Bedenkliche Vetternwirtschaft

Bayreuth war eine von Hitlers Lieblingsstädten - und das nicht erst, seit er Reichskanzler geworden war. Die Rolle als Wagnerstadt, die Entwicklung zu einer Hochburg des Nazi-Bewegung und die Verstrickungen der Familie Wagner machen Bayreuth zu einem belasteten Ort. Über Möglichkeiten der Gedenkkultur, über den Zweck des KZ-Außenlagers in Bayreuth und über bedenkliche Vetternwirtschaft berichtet am Freitag der Historiker Jörg Skriebeleit.

 
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Immerhin erinnert eine neue Gedenktafel an das KZ-Außenlager auf dem Gelände der Neuen Baumwollspinnerei. Hat Bayreuth in der Gedenkarbeit Fortschritte gemacht?

Jörg Skriebeleit: Allein, dass es so etwas wie die Vortragsreihe zur Geschichte Bayreuths im so genannten Dritten Reich von Seiten des Stadtmuseums aus gibt, ist ein Fortschritt. Was ein großes Desiderat und geradezu eine Notwendigkeit ist: Es wäre darzustellen, dass Bayreuth Gauhauptstadt war, es gab große Planungen, wie die Stadt dafür umzugestalten sei. Da ist das Außenlager ein spät erscheinendes Nebenthema. Zentral ist, dass Bayreuth schon vor 1933 eng mit der Geschichte des Nationalsozialismus verbunden war.

Auch über Wahnfried und die völkisch-nationalen Propagandisten, die sich dort versammelten. In Franken gab es sehr früh Hochburgen der so genannten Bewegung.

Skriebeleit: Ich habe mal einen Exil-Bayreuther getroffen, der erzählte mir vom Hitler-ABC – Ansbach, Bayreuth, Coburg. Das waren Städte, die eng mit dem Aufstieg Hitlers verbunden sind. Es geht auch um diese Rolle Bayreuths, es geht auch Hans Schemm, dessen Einfluss als Gauleiter weit über Bayreuth hinausreichte. Diese Rolle ist im städtischen Bewusstsein Bayreuths und museologisch äußerst wenig präsent. Es gibt verschiedene Themen, die sich überlagern, gegenseitig beeinflussen. Da wäre Bayreuths Sozialmilieu, seine politische Struktur, die in den Gau Bayerische Ostmark führt. Da wäre das ganze Wagner-Thema, eben, wie stark die Familie mit dem Regime verbandelt war. Und da wäre auch das KZ-Außenlager Bayreuth, das ohne die Familie Wagner nicht eingerichtet worden wäre. Man müsste sich natürlich auch Gedanken machen über das Chamberlain-Haus…

… in dem das Jean Paul-Museum untergebracht ist, obwohl dieser arme Kerl nun gar nichts für Chamberlain und Hitler kann.

Skriebeleit: Ich weiß ja, wie solche Häuser bespielt werden. Chamberlain steht für eine Ideologiegeschichte des Nationalsozialismus und des Antisemitismus - gerade in der Nachbarschaft zu Haus Wahnfried. Es wäre der rechte Ort, um vor der Folie eines ideologiekritischen Literaturmuseums – Chamberlain war ja Schriftsteller - der reichen Bayreuther Kulturgeschichte einen wichtigen Aspekt etwas hinzuzufügen. Chamberlain ist in seinem Einfluss auf den Nationalsozialismus nicht zu unterschätzen. Ich könnte mir vorstellen, dass man das in ein kluges museologisches Konzept einbinden kann. Ich sehe das sogar für dringend angebracht. Weil Sie vorhin wegen der Gedenktafel gefragt hatten: Die hat ihre Funktion, es ist gut, dass sie wieder besser sichtbar ist. Aber das würde man heute vielleicht auch anders machen.

Gibt es etwas Neues zur Rolle Wieland Wagners, der im Außenlager so etwas wie die rechte Hand des Chefs Bodo Lafferentz war?

Skriebeleit: Rechte Hand, nun ja. Ich meine, Wieland Wagner war der Schwager. Bodo Lafferentz tat seinem Schwager einen Dienst, um ihn vorm Fronteinsatz zu retten, indem er ihn für eine vermeintlich kriegswichtige Tätigkeit anforderte. Wieland hat sich aber natürlich dagegen überhaupt nicht gewehrt, wie er auch selber schreibt. Er sagt ja auch, dass er da erstmals in Berührung mit den Schattenseiten des „Dritten Reiches“ gekommen sei, und wie ihn das geprägt habe. Man kann es also etwas milder formulieren: Das war nepotistischer Pragmatismus, so wird das gelaufen sein. Es ist eine komplexe Geschichte, die auch etwas mit einem Karrierebruch von Bodo Lafferentz zu tun hat, und mit der familiären Geschichte der Wagners. Ohne Wagner kein Lafferentz in Bayreuth, ohne die Heirat von Lafferentz mit der Wagner-Enkelin Verena kein Außenlager, und ohne dieses Außenlager und auch kein Wieland mit seinen Erfahrungen mit dem „Dritten Reich“.

Welche Rolle spielte das Außenlager?

Skriebeleit: Man darf es nicht bagatellisieren. Es war integraler Bestandteil des Konzentrationslagers Flossenbürg. Die haben dort für eine Fernzielbombe mittels Zielerkennung geforscht. Lafferentz hatte  in einer Gesellschaft, die er neu gegründet hatte, alle möglichen schrägen, obskuranten Forscher versammelt, die an vermeintlich wichtigen Dingen forschten, die aber von der Spitze des Regimes nicht als zielführend eingeordnet wurden. Auch ein Institut für Kautschukgewinnung hatte er gegründet. All das war im Hause Wagner bekannt, man ließ sich, um dem Dienst etwa an der Front zu entkommen, gerne reinholen. Für mich ist die Kerngeschichte, dass sich all diese großen stadtgeschichtlichen Themen überschneiden: Wagner, das gesellschaftliche und politische Klima in Bayreuth, die Planungen für die Gauhauptstadt Bayreuth und das KZ-Außenlager.

Das Gespräch führte Michael Weiser

"Ein Konzentrationslager in Bayreuth? Wunderwaffen für den Endsieg?" heißt der Vortrag, mit dem der Historiker Jörg Skriebeleit, Leiter der KZ-Gedenkstätte in Flossenbürg, einen Blick auf Bodo Lafferentz, Wieland Wagner und das KZ-System wirft. Der Vortrag im Alten Rathaus beginnt um 19 Uhr. Mit diesem Vortrag endet die Reihe "Nationalsozialismus in Franken" des Kulturreferats und des Historischen Museums.

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