Bayreuther Studie Mikroplastik nicht gleich Mikroplastik

Forscher der Universität Bayreuth wollen die Folgen von eingeatmetem Mikroplastik ergründen. Dazu vergleichen sie kleinste Teilchen von Staub, Asbest und Ruß mit denen von Plastik.

 
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Ein Beispiel für Mikroplastik-Teilchen: Die kleinen Plastikteilchen mit einer Größe unter 5 Millimetern verschmutzen die Meere und werden oft von Fischen und anderen Meeresbewohnern aufgenommen. Foto: dpa Foto:  

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Forscher der Universität Bayreuth wollen die Folgen von eingeatmetem Mikroplastik ergründen. Dazu vergleichen sie kleinste Teilchen von Staub, Asbest und Ruß mit denen von Plastik.

Mikroplastik ist überall in der Umwelt zu finden, auch in der Atmosphäre. Dadurch atmet jeder ständig mikroskopisch kleine Plastikpartikel ein. Dringen diese in die Atemwege ein, kann das möglicherweise gesundheitsschädlich sein. Um die Gefahren, die von Mikroplastik in der Luft ausgehen, verlässlich einschätzen zu können, sind noch nicht ausreichend viele wissenschaftliche Studien vorhanden.

Das von der Universität Bayreuth koordiniertes Forschungsteam versuchte, diese Wissenslücke zu füllen. Das Augenmerk legten die Forscher aus den Fachbereichen Physik, Biologie, Biochemie, Medizin und Nano-Sciences dabei besonders auf die Rolle von physikalischen und chemischen Eigenschaften der Partikel für deren Toxizität.

Holger Kreß, Professor für Experimentalphysik VI, und Initiator der Studie, sagt zu den Gesundheitsgefahren vorsichtig: „Das ist nach dem jetzigen Stand der Forschung noch schwer abzuschätzen.“ In bestimmten Berufen, zum Beispiel im Textilbereich, könne eine hohe Belastung mit Mikroplastik zu Erkrankungen wie Lungenkrebs führen. Dies sei auch von anderen Mikropartikeln, beispielsweise Mineralstäuben oder Asbestfasern, bekannt. Pneumokoniosen sind Lungenerkrankungen, die durch die Inhalation anorganischer Stäube ausgelöst werden. „Im beruflichen Kontext, in dem diese Krankheiten auftreten, ist die Belastung mit Mikroplastikpartikeln aber um ein tausendfaches bis millionenfaches höher als derzeit im Alltag“, erläutert Kreß. Ob Mikroplastik auch in alltäglichen Mengen zu Erkrankungen führt, wie beispielsweise Feinstaub aus dem Straßenverkehr, sei noch nicht bekannt.

Denn Parameter wie Größe, Form und Oberflächenladung, aber auch deren Beständigkeit in der Lunge und an den Partikeln haftende Bakterien und Biomoleküle können ihr Gefahrenpotenzial beeinflussen. Zum Beispiel sind lange Fasern oft gefährlicher als kompakte Partikel, da lange Fasern schlechter vom Körper beseitigt werden können und so dauerhafte Entzündungen in betroffenen Geweben möglich sind. Dadurch können solche faserförmigen Mikropartikel krebserzeugend sein, was beispielsweise für Asbest bereits lange bekannt ist. „Mit unserer Arbeit helfen wir, die grundlegenden Mechanismen hinter den gesundheitlichen Auswirkungen von Mikropartikeln zu verstehen“, ergänzt Simon Wieland, Doktorand an der Universität Bayreuth. Das Wissen soll eine schnelle Einschätzung des Risikos von Mikroplastik in der Atemluft ermöglichen.

„Mikroplastik ist nicht gleich Mikroplastik, sondern setzt sich aus vielen verschiedenen Partikeln unterschiedlicher chemischer Zusammensetzung, Oberflächeneigenschaften, Form und Größe zusammen“, sagt Professor Christian Laforsch, Sprecher des Sonderforschungsbereichs 1357 Mikroplastik der Universität Bayreuth und Inhaber des Lehrstuhls für Tierökologie I. Deshalb sei es jetzt von großer Bedeutung, diese Vielfalt auch in der toxikologischen Forschung zu berücksichtigen.

In der Regel sind besonders kleine Partikel (kleiner als zehn Millionstel Meter) für den Menschen gefährlich, da diese tief in die Atemwege eindringen können, teilweise bis zu den Lungenbläschen. „Größere Partikel hingegen bleiben in den oberen Atemwegen hängen und werden wieder abgehustet“, erläutert Kreß.

Sowohl durch die Luft beim Einatmen, als auch durch die Aufnahme von Nahrung gelangt Mikroplastik in den Körper. Zum Beispiel finden sich in der Luft Mikroplastik-Fasern, die durch den Abrieb von synthetischen Textilien wie Funktionskleidung oder Polstermöbel entstehen. Eingeatmete Mikroplastikpartikel finden sich dann zuerst in der Lunge, mit der Nahrung aufgenommene Partikel im Magen-Darm-Trakt, schildert Kreß. Werden Mikroplastikpartikel aus der Lunge abgehustet, landen diese wiederum häufig im Magen-Darm-Trakt. Von dort aus und von der Lunge können die Partikel Gewebe-Barrieren überwinden, und so in den Blutstrom oder das Lymph-System gelangen. Auf diese Weise kann Mikroplastik im ganzen Körper verteilt werden.

Allerdings sind die Eigenschaften von Plastik vielfältig. Zusatzstoffe kommen hinzu oder Oberflächenbehandlungen, die das Spektrum noch verbreitern. „Denken Sie nur an die verschiedenen Formen, in denen Plastik im Alltag vorkommt: Als harte, temperaturbeständige Bestandteile von Autos, hauchdünne, transparente Folien wie Frischhaltefolie, biegsame, elastische Schläuche, dünne, weiche Fasern, die zu Textilien gesponnen werden, kompostierbare Tüten. Genauso vielfältig sind die daraus entstehenden Mikroplastikpartikel.“