Festival junger Künstler So cool kann Klassik sein

International war das Festival junger Künstler in Bayreuth schon immer. Im Jahr 2022 gesellt sich zur Musik des Barock moderner Rock.

 
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Das hat man beim Festival junger Künstler noch nicht erlebt!“ Zu diesem Fazit kam sicherlich nicht nur diese eine Konzertbesucherin am Mittwochabend beim traditionellen Bayreuther Abend, diesmal an der Seebühne in der Wilhelminenaue.

Denn nicht die klassische Musik im herkömmlichen Sinne stand im Mittelpunkt, sondern deren Kombination mit modernen elektronischen Klängen, Rap und Hip-Hop. Das zeigte sich gleich zu Beginn mit dem Electronic Strings Ensemble der Universität von Illinois. Als die E-Violinen die Sängerin Carolin Adler erzeugte dies noch nie gehörte musikalische Effekte.

Mutiges Programm

Das Festival junger Künstler steht in diesem Jahr unter dem Motto „Reflexion. Transformation. Kreation“. Und angesichts dieses mutigen Programms zur Eröffnung scheint die Verwandlung in vollem Gange zu sein. Nicht nur die elektronischen Streicher, sondern auch das Hip-Hop Collective brachte die Besucher zum Staunen. Während der Großteil des Publikums wohl anfangs noch überlegte, ob er mit der Show der Gruppe wirklich etwas anfangen kann, tauten die Leute nach und nach auf. Zwar folgten sie nicht dem Appell, ihre Fäuste in die Luft zu recken. Aber fast alle standen am Ende auf und ließen sich nicht zweimal bitten mitzutanzen. Auf so mancher eher versteinert wirkenden Miene machte sich plötzlich ein Lächeln breit.

Warum nicht einmal was Neues wagen?

Warum nicht einmal Neues wagen? Das hatte sich gleichwohl Intendantin Sissy Thammer gesagt. Sie hatte sich, wie sie erzählte, von einem jungen Mann in ihrem Team davon überzeugen lassen, auch einmal rockigere Töne zuzulassen. „Sowas hat’s noch nicht gegeben“, war etwa nach dem Auftritt zu hören. „Das war wirklich geil“, entfuhr es Bayreuths Zweitem Bürgermeister Andreas Zippel (SPD), der unter den Zuschauern war. „Einfach brillant“ fand er die Vorstellungen der in Weiß gekleideten, jungen Leute.

Cypher heißt dieser Freestyle-Rap, bei dem auf Instrumenten improvisiert und dazu spontan gesungen und getanzt wird. Wie so etwas funktioniert und zu einer Bühnen-Live-Show wird, das weiß Rudolf Haken. Der Professor an der Universität Illionois unterrichtet dies nun im Rahmen des Festivals. Haken ist der einzige weltweit, der E-Strings an einer Universität lehrt.

Weltweit einzige Professur für E-Streicher

Zu den elektronischen Streichinstrumenten zählen fünfsaitige E-Bratschen, siebensaitige Violinen sowie elektrische Celli und Kontrabässe. „Damit sind variationsreiche, differenzierte Techniken möglich“, sagt Haken, der Professor für Bratsche ist und Geige und Klavier studierte. „Leise und unendlich laut wie mit einer Orgel.“ Die Lautsprecher sorgten für das entsprechende Klangvolumen. „Ich habe einmal allein in einem Stadion gespielt. Der ganze Raum war von dem Spiel gefüllt.“

Zwanzig Leute aus dem Studiengang dabei

Mit seinem Electronic Strings Ensemble bestreitet er Konzerte und bietet Seminare und Meisterkurse an. „Bei mir können Studenten einen Bachelor, Master und ihre Doktorarbeit machen“, sagt er im Gespräch mit unserer Zeitung. Ein „normales Musikstudium“ könne jeder machen. Das E-Strings-Angebot sei einzigartig. Zwanzig seiner Studenten und Studentinnen hat er mit nach Bayreuth gebracht. Die Studierenden schätzen ihn, kommen nach dem Auftritt vorbei, halten ein Schwätzchen, umarmen Haken. Er stellt die erst 17-Jährige Marlo Campbell vor. „Sie wird die erste Person sein, die einen Bachelor in E-Strings macht.“

Die Studentin selbst sagt, sie habe zehn Jahre lang eine klassische Ausbildung an der Geige genossen. Doch dann habe sie ihre Leidenschaft für das E-Instrument entdeckt. „Ich weiß jetzt, was ich später machen möchte.“Wie Werner Schubert vom Festival junger Künstler erläutert, war Haken bereits 2019 in Bayreuth. Ein Orchesterwerk von Haken sei in der Corona-Zeit von Musikern weltweit einstudiert und per Livestream übertragen worden. Beim Bayreuther Abend präsentierte sich zudem ein auf Barockmusik eingestimmtes Streichertrio, das Yara-Ensemble. Das Jugend-Symphonieorchester der Ukraine gab eine Kostprobe aus „Egmont“ von Ludwig van Beethoven. Es trat Donnerstagabend in der Panzerhalle unter der Leitung von Oksana Lyniv auf, der ersten Dirigentin der Bayreuhter Festspiele.

Info: Die Musiker werden im Laufe des August immer wieder an verschiedenen Orten in der Region zu hören sein. Das Programm ist zu finden unter: www.youngartistsbayreuth.de

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