Bei Steingraeber Hubertus Heil: Neue Sicherungssysteme einziehen

Hochrangige Politiker kann man derzeit fast täglich in Bayreuth antreffen. Was zeigt: Der Bundestagswahlkampf ist in seine heiße Phase eingetreten und dessen Ausgang ist offen. Am Freitagvormittag machte Bundesarbeits- und Sozialminister Hubertus Heil (SPD) Station in Bayreuth.

 
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Bayreuth - Bei seinem Besuch wollte der Minister einen Eindruck davon gewinnen, wie es der Kulturbranche und darunter auch den Instrumentenbauern in den vergangenen anderthalb Jahren ergangen ist. Mit dabei war gut ein Dutzend Journalisten aus Berlin, die Hubertus Heil auf seiner Wahlkampfreise begleiteten.

Man traf sich in der Bayreuther Klaviermanufaktur Steingraeber, die jüngst eine teilweise Namensumbenennung vollzogen hat: von Steingraeber & Söhne in Steingraeber Bayreuth. Was logisch erscheint, denn in absehbarer Zeit wird die Tochter des Hauses, Fanny Steingraeber, gemeinsam mit ihrem Bruder Alban die traditionsreiche Firma übernehmen. In siebter Generation werden dann die Geschwister die Geschäfte führen.

Diese liefen in den Zeiten der Pandemie überraschend gut. Zwar räumte Fanny Steingraeber ein, dass es in der Geschichte des Unternehmens zweimal einen Monat gab, in dem man keinen Auftrag erhalten habe – der eine war im Jahr 1946, der andere war der März 2020 -, doch seither sei eine enorme Steigerung zu verzeichnen.

Rund 100 Klaviere werden in der Bayreuther Klaviermanufaktur pro Jahr produziert. Die Lieferzeit pro Instrument beträgt sechs bis acht Monate. Man beschäftigt 35 Mitarbeiter. Jüngst habe man vier Neue eingestellt.

Gleichwohl bezeichnete Fanny Steingraeber die Corona-Zeit als eine „komplette Achterbahnfahrt“. Und die Herausforderungen werden in Zukunft nicht geringer werden. Bei einigen Materialien seien derzeit Preissteigerungen von 30 bis 300 Prozent zu verzeichnen.

Bevorstehende Verteilungskämpfe

Die Parlamentarische Staatssekretärin Anette Kramme lobte ihren Chef dafür, dass er zum Gespräch mit Vertretern der Branche gekommen war, die von der Pandemie besonders hart getroffen wurde. Im Kammermusiksaal bei Steingraeber traf man sich zu einer Diskussionsrunde, unter anderem mit der Pianistin Lisa Wellisch und der Intendantin des Festivals junger Künstler Bayreuth, Sissy Thammer.

„Gut getan hat uns die Förderung durch den Staat“, sagte Sissy Thammer. Sie verschwieg aber nicht, dass Umschichtungen von Geld in Richtung „Neustart Kultur“ das Bayreuther Festival beinahe zu Fall gebracht hätten. Maßgeblich Anette Kramme habe dies verhindert. Mit Sorge blickt Sissy Thammer allerdings auf die der Kulturszene bevorstehenden Verteilungskämpfe. „Das wird nicht leicht.“

Einige haben aufgegeben

Die Pianistin Lisa Wellisch, die für die Gäste aus Berlin auch eine musikalische Kostprobe gab, berichtete von den existenziellen Nöten vieler Musikerkollegen. Einige, die toll im Geschäft waren, würden inzwischen umschulen und eine Ausbildung zum Physiotherapeuten absolvieren.

„Die Existenzpanik ist schrecklich“, sagte die Pianistin. Sie selbst habe zwar genügend Schüler, die sie unterrichten kann, doch zwei ihrer Agenturen hätten Pleite gemacht. Für Konzerte werde sie sich verstärkt im Ausland bewerben. Lisa Wellisch zeigte kein Verständnis dafür, dass die Politik im Sommer 2020 nicht für die Auswirkungen der Pandemie vorgesorgt hatte.

Der SPD-Arbeitsminister wollte an der Situation der Künstler nichts beschönigen. Zwei Aspekte kämen hier zusammen: die Sicherungslücke bei der sozialen Absicherung und die Unsicherheit, wie es weitergeht. Hubertus Heil sagte, dass daraus Konsequenzen gezogen werden müssten. Man werde für Soloselbstständige neue Sicherungssysteme einführen müssen. „Es tut mir in der Seele weh, wenn ich höre, wie es Ihnen ergangen ist“, sagte Hubertus Heil.

Der Minister nahm am Liszt-Flügel Platz

An die Diskussion schloss sich ein Rundgang durch die Manufaktur an, wo Mitarbeiter von Steingraeber das Entstehen eines Flügels erläuterten. Dabei konnten die Gäste aus der Hauptstadt erleben, dass hier nach wie vor sehr viel Handarbeit im Spiel ist.

Nach dem Rundgang durch die Werkstatt zeigte sich Arbeitsminister Hubertus Heil beeindruckt und trug sich gerne in das Gästebuch des Hauses ein.

Ach ja, auch am Liszt-Flügel im Rokokosaal hatte der Minister kurz Platz genommen. Allerdings wohl eher, um die besondere Aura des Instruments zu genießen und nebenbei auch als Fotomodell zu dienen. Das Musizieren hat er dann doch lieber der gelernten Pianistin überlassen.

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