Bierliesl Krüge stemmen auf einem Giebel

Von Eva-Maria Bast
Wuppt Bierkrüge in luftigen Höhen: die Bierliesl. Foto: Peter Gisder

BAYREUTH. Wieso muss eine Münchnerin in Bayreuth Bierkrüge stemmen? Was trägt sie da für eine merkwürdige Scheibe – oder ist es ein keckes Hütchen – auf ihrem Haupt? Und weshalb tut sie das ausgerechnet gegenüber der evangelischen Spitalkirche? Und noch dazu in luftigen Höhen? Kulturwissenschaftler Frank Piontek kennt ihre Geschichte. Und er sagt, dass die Bayreuther über ein Jahrhundert lang nicht wussten, dass es sich bei der Frau um eine Münchnerin und nicht um eine Bayreutherin handelt.

 
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„Die Dame auf dem Giebel ist Coletta Möritz und sie lebte von 1860 bis 1953, wurde also ziemlich alt“, stellt Piontek vor. Und Coletta Möritz war nicht irgendeine, sondern gewissermaßen die Münchnerin schlechthin: Sie war der Inbegriff von Schönheit und Gesundheit, die perfekte Kellnerin, schmückte zahlreiche Postkarten und war obendrein auch noch Schützenliesl.

Coletta Möritz erblickte das Licht der Welt im Jahre 1860 in Ebenried bei Pöttmes im Landkreis Aichach, zog mit ihrer Mutter aber bald nach München, wo sie nach ihrer Schulzeit Kellnerin wurde. Als solche schleppte sie auch im „Sterneckerbräu“ schwere Bierkrüge und beeindruckte den namhaften Maler Friedrich August v. Kaulbach so sehr, dass er ihr Konterfei auf Leinwand bannte.

Als im Juli 1881 in München das 7. Deutsche Bundesschießen auf der Theresienwiese stattfand, erfreute sich das Ölgemälde, das Coletta mit neun Maßkrügen und einer Schützenscheibe auf dem Kopf zeigte, weltweiter Beachtung.

Und das ist auch schon die Erklärung für die interessante Kopfbedeckung der „Bayreuther Bierliesl“: „Es ist eine Schützenscheibe“, sagt Frank Piontek. In München blieb’s nicht bei dem einen Bild. Eine Reproduktion des Werkes zierte Bierkrüge, Postkarten, Aschenbecher und sogar Pfeifenköpfe. Und wie kommt die Münchner Bier-Ikone nun nach Bayreuth? Vielleicht hofften die ansässigen Bierbrauer, die „Bierliesl“ würde ihrem Geschäft ähnlichen Erfolg bescheren, wie in München.

Seit vielen Jahrhunderten befanden sich in dem Haus, auf dessen Giebel die „Bierliesl“ thront, Bäcker, die, wie lange Zeit durchaus üblich, auch Bier brauten. Als Hans Böhmer im Besitz des Hauses war, brannte es 1886 ab und wurde anschließend wiederaufgebaut – zu einer Zeit, als die „Bierliesl“ auf der Höhe ihrer Berühmtheit stand. Hatte doch fünf Jahre zuvor das besagte Bundesschießen stattgefunden, bei dem sie sozusagen entdeckt worden war.

Inzwischen war sie mit dem Gastronomen Franz Xaver Buchner verheiratet, das Ehepaar bewirtschaftete mit großem Erfolg mehrere bekannte Brauereien und Gaststätten in München. Man kann mit Fug und Recht behaupten, die „Bierliesl“ sei die Glücksgöttin des Brauens gewesen. Kein Wunder, dass ein Bierbrauer sie auf seinen Giebel setzte und sein Nachfolger das begeistert aufnahm.