Bayreuther Festspiele Neubeginn 1924: Bayreuths Weg in die Moderne

Die weiße Fahne mit dem roten „W“ weht zu den Bayreuther Festspielen am Festspielhaus. Kaum einer weiß: Diese Neuerung hat Siegfried Wagner eingeführt. Wie so einiges andere mehr.

 
Schließen

Diesen Artikel teilen

Zur Ausstellungseröffnung „Neubeginn 1924“ sang Rebecca Broberg, begleitet von Christian Biskup am Klavier. Foto: Ute Eschenbacher

Die Internationale Siegfried Wagner Gesellschaft eröffnete am Mittwoch die Ausstellung „Neubeginn 1924: Bayreuths Weg in die Moderne“. Siegfried Wagner steht noch immer im Schatten seines Vaters. Die 1972 gegründete Gesellschaft, die seinen Namen trägt, versucht dies unermüdlich zu ändern. Durch die Forschung über sein Werk und seine Person soll Siegfried Wagner die auch zu Lebzeiten fehlende Anerkennung zuteil werden, wie Vorstandsvertreter Achim Bahr sagt.

Nach der Werbung weiterlesen

Vorspiel zu „Die Heilige Linde“

Der Sohn Richard Wagners hat laut Bahr 15 Opern vollendet. Das Vorspiel zu seiner Oper „Die Heilige Linde“ brachte Siegfried Wagner am 27. November 1924 zur Uraufführung. Und zwar im Saal des Hotels Zur Sonne mit dem von ihm dirigierten Dresdner Philharmonischen Orchester, schildert Bahr. Die erste konzertante Aufführung sei erst im Jahr 2001 erfolgt. „Die szenische Uraufführung steht noch aus.“ Im Festkonzert zu Komponisten in Wahnfried im Markgräflichen Opernhaus im Juni erklang das Vorspiel ebenfalls, gespielt von den Karlsbader Symphonikern.

Nach zehn Jahren Stillstand aufgrund des Ersten Weltkriegs konnte Siegfried Wagner unter großen Mühen die Bayreuther Festspiele wiedereröffnen. Als Vorbereitung hierfür hielt er Vorträge und Konzerte und unternahm eine Werbereise in die USA. Alles, um Geldgeber für das Vorhaben zu gewinnen. „Dollar waren eine sichere Währung.“ Allerdings: Von der erfolgreichen Konzertreise seien nur 8000 Dollar übrig geblieben.

Auf Suche nach Unterstützern

Förderer zu finden, war „extrem schwierig“, wie auch Oberbürgermeister Thomas Ebersberger in seiner Ansprache sagt. Unter der alleinigen Intendanz von Siegfried Wagner sei es zu ästhetischen und technischen Neuerungen im Festspielhaus gekommen. Dazu zählten vor allem die „Entrümpelung der Bühne“ und Umbauten. Siegfried Wagner wollte ursprünglich Architekt werden und wagte sich an das Vorhaben. Der Ausspruch „Allen Firlefanz lassen wir weg!“ stehe programmatisch für seinen Ansatz, so Bahr.

Trotz finanzieller Probleme ist Siegfried Wagner die Wiedereröffnung der Bayreuther Festspiele am 22. Juli 1924 gelungen. Bei Honoraren und Aufwandsentschädigungen wurde gespart, alte Kostüme und Szenerien wiederverwendet, schildert Bahr. Als Siegfried Wagner bei einer „Walküre“ die Tür im Bühnenbild versetzen ließ, habe es Proteste gegeben. Kundry im „Parsifal“ sei so ausgefallen, dass es seine Mutter nicht habe wissen dürfen. Siegfried Wagner habe nicht nur Verdienste als Dirigent, sondern genauso als Regisseur.

Gegen eine Vereinnahmung

Dass deutsch-nationale Lieder im Festspielhaus nach den Opern erklangen, habe Siegfried Wagner übrigens verhindert. Diese Vereinnahmung der Festspiele habe ihm nicht behagt, sagt Bahr. Auch die Reichsflagge sollte am Grünen Hügel nicht wehen. Seit 1925 wird daher bis heute die Fahne mit dem roten „W“ gehisst.

„Gut sei Dank war er seiner Zeit immer voraus“, ergänzt Ebersberger. Auch der Beginn von Rundfunkübertragungen und Schallplattenaufnahmen fielen in Siegfried Wagners Zeit. „Es darf nie vergessen werden, dass er ein eigenständiger Komponist war und zu unrecht in den Hintergrund gedrängt wurde“, unterstreicht Ebersberger. „Wir brauchen das Andenken an Siegfried Wagner.“

Die Ausstellung im RW21 greift zurück auf jene aus dem Jahr 2016 über Bayreuths Weg in die Moderne in der Klaviermanufaktur Steingraeber. Achim Bahr und Prof. Peter Pachl hatten sie konzipiert. Die diesjährige Ausstellung ist um weitere Ergebnisse neuerer Siegfried-Wagner-Forschung ergänzt worden. Unterteilt in zwölf Abschnitte beschreibt diese den Bayreuther Neubeginn bis zu Siegfried Wagners „Tannhäuser“. Die Ausstellung läuft noch bis 29. August.

Hintergrund: Gleichzeitig ist eine interessante Postkartenausstellung von Frank Piontek zu sehen. Der promovierte Literaturwissenschaftler trug im Laufe der Jahre Hunderte von Postkarten zusammen. Sie stammen aus Museen, von Verlagen oder Theatern. Eine Auswahl, thematisch geordnet, stellt Piontek im RW21 vor. Historische Abbildungen, Illustrationen, Schauspieler und Autoren, besondere Kostüme und Orte ein buntes Kaleidoskop an Bildern dar. Alles mit literarischem Bezug oder literarischen Texten. Und: Jetzt fehlt zudem keine Siegfried Wagner Postkarte mehr.

Info: Das Vorspiel zur Oper „Die Heilige Linde“ und die symphonische Dichtung „Glück“, Kompositionen von Siegfried Wagner, sind beim Orgelkonzert mit Ulrich Leykam am 19. August um 19.30 Uhr in der Bayreuther Stadtkirche zu hören.