Beim Club ist Träumen wieder erlaubt

Von Siegmund Dunker

Es ist noch nicht lange her, da lag der 1. FC Nürnberg am Boden. Dann kam ein neuer Sportdirektor. Und endlich Ruhe in den Verein. Nun visiert der Club die Bundesliga an.

 
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Ein Hoffnungsträger beim Club: Flügelspieler Zoltan Stieber (rechts) – hier im Testspiel gegen Ujpest Budapest – soll beim 1. FC Nürnberg den Verlust von Alessandro Schöpf auffangen. Foto: iamgo Foto: red

Man musste nicht lange nach Symbolik suchen. Es war ungemütlich an diesem 22. September 2015, der Sommer saß auf gepackten Koffern, der Herbst klopfte lautstark an der Tür. Stürmisch und düster war auch die Stimmung beim 1. FC Nürnberg. Mit erschreckend biederen Auftritten hatte der Club die Leidensfähigkeit seiner Fans strapaziert und sich tabellarisch zu jenen Teams der Zweiten Bundesliga gesellt, denen man graues Mittelmaß attestiert.

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Es war, als hätte man das Selbstverständnis dieses einst so stolzen Vereins mit dem Skalpell seziert, und wie es in Nürnberg in solchen Phasen üblich ist, erfasste ein Strudel aus Fatalismus, Selbstmitleid und Untergangsstimmung die treue Anhängerschar. An diesem Tag also verbreitete sich die Neuigkeit, dass Andreas Bornemann (44) neuer Sportvorstand beim 1. FCN und den glücklosen Martin Bader ablösen würde, den viele Fans am liebsten auf den Mond geschossen hätten.

Zwei Tage später saß Bornemann, der sich zuvor vor allem als Architekt der Freiburger Fußballschule einen Namen gemacht hatte, in seiner ersten Pressekonferenz. Er saß da, mit Haltung und einem Lächeln im Gesicht, so als wolle er sagen: „Krise? Welche Krise?“ Bornemann verbreitete Zuversicht. Nicht mit markigen Worten, sondern mit bedacht vorgetragenen Sätzen, die vor allem eines vermittelten: die Idee von einem geeinten Klub mit ungeheurem Entwicklungspotenzial, der seine Kräfte bündelt und seine Identität wiederfindet. Dieser Mann schickte sich an, das Klima in diesem Verein zu ändern.

Nur eine Niederlage nach Bornemanns Ankunft

Und tatsächlich kam der Club zur Ruhe. Trainer René Weiler, der zuvor stetig in der Schusslinie gestanden hatte, durfte unbesorgt mit der Mannschaft arbeiten, sie ohne Störgeräusche weiterentwickeln. Und die dankte es ihm mit Erfolgen. Seit Bornemanns Ankunft hat der 1. FCN nur noch ein Spiel verloren, 2:3 beim Aufstiegsaspiranten RB Leipzig. Sechs Siege und fünf Remis im gleichen Zeitraum spülten den Club vor auf Relegationsrang drei. Seit Weiler sein Team in einer 4-4-2-Formation aufs Feld schickt, hat Nürnberg noch keinen Punkt abgegeben.

Bezeichnend für die neue Seriosität beim 1. FCN ist auch, dass der Winter-Transfer von Mittelfeld-Juwel Alessandro Schöpf zum FC Schalke 04 kaum Staub aufwirbelte. Mit einer Ablösesumme von fünf Millionen Euro plus Boni bescherte Bornemann dem finanziell ins Schlingern geratenen Club nicht nur deutlich mehr Handlungsspielraum, mit dem in Hamburg unglücklichen Zoltan Stieber (27) präsentierte er zudem einen kostengünstigen und sportlich nahezu gleichwertigen Ersatz für Schöpf.

Ihren dritten Platz sollten die Nürnberger, die ihren Torjäger Guido Burgstaller (neun Tore) trotz Offerten aus der Beletage halten konnten, in der Rückrunde verteidigen können, zumal Stieber in der gelungengen Vorbereitung andeutete, dass er eine Verstärkung darstellen kann. Doch wie ist die Situation bei anderen Zweitliga-Klubs vor dem heutigen Rückrundenstart?

Die Aufstiegsfavoriten

RB LEIPZIG: In Leipzig denkt man größer. Einst wollte der damalige Oberbürgermeister Wolfgang Tiefensee die Olympischen Spiele in die Messestadt holen – ein tollkühner Plan. Und beim von Dieter Mateschitz gepamperten Zweitliga-Spitzenreiter denkt man bereits weit über die Rückrunde hinaus. So soll neben weiteren Hochkarätern auch Schalkes Jungstar Leroy Sané auf dem Einkaufszettel von Trainer Ralf Rangnick stehen. Mit 31 Toren in fünf Testspielen haben sich die Leipziger für die Rückrunde warm geschossen. Der Konkurrenzkampf tobt.

SC FREIBURG: Fünf Siege aus den ersten sechs Spielen der Hinrunde – eine ähnliche Ausbeute beim Start ins neue Jahr erwartet beim SC Freiburg angesichts großer Personalsorgen niemand. Insgesamt acht Profis fehlen gegen Bochum, darunter Torjäger Nils Petersen (Außenbandriss). Die Neuzugänge Havard Nielsen und Florian Niederlechner sollen ihn gemeinsam ersetzen.

DIE BRANDHERDE

SPVGG GREUTHER FÜRTH: Fürth? Ein Brandherd? Bei einem Blick auf die Tabelle scheint diese Behauptung abwegig zu sein. Als Tabellenzehnter schippern die Fürther im gesicherten Mittelfeld. Dennoch sind die Nerven am Laubenweg angespannt. Der Skandal um den inzwischen nach Twente transferierten Abwehrspieler Stefan Thesker, der vor einer Nürnberger Diskothek randalierte und mit Geldscheinen warf, brachte Unruhe in den Verein. Zudem riefen die Trennung vom langjährigen Publikumsliebling Stephan Schröck und von Führungsspieler Goran Sukalo die Fans auf den Plan. Sie sehen ein Team ohne Häuptlinge.

TSV 1860 MÜNCHEN: Die Hoffnungen ruhen auf Trainer-Routinier Benno Möhlmann. Der 61-Jährige, der lange Jahre in Fürth tätig gewesen war, besitzt im Abstiegskampf riesige Erfahrung, unter anderen mit Sascha Mölders (FC Augsburg), Maximilian Beister (Hamburger SV) und Jan Mauersberger (Karlsruher SC) dürfte der Kader an Reife gewonnen haben. Ein Unruheherd bleibt Hasan Ismaik. Der Investor ist für die „Löwen“ finanziell überlebenswichtig, zugleich aber immer für Schlagzeilen gut.

1. FC KAISERSLAUTERN: Nachdem der Traditionsklub dreimal hintereinander die Rückkehr ins Oberhaus verpasst hat, scheint der Aufstieg in weiter Ferne. Der angekündigte Abgang von Vorstandschef Stefan Kuntz hat in der Winterpause für Wirbel gesorgt. Der aus Weidenberg stammende Trainer Konrad Fünfstück ist nicht zu beneiden.

SC PADERBORN: Stefan Effenberg geht trotz der Affäre um Stürmer Nick Proschwitz und des Ultimatums von Klubchef Finke selbstbewusst in das Duell mit Sandhausen. Die Voraussetzungen für den ersten Sieg seit dem 24. Oktober sind jedoch suboptimal. Kapitän Marvin Bakalorz riet allen Beteiligten, einen Schlussstrich zu ziehen: „Das darf nicht mehr in unseren Köpfen stecken.“

Mit Material von dpa