Briten-Virus Lage am Klinikum Bayreuth verschärft sich

und Peter Rauscher , aktualisiert am 27.01.2021 - 20:24 Uhr
 Foto: Ralf Münch

Die Lage am Klinikum Bayreuth hat sich verschärft. Zu den bisher bekannten elf Verdachts-Fällen auf die als ansteckender geltende britische Variante des Corona-Virus sind am Mittwoch noch zwölf dazugekommen. Dies bestätigt Klinikums-Sprecher Frank Schmälzle.

 
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Bayreuth - An der freiwilligen Reihentestung auf das Corona-Virus haben sich laut Mitteilung des Klinikums  am vergangenen Wochenende und am Montag insgesamt 2838 Mitarbeiter der Klinikum Bayreuth GmbH, der Medzentrum Bayreuth GmbH, des Krankenhauszweckverbandes und von Unternehmen, deren Personal regelmäßig in den Betriebsstätten arbeitet, beteiligt.

21 Mal sei der Test positiv ausgefallen. „Dies ist ungefähr auf dem Inzidenzniveau von Stadt- und Landkreis Bayreuth“, so die Pressemitteilung des Klinikums weiter, „und spricht für die Hygiene-Compliance der Mitarbeiter.“ Dies soll heißen, dass die Mitarbeiter sich gut an die Vorschriften gehalten haben.

Bei zwölf dieser getesteten Personen besteht der Verdacht, dass sie sich mit der sogenannten englischen Mutation des Virus infiziert haben. Somit erhöht sich die Zahl der Verdachtsfälle auf die B 1.1.7-Mutation an der Klinikum Bayreuth GmbH auf 23. „Zu allen positiv getesteten Mitarbeitern wurden die Kontakte ermittelt und entsprechende Hygienemaßnahmen umgesetzt“, heißt es in der Pressemitteilung weiter.

Pendler-Quarantäne gilt weiter

Woher die wahrscheinlich mit dem Briten-Virus Infizierten kommen, kann die Klinik „aus Datenschutzgründen“ nicht sagen.

Für die Mitarbeiter gilt weiter die Pendler-Quarantäne. Sie sollen auf öffentliche Verkehrsmittel verzichten, außer es ist unvermeidbar. Nach und vor der Arbeit müssen sie  „im häuslichen Umfeld in Quarantäne“.

Das Klinikum überprüft die Einhaltung der Vorschrift nicht. Denn, so betont der Klinikums-Sprecher, das sei nicht die Maßnahme des Klinikums, sondern eine von den Gesundheitsbehörden angeordnete.  Wie lange sie dauert? „Zunächst ist sie bis nächsten Mittwoch, 3. Februar“ angeordnet, sagt er. Nach wie vor, betont er, sei die Notaufnahme für Notfälle offen.

Am Klinikum und an der Hohen Warte werden Patienten nur noch in Notfällen behandelt. Nicht notwendiges wird verschoben, wenn es geht werden neue Fälle in andere Kliniken gebracht.

"Es ist davon auszugehen, dass wir noch mehr entdecken"

Landrat Florian Wiedemann (Freie Wähler), der als Aufsichtsratsvorsitzender quasi der Chef des Klinikums Bayreuth ist, antwortet auf die Frage, ob es nicht übertrieben sei, gleich zwei Kliniken zu schließen: „Die Ergebnisse von heute zeigen, dass die Variante aus Großbritannien weit verbreitet ist. Diese weiteren Verdachtsfälle bestätigen unser Vorgehen. Es ist davon ausgehen, dass wir noch mehr entdecken.“

Tatsächlich tauchten am Mittwochabend noch zwei weitere Briten-Virus-Verdachtsfälle auf. Bei einer Person steht fest, dass sie im Klinikum war. Bei einer weiteren Person kann das ausgeschlossen werden.

Das bestätigt das Gesundheitsamt am späten Abend in einer Pressemitteilung. Zusätzlich zu den am Klinikum entdeckten Virus-Varianten wurden dem Gesundheitsamt Bayreuth am Mittwoch – unabhängig von den auf das Klinikum bezogenen Testungen – zwei weitere Laborergebnisse von Corona-Tests am letzten Wochenende gemeldet, „die den Verdacht nahelegen, dass es sich ebenfalls um die englische Virusvariante handeln könnte“, so die Mitteilung. Das endgültige Ergebnis der Sequenzierung liege allerdings noch nicht vor.

Aus den Ermittlungen zu diesen beiden weiteren Fällen ergebe sich, dass eine der beiden betroffenen Personen zuvor im Klinikum Bayreuth in Behandlung gewesen war, „so dass hier letztendlich ein Zusammenhang anzunehmen ist“, so die Pressemitteilung. Die Ermittlungen zum zweiten Verdachtsfall ließen nicht auf einen Übertragungsweg ausgehend von den Fällen im Klinikum schließen.

Reihenfolge beim Impfen geändert

Wegen der Fälle hat Wiedemann die Reihenfolge beim Impfen geändert.   Ab sofort habe die Klinikum Bayreuth GmbH bei der Zuteilung der Impfdosen oberste Priorität. Aufgrund der Zahlen sieht es Wiedemann als „unabdingbar“ an, neben den stationären Alten- und Seniorenheimen die Mitarbeiter des Klinikums zu impfen. Mit der Stadt sei dieses Vorgehen abgestimmt.

„Wir haben nach Bekanntwerden der britischen Mutation harte Maßnahmen ergriffen, welche die Mitarbeiter stark einschränken. Da ist es das Gebot der Stunde, mit den Impfungen zumindest etwas Hoffnung und Sicherheit zurückzugeben“, sagt Wiedemann. Zudem sei es für die medizinische Versorgung der Region „unheimlich wichtig“, dass die Klinikum Bayreuth GmbH leistungsfähig bleibe.

Weil an den Landkreis Bayreuth nach wie vor zu wenig Impfstoff angeliefert wird, verzögert sich die Terminvergabe für Corona-Erstimpfungen weiterhin.  Mit den zur Verfügung stehenden Impfdosen werden die bereits anstehenden Zweitimpfungen vorgenommen, damit diese Impfungen abgeschlossen werden können und damit vollständig wirksam sind. „Darüber hinaus werden ab sofort bis auf Weiteres nur noch Erstimpfungen in stationären Alten- und Pflegeheimen sowie im Klinikum durchgeführt“, so Wiedemann. „Wir müssen uns jetzt mit den Mitarbeitern der Klinikum Bayreuth GmbH solidarisch zeigen.“

Ohne große Probleme

Ohne große Probleme in der Krankenhausversorgung ist der erste Tag nach Schließung des Klinikums Bayreuth verlaufen, sagt Dr. Stefan Eigl, der als ärztlicher Leiter Krankenhauskoordinierung in diesem Katastrophenfall die Patientenströme leiten muss. Etwas Erleichterung schwingt in seiner Stimme am Telefon mit, denn eine solche Situation hat er noch nicht erlebt.  Doch das Aufkommen im Rettungsdienst sei am Mittwoch moderat geblieben, die umliegenden Krankenhäuser, allen voran Kulmbach, würden in guter Nachbarschaft aushelfen. Auch die Krankenhäuser in Pegnitz, Scheßlitz, Münchberg und Amberg seien eingesprungen. „Bisher läuft‘s ganz gut“, sagt er. Das könne sich aber jeden Tag ändern, vor allem, wenn am Wochenende die niedergelassenen Ärzte ihre Praxen geschlossen hätten.

Spürbar sei, dass weniger Patienten die Krankenhäuser aufsuchten. Das sei begrüßenswert, sofern es sich um Lappalien handle, mit denen manche Menschen in früheren Jahren oft die Notaufnahmen blockiert hätten. Eigl macht aber auch klar: Wenn jemand ernste Beschwerden hat, soll er weiterhin den Notruf 112 anrufen.

In Notfällen, in denen jede Minute wichtig ist, würden schwer kranke Patienten oder Unfallopfer weiterhin ins Klinikum Bayreuth gebracht und dort versorgt, versichert Eigl. Das sind zum Beispiel Schlaganfälle, Herzinfarkte, Blutvergiftungen oder Wiederbelebungen. Bei Geburten würden Risiken und Dringlichkeit im Einzelfall abgewogen, Patienten sollten sich mit dem Kreißsaal in Bayreuth absprechen.

Andere Krankenhäuser helfen aus

In nicht dringenden Fällen sei ein Ausweichen auf ein weiter entferntes Krankenhaus möglich. Auch beim Einsatz des Rettungshubschraubers müsse je nach Krankheitsbild und Dringlichkeit individuell entschieden werden, ob er vielleicht nicht Bayreuth, sondern Bamberg, Amberg oder Nürnberg anfliegt.

Neben dem Kulmbacher Krankenhaus bereitet sich auch die Sana-Klinik in Pegnitz mit ihren rund 110 Betten und 200 Beschäftigten darauf vor, wegen der Schließung des Bayreuther Klinikums eine Vielzahl zusätzlicher Patienten aufzunehmen.

Planbare Operationen seien bereits seit Inkrafttreten der Bayerischen Allgemeinverfügung am 3. November verschoben worden, teilte Andreas Böhmer, Assistent der Geschäftsleitung, auf Anfrage mit. „Aktuell haben wir entschieden, das bereits eingeschränkte elektive OP-Programm noch weiter zu reduzieren und bis auf Weiteres nur noch einen OP zu betreiben, um für erwartbare Patientenströme aus Bayreuth vorbereitet zu sein.“ Damit könne auch OP-Personal im Haus umverteilt werden. Geprüft würden zudem Möglichkeiten, das Personal kurzfristig weiter zu verstärken.

Als Haus der Grund- und Regelversorgung könne die Sana-Klinik das Bayreuther Klinikum vor allem in Akutfällen der inneren Medizin und der Chirurgie entlasten. Nicht möglich sei das in den Bereichen, die das Haus nicht vorhalte, also zum Beispiel bei einer Schädelhirnblutung oder auch bei einem akuten Infarkt, der einen invasiven Eingriff benötigt.

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