Bayreuther trainieren mit Nationalhebern

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Auch das gehört zum täglichen Training: Nationalheber Moritz Huber bei Kniebeugen mit der Hantel. Foto: Peter Mularczyk Foto: red

Schon von außen konnte man das Scheppern der zu Boden sausenden Hanteln vernehmen. Ein Teil der deutschen Nationalmannschaft absolvierte am Freitag im Crossfit Bayreuth ihre ersten beiden Einheiten eines kurzen Trainingslagers im Rahmen der Übergangsphase zwischen den Europameisterschaften und der Vorbereitung auf die Weltmeisterschaften Anfang November in Turkmenistan. Mittendrin statt nur dabei waren die beiden Bayreutherinnen Ellen Neumann und Martina Salosnig.

 
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Letztere hat mit einem Körpergewicht von 66 Kilogramm bei einer Größe von 1,79 Metern alles andere als die Figur, die der Allgemeinheit beim Stichwort Gewichtheben wohl vorschwebt. Da denkt man schon eher an die ukrainische Superschwergewichtlerin Olga Korobka, die bei etwa gleicher Größe stolze 167 Kilogramm auf die Waage brachte. Daher tat sich auch Bundestrainer David Kurch bei der Videoanalyse der Hebungen der 33-Jährigen etwas schwer. „Normalerweise habe ich es mit anderen Formen zu tun – nicht so zart und lang.“ Auch die anwesenden Nationalheberinnen Tabea Tabel und Sabine Kusterer sind alles andere als dick, aber eben nicht ganz so groß gewachsen wie Salosnig.

Ob sie vor dem Training mit den Vorbildern nervös gewesen sei? „Volle Kanone. Ich habe sogar versucht, mich zu drücken. Der Trainer hat mich dann aber überredet“, erzählt Salosnig. Und sie sollte es nicht bereuen. „Es war super spannend zu sehen, wie die Nationalmannschaft trainiert. Und alle waren super nett.“ Außerdem habe sie bei der Videoauswertung genau sehen können, wo die Geschwindigkeitsverluste liegen. „Der Trainer sagt das zwar auch immer, aber man glaubt es nicht so recht, wenn man es nicht schwarz auf weiß sieht.“ Das erste Mal mit der Langhantel in Berührung kam sie vor vier Jahren, als sie mit ihrem Mann die Crossfit-Box eröffnete. Hauptelement dieses Trendsports ist eben das Gewichtheben. „Ich habe schon immer viel Sport getrieben, hätte mir aber nie vorstellen können, Gewichtheberin zu werden, weil ich auch immer dieses Stereotyp im Kopf hatte. Es macht aber megaviel Spaß. Alles muss stimmen, damit die Hantel fliegt. Und nach sechs Bandscheibenvorfällen hat Gewichtheben und Crossfit meinem Rücken erstaunlicherweise am besten geholfen.“ Den Spaß ebenfalls nicht nehmen, ließen sich die Nationalheber, auch wenn man ihnen die Anstrengungen ansah. Immer wieder setzen sie sich und machen kurze Pausen, um dann ihre nächsten Serien in Angriff zu nehmen.

Pro Woche 30 bis 60 Tonnen

Einer von ihnen ist Robert Joachim, der Ende März in Bukarest in der 69-kg-Klasse EM-Silber im olympischen Zweikampf und Bronze im Stoßen holte. Um 7.30 Uhr aufstehen, von 9.30 Uhr bis 11.30 Uhr Training, anschließend Mittagessen und eine Stunde Schlaf, um wieder fit zu werden, eine Tasse Kaffee, am Nachmittag noch einmal zwei Stunden Training und abends Physio – so sieht ein normaler Tagesablauf des 31-jährigen Berliners aus, der dabei pro Woche 30 bis 60 Tonnen zur Hochstrecke bringt.

In der wettkampffreien Zeit hat der Sportsoldat der Bundeswehr etwa zwei bis drei Kilo mehr auf den Rippen. Diese dann wieder zu verlieren, nerve ihn manchmal schon. „Vor allem wenn man zum Beispiel im Trainingslager auf Teneriffa sieht, wie sich die Dicken den Wanst vollschlagen.“ Zum Gewichtheben kam er, als ihm im Sportunterricht in der Schule von seinem späteren Jugendtrainer ein Zettel zum Probetraining in die Hand gedrückt wurde. „Zuerst wollte ich nicht hin, weil ich faul war“, gibt der Vizeeuropameister zu. „Meine Schwester hat mich dann aber überredet, und es war gar nicht so schlimm. Dann bin ich geblieben.“

Bis Tokio 2020 will er auf jeden Fall noch weitermachen, um sich seinen großen Traum von Olympia zu erfüllen. Gedanken an ein Karriereende hatte er sich allerdings schon nach seiner zweiten Schulteroperation vor zwei Jahren gemacht. „Warum mache ich das? Du wirst eh nur beschissen“, spricht er die Dopingproblematik in seinem Sport an. „Doch dann dachte ich mir: Eigentlich kannst du dich selber gut mit deinen Leistungen vergleichen. Ich will immer ein Kilo mehr schaffen.“ Seine Erfolge bei den vergangenen beiden Europameisterschaften (2017 in Split Dritter) erklärt er mit sechs gültigen Versuchen und ein bisschen Glück, dass die anderen weniger gemacht haben. Dieses Jahr fehlten zudem sieben Topnationen, weil sie wegen massiver Dopingverstöße gesperrt waren.

Kraftsport quasi in die Wiege gelegt

Mit Joachim gemeinsam hat Tabea Tabel die Auszeichnung als Deutschlands Gewichtheber(in) des Jahres 2017. Mit ihren 21 Jahren steht die Dritte der Junioren-EM 2016 allerdings erst am Anfang ihrer Karriere. Auch sie will bei den sechs Qualifikationswettkämpfen, beginnend mit der WM, das Olympiaticket lösen. Die ganzen Entbehrungen, um dieses Ziel zu erreichen, machen ihr nicht allzu viel aus. „Das kann man später nachholen.“ Nur 50 Meter neben einem Kraftraum aufgewachsen, wurde ihr der Sport zudem quasi von den Eltern in die Wiege gelegt. „Meine Mutter und mein Vater waren Bodybuilder und haben mich schon mit zwei Jahren zu den Wettkämpfen mitgenommen. Zum Gewichtheben bin ich dann aber erst durch meinen Bruder gekommen.“

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