Brieftauben Vor dem Preis steht das Training

Von Hans-Jochen Schauer
Günter Nowak achtet bei seinen Tauben auf eine ausgewogene Ernährung, damit sie bei den Wettflügen fit sind. Foto: Hans-Jochen Schauer Quelle: Unbekannt

NASNITZ. Den Brieftauben geht es nicht anders als Fußballern, Tennisspielern oder Marathonläufern: Vor dem Wettkampf müssen sie trainieren. Die Tiere sollen fit sein, wenn sie sich bei den Preisflügen mit Hunderten von anderen Brieftauben messen. Auch Günter Nowak aus Nasnitz ist stolz, wenn seine Tauben in den Preislisten erscheinen und es dort auf vordere Plätze schaffen.

 
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Am Sonntag ist es wieder so weit. Dann steht für Nowaks Jungtiere ein Flug über 120 Kilometer von Karlstadt in Unterfranken bis nach Nasnitz auf dem Programm. Damit sie bis dahin in Form sind, hat Nowak sie am Dienstag noch bei einem dritten Trainingsflug, der auch der Orientierung dient, mitmachen lassen. Start war um 8 Uhr in Biebelried. Nach rund 100 Kilometern kam die erste seiner 17 Tauben um 9.28 Uhr am heimatlichen Schlag an; um 13.58 Uhr tauchte die Vorletzte auf. Ein Tier fehlte auch Stunden später noch, dafür saß eine fremde Brieftaube auf der Voliere.

Taube aufgepäppelt

Immer wieder kämen Brieftauben nicht mehr nach Hause oder legten bei Wettflügen unterwegs eine Pause ein. So wie vor einigen Tagen, als eine Brieftaube auf ihrem tagelangen Rückflug aus Frankreich notgedrungen in Unterfranken eine Zwischenlandung einlegen musste. Eine Frau entdeckte den völlig erschöpften Vogel und lieferte ihn bei der Polizei ab. Die Beamten päppelten ihn mit Wasser und Brotkrumen wieder auf. „Entkräftung kommt vor“, sagt Nowak. Auch er hat schon solche Tiere versorgt, die sich zu ihm nach Nasnitz verirrt hatten.

1000 Euro für Futter

Damit seine 45 Brieftauben die Flüge gut überstehen, füttert er sie mit einer speziellen Mischung. „Nur Gerste und Weizen taugt nichts.“ Das Menü besteht zudem aus Mais, Erbsen, Sojabohnen sowie diversen Sämereien und Vitaminen. Rund 1000 Euro gibt Nowak im Jahr für Futter aus. „Gerste wird zuletzt gefressen“, sagt er. Den Brieftauben schmecke das nicht besonders. Doch Gerste gehöre zum Nahrungscocktail. „Da setzen sie kein Fett an wie das bei zu viel eiweißhaltiger Kost der Fall ist. Dann haben sie Schwierigkeiten bei den Flügen, sind zu langsam oder schaffen die Strecke nicht.“

Bis zu 600 Kilometer

Die Streckenlängen können bei den 400 Gramm schweren Alttieren der Reisevereinigung Pegnitz bis zu 600 Kilometer betragen. Zu Saisonbeginn geht es mit deutlich geringeren Entfernungen los. In diesem Jahr waren es Anfang Mai 120 Kilometer. Im Durchschnitt legen die Brieftauben um die 400 Kilometer zurück. Bei den Jungtauben seien es im Jahr Flüge zwischen 120 und 250 Kilometern. Etwa die Hälfte der häufig in Frankreich oder Rheinland-Pfalz aufgelassenen älteren Brieftauben fliegen eine Strecke von über 500 Kilometern ohne Stopp durch, sagt Nowak. Warum sich die andere Hälfte irgendwo hinhocke, sei ihm ein Rätsel. „Wenn die Tauben gesund sind, fliegen sie nach Hause“, sagt der Nasnitzer Züchter, der von einer Ausfallquote von zehn Prozent ausgeht.

Greifvögel, Windräder, Stromleitungen

Doch nicht Hunger oder gesundheitliche Probleme seien der Hauptgrund dafür, sondern die Greifvögel. „Wanderfalken warten auf den Schwarm und greifen sich Tiere heraus.“ Auch Windräder und Stromleitungen seien für die Tiere gefährlich. Mit einer Geschwindigkeit von 75 bis 80 km/h fliegen die Tauben Richtung Heimat. Mit Rückenwind können es auch 100 km/h werden. „Heutzutage sind sie wegen der Züchtungen und dem besseren Futter schneller unterwegs“, sagt Nowak.

Wetterbericht ausschlaggebend

Die Reisevereinigung achtet bei den Wettflügen immer auf den Wetterbericht. Bei Hitze, Stürmen oder einer heranziehenden Regenfront wird ein Flug verschoben oder nicht angesetzt. Kein Züchter will ein Tier verlieren. Und jeder möchte, dass seine Brieftauben bei den Wettflügen gut abschneiden. „Man will natürlich schnellere Tauben haben als der Kumpel nebenan. Wenn man schlechtere hat, schlägt es aufs Gemüt“, sagt Nowak schmunzelnd.

Kuscheln als Ansporn

Dabei greifen die Brieftaubenzüchter auch zu Geheimrezepten. Bei Altflügen gebe es Spezialisten, die nur Weibchen setzen. Diese dürfen vor einer Reise in eine Nistschale, wo sie mit ihrem Partner noch ein bisschen kuscheln können. Bevor es zum Äußersten kommt, nimmt sie der Züchter heraus und verstaut sie in einem Korb. „Die Witwerschaft ist allgemein üblich, manche schwören drauf“, sagt Nowak. Die Weibchen treibe das Wiedersehen an. Sie wollten so schnell wie möglich wieder bei ihrem Männchen sein. Dass einige Taubenzüchter zu unlauteren Mitteln greifen, ist für Nowak denkbar. Deshalb würden auch Dopingproben genommen, wenn irgendwo ein Züchter auffällt, weil dessen Tiere ständig an der Spitze der Preislisten stehen.

"Immer Erster"

Günter Nowak beschränkt sich seit dieser Saison nur auf Jungflüge. An den Altflügen an den Wochenende beteiligt er sich nicht mehr. Das Hobby sei sehr zeitaufwendig. Im Jahr 1973 habe er damit angefangen; schon sein Vater habe Tauben gehalten. Im Alter von sieben, acht Jahren sei er da reingewachsen und habe die Tauben gefüttert. Für ihn ist es ein faszinierendes Hobby. „Wenn die Tauben hoch ankommen, die Flügel anziehen und dann runtergehen, das ist schon etwas Besonderes.“ Früher hat er 100 bis 120 Tauben gehalten In den 1980er Jahren sogar einzeln. Sein Ehrgeiz war groß: „Ich war immer Erster.“

Zahl geht zurück

Die Reisevereinigung Pegnitz und Umgebung umfasst Brieftraubenvereine aus Immenreuth, Kirchenlaibach, Grafenwöhr, Pressath, Eschenbach, Thurndorf, Auerbach und Pegnitz. Günter Nowak gehört dem Verein 8829 an, in dem sich Züchter aus Auerbach, Michelfeld und Nasnitz zusammengeschlossen haben. Die Einsatzstelle für seine Tauben befindet sich in Horlach. In einem Lastwagen werden die Tauben zu ihrem Auflassplatz gebracht.

Wie überall in Deutschland mit seinen circa 40 000 Züchtern geht auch auf dem Gebiet der Reisevereinigung Pegnitz und Umgebung die Zahl der Brieftaubenzüchter stetig zurück. Aktuell sind es noch rund 70 Züchter, von denen allerdings nur die Hälfte ihre Tiere zum Reisen schickt. „Die alten Züchter sterben aus“, sagt Nowak. Für Jüngere sei das Hobby seiner Ansicht nach wenig attraktiv. Grund dafür sei, dass man bei den Wettflügen am Wochenende gebunden sei.

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