Ein Mann mit Verstand und Witz
Er wandert durchs Fichtelgebirge – und erlebt nach stundenlangem Marsch durchs Gehölz den Ausblick auf das Land um „Baireuth“ herum wie eine Offenbarung: „Ebenso großartig als überraschend“. In St. Georgen-Bayreuth sieht er sich im „Narrenhaus“ um, „wo wir in manchen Augenblicken fast alle hingehören“. Der Arzt teil ihm mit, „daß, nur drei ausgenommen, sämmtliche Narren aus Stolz oder Liebe dahingekommen seyen“. Ja, wer kennt das nicht? In einer Passage berichtet er von einem Manne, der im Wahn befangen ist, sein Glied verloren zu haben. Von Pückler-Muskau erzählt das elegant und doch mit Anteilnahme, ein Mann von Verstand, also Witz – eben weil er sich nicht lustig macht. Also hört man ihm gern zu.
Gschlampertes Bayern
Ob in Eckersdorf oder Muggendorf, von Pückler-Muskau schreibt mit Wissen und mit Beobachtungsgabe. Und so bildet er deutsch-deutsche Verwerfungen auch in Nebensächtlichkeiten ab. Die Landschaft der fränkischen Schweiz empfiehlt er als herrlich und freundlich, allerdings beklagt er die miese Infrastruktur. „Gasthäuser und Postwesen sind schlecht“, schreibt er. „In Hohlfeld mußte ich in einer schmutzigen und noch obendrein, trotz der heißen Witterung wie eine wendische Bauernhütte geheizten Stube drei Stunden auf die Pferde warten.“ Er beschwert sich beim Posthalter. Der nimmt erst mal eine Prise und gibt ihm dann Bescheid: Fehler des Reisenden. Hätte er halt einen Kurier vorausgeschickt. So aber... Ein preußischer Beamter leidet im selben Gasthaus und ist doch vergnügt. Weil er sich in seiner Meinung bestätigt fühlt, um wie viel besser doch das preußische Postwesen sei als die Schlamperei in Bayern.
"Grandioser Saal"
Zurück nach Bayreuth. Dort fiel ihm noch etwas auf. „Das Theater, welches sehr zweckmäßig gebaut, im Geschmacke Ludwig des Vierzehnten, im Inneren ganz vergoldet und prachtvoll ausgeschmückt ist. Da die neueste Mode sich wieder diesem Genre zuwendet, so wäre dem grandiosen und magnifiken Saal nur zu wünschen, daß er sich an Orten befände, wo er mehr in evidence gesetzt werden könnte.“
Das Opernhaus, das Markgräfliche, ist in Bayreuth geblieben, so einfach lässt sich so ein Juwel nicht versetzen. Bayreuth ist auch nicht mehr so „todt“. Zum Glück. Das Weltkulturbe „in evidence“ zu versetzen, es angemessen der Welt zu präsentieren: Bald kann es losgehen, am. 12. April ist feierliche Eröffnung. Sollte es bei den Feierlichkeiten zu amourösen Verwicklungen kommen – wie vor 180 Jahren dem liebenswürdigen Grafen geschehen –, so würde das dann sicher billigend in Kauf genommen werden.
INFO: Hermann von Pückler-Muskau: „Vorletzter Weltgang. Semilasso in Europa“, 544 Seiten, in Leinen gebunden, 49 Euro, Verlag der Pioniere. Der von Michael Uszinski edierte Band enthält den vollständigen Umfang der Erstausgabe von 1835, mit Karten, Register sowie zahlreichen Erläuterungen der Hintergründe und Kurzbiographien der vom Autor erwähnten Personen.