Bayreuther Erinnerungsjahr Kulturprogramm zu „Jüdisches Leben in Deutschland“

Else Berlin Foto: /Peter Christian Theis

Ein Jahr im Zeichen der Erinnerungskultur: Mit Konzerten, Ausstellungen, Filmen und Vorträgen begeht die Stadt Bayreuth das bundesweite Erinnerungsjahr.

 
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Bayreuth - 1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland– dies soll im Jahr 2021 für alle authentisch sichtbar und erlebbar werden. Doch Corona hat die Planungen ein wenig durcheinander gewirbelt. „Pandemiebedingt hat sich der Start in Bayreuth zeitlich verschoben“, erläuterte Kulturamtsleiterin Gabriele Röhler im Kulturausschuss, dem sie das vorläufige städtische Programm in Zusammenarbeit mit der Israelitischen Kultusgemeinde Bayreuth vorstellte.

Erinnern und leben

Eine Vielzahl von Veranstaltungen, die aber nur bei Erreichen der vorgeschriebenen Inzidenzzahlen wahrgenommen werden können. Im Mittelpunkt stehe das Motto „Erinnern und leben“, das die Stadt Bayreuth auch in Zukunft fortführen und umsetzen will. „Das heißt, wir werden aktiv die sogenannte Erinnerungskultur weiter pflegen und auch ausbauen.“

Gegenwärtig laufen nach den Worten Röhlers die Planungen für eine Gedenkstele. Die Initiative dafür stammt von Christoph Rabenstein, dem ehemaligen SPD-Landtagsabgeordneten und Stadtrat. Zugleich sei die Schaffung weiterer Gedenkorte in der Stadt geplant.

Wagners Antisemitismus

Unabhängig davon wird die BMTG ab April monatlich fest eingeplante Stadtrundgänge unter dem Motto „Jüdisches Leben in Bayreuth“ anbieten. Nach der Öffnung der Museen wird sich auch das Richard Wagner Museum beteiligen: Jeweils am ersten Mittwoch jeden Monats wird eine Themenführung zu „Wagners Antisemitismus und die Folgen“ angeboten.

Lehren aus dem Holocaust

Die Stadtbibliothek RW 21 zeigt ab 4. Mai die bemerkenswerte Wanderausstellung „Einige waren Nachbarn: Täterschaft, Mitläufertum und Widerstand“ des United States Holocaust Memorial Museum mit Sitz in Washington DC. Die Ausstellung untersucht vor allem die Rolle der „gewöhnlichen“ Menschen im Holocaust. „Die Erkenntnis, dass der Holocaust möglich wurde, weil Menschen in Deutschland und ganz Europa aus verschiedenen Gründen motiviert waren, dem Völkermord zuzustimmen oder daran mitzuwirken, ist entscheidend, um Lehren aus dem Holocaust zu ziehen“, heißt es in der Beschreibung der Ausstellung. „Der Holocaust erinnert uns daran, dass das Undenkbare immer möglich ist.“ Insbesondere Schulen soll die den ganzen Monat Mai über laufende Wanderausstellung ansprechen.

Jüdische Frauen und ihr Salon

Des Weiteren plant die Volkshochschule einen Frauenliteratursalon. Dieser widmet sich jüdischen Dichterinnen. Dazu ist ein Konzert „Singt ojf Jiddisch! - Jiddische Lieder & Geschichten“ mit Olaf Ruhl vorgesehen. Weiblicher Kulturgenuss kommt nicht nur einmal vor. Am 9. Mai, Muttertag, wird das städtische Programm mit zwei Konzerten der Lautten Compagney Berlin um 17 Uhr und um 19.30 Uhr im Reichshof eröffnet. Unter dem Titel „Singen in Gedanken“ wird der musikalische Salon der Rahel Varnhagen mit Musik von Bach, Gluck, Mendelssohn, Mozart und anderen in Bayreuth wiedererweckt.

Im Salon der Rahel Varnhagen gingen einst Dichter, Politiker und Naturforscher wie die Brüder Humboldt, Heinrich Heine oder Fürst Pückler-Muskau ein und aus. Weit über Berlin hinaus waren Rahel Varnhagens Hausempfänge berühmt und berüchtigt. Vor allem nicht zuletzt wegen des freien Geists, der gewitzten Schlagfertigkeit und des gefürchteten Zynismus der Gastgeberin. Die Literatin war außerdem musikalisch gebildet und in der Berliner Bachtradition zuhause. Wenngleich sie zwar die Musik, nicht aber die Texte von Bach schätzte.

Theaterstücke und Lesungen

Auch die Schultheatertage befassen sich mit jüdischer Kultur und Religion. „Mit den Theatergruppen der Bayreuther Schulen werden wir nur einen einzigen Tag gestalten können – normalerweise sind es ja drei“, kündigte Gabriele Röhler an. „Für die Grundschulen haben wir daher ein besonderes Angebot, nämlich ein Gastspiel des Jüdischen Puppentheaters Berlin Bubales mit vier Aufführungen des Stückes „Die Koscher-Maschine“ an einem weiteren Tag.“

Des Weiteren sind Lesungen voraussichtlich im Oktober mit der Buchhandlung Breuer geplant. „Da hier noch keine Verträge vorliegen, möchte ich noch keine Namen nennen.“

Deutsch-israelische Filmreihe

Auch eine Filmreihe in Kooperation mit dem Verein „Kino ist Programm“ wird jeweils sonntags von Mai bis Dezember im Historischen Sitzungssaal im Alten Rathaus stattfinden. Gezeigt werden immer um 11 und um 14 Uhr jeweils ein Dokumentar- und ein Spielfilm. So zum Beispiel „Im Himmel, unter der Erde“ (D 2011), ein Dokumentarfilm über Jüdischen Friedhof in Berlin-Weißensee, „Kiss me kosher „(D/Israel 2020, 106 min), eine deutsch-israelische Romantik-Komödie, oder „Displaced“ (D 2020, 87 min) über die Auswirkungen des Holocaust auf nachfolgende Generationen von Juden unter der Regie von Sharon Ryba-Kahn. Zu sehen sein wird auch ein Film über Daniel Cohn-Bendit „Wir sind alle deutsche Juden“.

Nach der Devise „Umsonst und draußen“ wird im Heckentheater der Wilhelminenaue von Bezirksheimatpfleger Prof. Günter Dippold einen Vortrag zum Thema „Jüdisches Leben in Stadt und Landkreis Bayreuth durch die Jahrhunderte“ zu hören sein. Eine Ausstellung „Jüdisches Bayreuth“ wird kurz vor der Festspieleröffnung und bis Ende August in ergänzter und aktualisierter Form im Alten Schloss in der Maxstraße zu erleben sein.

Hochkarätiger Musikgenuss

Das Else Ensemble soll am 9. November um 19.30 Uhr im Europasaal des Zentrums auftreten. Das israelisch-deutsche Ensemble, benannt nach der Dichterin und Malerin Else Lasker-Schüler, setzt sich aus jungen Musikern zusammen, die Preisträger internationaler Wettbewerbe und Mitglieder weltweit führender Orchester sind. Das Ensemble widmet sich gezielt vernachlässigten und durch politische Ereignisse verdrängten Werken. Tradition, Ausgrenzung, Flucht, Neuanfang: Das Repertoire stellt Elemente jüdischer Musik über Jahrhunderte hinweg zusammen.

Ebenfalls im November wird es zwei Chanson-Abende mit Werken von Friedrich Holländer und anderen geben. Am Flügel sitzt Hans Martin Gräbner, der auch moderieren wird. Der vielseitige Musiker erhielt aufgrund seiner Leistungen zweimal das Stipendium der Richard-Wagner-Stipendienstiftung. Zudem komponierte er für die Semi-Oper „Wilhelmine“ und hält die musikalischen Einführungsvorträge „Wagners Werke wirklich verstehen“.

Mitwirken wird zudem die Sopranistin Gesche Geier, die in Bayreuth ebenfalls keine Unbekannte ist. Mit dem Dresdner Barockensemble Batzdorfer Hofkapelle trat die junge Sopranistin bereits im Markgräflichen Opernhaus Bayreuth auf und 2010 war auch sie Stipendiatin der Richard-Wagner-Stipendienstiftung. Unterstützt werden die beiden von dem Sänger und Musiker Peter Tilch.

Nachgeholtes Eröffnungskonzert

Da im ersten Quartal 2021 keine Kulturangebote stattfinden konnten, wurde zusammen mit den Kulturfreunden das Jewish Chamber Orchestra Munich für Anfang nächsten Jahres eingeladen. Als Solist tritt Bariton Thomas E. Bauer auf, der auch mit Kent Nagano zusammenarbeitet. Das Konzert des Orchesters unter Leitung von Daniel Grossmann ist für Freitag, 28. Januar , 19.30 Uhr, im Europasaal im Zentrum geplant.

Auf dem Programm stehen Victor Ullmanns „Die Weise von Liebe und Tod des Corners Christoph Rilke“, komponiert in Theresienstadt, „Zwölf Stücke aus der Dichtung von Rainer Maria Rilke“ in einer Fassung für Sprecher und 13 Instrumente sowie von Gustav Mahler „14 Lieder und Gesänge aus der Jugendzeit“.

Mahler, der wohl berühmteste jüdische Katholik, schrieb zwischen 1880 und 1889 vierzehn Klavierlieder, die in drei Heften erschienen. Darunter sind Lieder nach Gedichten von Richard Leander, eine Volksliedvertonung, zwei Stücke nach „Don Juan“ von Tirso de Molina und neun Lieder auf Texte aus „Des Knaben Wunderhorn“.


Info: Ende April wird ein Faltprospekt mit allen Terminen erscheinen. Der Eintritt ist größtenteils frei. Reservierungen und Tickets über die Theaterkasse. Bei Ausfällen sind Ersatztermine geplant.

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