Liberaldemokraten als stärkste Oppositionsfraktion?
Durchaus möglich, dass die Tories nicht einmal die stärkste Oppositionsfraktion im Unterhaus stellen. Damit einher ginge vor allem ein großer Verlust an Einfluss: Die offizielle Opposition unterhält ein Schattenkabinett, darf Ausschüssen vorsitzen und bekommt deutlich mehr Redezeit im Parlament als kleinere Parteien.
Diese Rolle könnte den Liberaldemokraten zufallen. Parteichef Ed Davey sorgt im Wahlkampf mit aufsehenerregenden Stunts wie Bungee-Jumping dafür, dass die Partei im Gespräch bleibt. Vor allem in Südengland gelten die "Libdems" manchen Konservativen als Alternative.
Für die Tories stellt sich bereits die Frage, wie es nach der erwarteten Wahlpleite weitergeht. Eine wichtige Rolle spielt dabei, wer überhaupt im Parlament übrig bleibt, wie Experte Bale betont. Mehreren Kabinettsmitgliedern droht das Aus. Dazu gehört auch Penny Mordaunt - weltweit bekanntgeworden, als sie bei der Krönung von König Charles ein Schwert trug -, die als Favoritin des moderaten Parteiflügels gilt.
Außer ihr stehen Ex-Innenministerin Suella Braverman und Wirtschaftsministerin Kemi Badenoch für die Sunak-Nachfolge bereit. Laut "Times" wurden für beide bereits entsprechende Websites vorbereitet. Braverman und Badenoch sind Vertreterinnen des rechtskonservativen Parteiflügels. Unter ihrer Führung würden sich die Tories noch stärker zu einem Ersatz für eine rechtspopulistische Partei entwickeln als bisher, sagt Bale.
"Mr. Brexit" als Problem für die Konservativen
Fraglich aber, ob die Tories sich damit in der Opposition behaupten können. Denn dieser Platz ist eigentlich besetzt: mit Nigel Farage, der maßgeblich den Brexit vorantrieb, und seiner Partei Reform UK. Mit Tiraden gegen Migranten und Kritik an der Konservativen Partei hat Farage, bekannt für seine Nähe zu US-Präsidentschaftsbewerber Donald Trump und seine Zurückhaltung gegenüber Kremlchef Wladimir Putin, den Druck auf Sunak von rechts verschärft.
In Umfragen liegt Reform knapp hinter, mitunter sogar vor den Tories. Weil in Großbritannien nur der Wahlkreissieger einen Sitz im Parlament erhält, dürften die Rechtspopulisten zwar nur wenige Mandate einsammeln. Aber sie kosten die Konservativen entscheidende Stimmen. "Farage ist nicht der Hauptgrund, warum die Tories geschlagen wirken", fasst es Bale zusammen. "Aber er hat die ohnehin schon schlechte Lage für sie noch schlimmer gemacht."