainer.

Wo kommen die Farben her?

Es gab also den Entwurf, und es gab die neue alte Größe der Bühnenöffnung. Und zwei Probleme: "Die Zeichnung Galli Bibienas war monochrom gemalt. Wie kriegt man die Prächtigkeit in der Farbigkeit hin? Und: Wie löst man die perspektivische Konstruktion?" Denn: Bibienas Entwurf ist zweidimensional, das Ergebnis muss aber dreidimensional wirken. "Wir haben uns deshalb an Spezialisten gewandt, den Bühnenservice Berlin, die das Projekt für uns umgesetzt haben." Oft pendeln Rainer und seine Kollegen von München nach Berlin, sie fahren zusammen mit den Künstlern des Bühnenservice in historische Theater, zum Beispiel nach Drottningholm, das auch von Carlo Galli Bibiena ausgestaltet worden war, um der Technik so nahe wie möglich zu kommen.

Die Experten für das Bühnenbild tüfteln, rechnen und messen, wie die Perspektive am besten zu lösen sein kann. "So sind wir auf die vier Bühnengassen gekommen mit dem rückwärtigen Bühnenprospekt und den Sofitten, die von oben herunter hängen. Das musste genau berechnet werden. Ich muss sagen, obwohl ich so nah dran war an dem ganzen Herstellungsprozess: Ich konnte mir nicht vorstellen, dass das so wird. Das ist so super, wie das vom Zuschauerraum aus wirkt."

250 Quadratmeter Leinwand werden zu einem Schloss

Rund 250 Quadratmeter Leinwand bemalen die Mitarbeiter des Bühnenservice Berlin in einer riesigen Halle, geben Teilen des Bühnenbilds mit Sperrholz Standkraft, um plastische Wirkung zu erzeugen. Gemalt wurde im Stehen, mit Malstäben - wie die Mitarbeiter Galli Bibienas auch gemalt haben müssen. "Es war eine extreme Herausforderung, die Farbigkeit des Logenhauses und den Duktus der Malerei hinzubekommen. Aber mit der ersten Gasse beginnend, sind die Bühnenmaler immer und immer besser geworden. Am Schluss, so schien es, als würden sie es einfach aus dem Handgelenk malen, so leicht und schnell ging es."

Eineinhalb Jahre wird gemalt

Wobei schnell relativ ist: Von Frühjahr 2016 bis Herbst 2017 wird an dem Bühnenbild gearbeitet, bevor es nach Bayreuth transportiert und dort zum ersten Mal aufgebaut werden kann. "Ein halber Tag", sagt Rainer, ist dafür jedes Mal nötig. Auch hier: ausgeklügelte Technik. Das Bühnenbild ist ja keine Dauerkonstruktion, es muss auch abgebaut und verstaut werden können, wenn Aufführungen anstehen, für die das Bühnenbild nach Bibienas Vorbild nicht gebraucht wird. Wenn es abgebaut werden muss, verschwindet das komplette Bühnenbild, bis auf die von oben herab hängenden Sofitten, in einem schmalen, schwarz gestrichenen Depot am rechten Rand des Bühnenhauses. Als es jedoch zum ersten Mal stand, war die Wirkung überwältigend. "Ein Sicherheitsmann, der schon während des Aufbaus auf der Bühne war, hat es sich von hinten, aus dem Zuschauerraum, angesehen und dann ganz begeistert gesagt: ,Das ist Zauberei'", sagt Rainer. Zauberei, in die rund 300.000 Euro investiert wurden, um das barocke Bild zu komplettieren, wie Rainer auf Nachfrage sagt.

Das Bühnenbild braucht nur ein schmales Depot

In den kommenden Wochen wohnt das Bühnenbild in seinem schmalen Depot, während im Opernhaus die Restarbeiten erledigt werden, bevor am 12. April die große Eröffnung gefeiert werden kann. "Die meiste Zeit im Museumsbetrieb soll das Bühnenbild aufgebaut sein", sagt Rainer. Am 17. April wird die erste Besuchergruppe sich auf der neuen Bestuhlung im Parkett niederlassen können. Wird die erste multimediale Einführung miterleben, bei der auch das Bühnenbild eine Hauptrolle spielen wird. Auf einer speziellen Leinwand in Vorhanggestalt wird ein Film zu sehen sein, in dem Wilhelmine ihr Projekt, ihr Welterbe, vorstellt. Ein Film, wunderschön gemacht, zu verstehen für alle Generationen. "Das Bühnenbild ist derweil nicht beleuchtet. Erst wenn der Vorhang hoch geht, geht das Licht an. Und die Musik - eine Arie aus ,Ezio' - beginnt zu spielen." Das "Wow!", das zu hören sein dürfte, gilt aber wahrscheinlich nicht allein der Musik...

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