Bayreuth Baroque Flucht in eine Fantasiewelt

Unterhaltsam, witzig und prunkvoll: Mit der Neuproduktion der Oper „Alessandro Nell’ Indie“ startet das Festival Bayreuth Baroque vor einem internationalen Publikum im Markgräflichen Opernhaus.

 
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Wenn in Bayreuth eine Opernaufführung bereits um 16 Uhr beginnt, befindet man sich in der Regel auf dem Grünen Hügel. Nicht so am Mittwoch. Denn um 16 Uhr öffnete sich diesmal der Vorhang im Markgräflichen Opernhaus zum Start von Bayreuth Baroque - den kleinen Festspielen, die auf die großen folgen. Mit einer Aufführungsdauer von fast fünf Stunden kann es „Alexander in Indien“ von Leonardo Vinci durchaus mit vielen Wagner-Werken aufnehmen. Abgesehen von der zeitlichen Ausdehnung verbieten sich weitere Vergleiche. Die Premiere wurde zu einem Riesenspaß, was von den Besuchern im voll besetzten Opernhaus begeistert gefeiert wurde.

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Diese waren nach Angaben der Veranstalter aus aller Welt gekommen: aus Australien, aus Japan oder den USA. Tatsächlich konnte man auf dem ein oder anderen Sitzplatz in der Pause einen Bayreuther Stadtplan liegen sehen. Das Weltkulturerbe lockt nicht nur Tagesreisende, sondern auch anspruchsvolle Kulturtouristen in die Stadt.

Zum Start von Bayreuth Baroque bekamen sie allerhand geboten. Gab es im Markgräflichen Opernhaus jemals ein so prunkvolles Bühnenbild zu sehen? Gab es jemals in dieser Fülle solch opulent gestaltete Kostüme? Die Inszenierung von Intendant und Regisseur Max Emanuel Cenčić entführte die Besucher in eine andere Welt. In ein Indien, das der Fantasie der Europäer entsprang, das es so aber nie gab.

Königlicher Pavillon in Brighton

Als Vorbild für den Bühnenraum diente ein königlicher Pavillon im englischen Seebad Brighton zur Zeit von Georg IV. im 19. Jahrhundert. Ausschweifende Feste sollen dort einst gefeiert worden sein, was sich die Inszenierung zunutze macht. Die Regie stellt eine Verbindung zwischen dem englischen König und dem Herrscher Alessandro aus der Barock-Oper her. Was hier in äußerst kurzweiliger, witziger und unterhaltsamer Manier gespielt wird, ist: Theater auf dem Theater. Max Emanuel Cenčić hat auf diese Art einen Zugriff gefunden, der dieses seit Jahrhunderten in der Versenkung verschwundene Stück leicht konsumierbar macht. Man gönnt sich die Flucht in eine Fantasiewelt, in der nichts echt ist – am wenigsten die Kamele auf drei Rädern.

Die größte Täuschung aber gelingt den Sängern. Wie in der Zeit der Uraufführung des Stücks im Rom des Jahres 1740 üblich, agieren auf der Bühne ausschließlich Männer. Die Premierenbesucher konnten hier ein Ensemble der wohl weltweit besten Countertenöre und Sopranisten erleben. Herausragend: Bruno de Sá in der Rolle der indischen Königin Cleofide. Wer die Augen schloss, glaubte die Stimme einer geschmeidig und lieblich singenden Frau zu hören. Beim Öffnen der Augen war das Staunen umso größer: Kostüm- und Maskenbildner hatten Großartiges geleistet, sodass die Travestie auf eine ganz selbstverständliche Art und Weise vollzogen wurde. Neben Bruno de Sá zählte Franco Fagioli als indischer König Poro zu den Stars des Abends. Begeistert gefeiert wurden auch Jake Arditti als Erissena, Maayan Licht als Alessandro, Stefan Sbonnik als Gandarte und Nicholas Tamagna als Timagene.

Eine Dirigentin

Wenn schon der historischen Aufführungspraxis entsprechend auf der Bühne ausschließlich Männer stehen durften, so setzte man zumindest im Orchestergraben einen gendertechnischen Kontrapunkt. Mit Martyna Pastuszka dirigierte dort eine Frau das Residenzorchester des Bayreuth Baroque Opera Festival 2022.

Nach der knapp fünfstündigen Aufführung gab es für alle Beteiligten viel Jubel vom Premierenpublikum. Zwei weitere Aufführungen im Markgräflichen Opernhaus stehen auf dem Spielplan von Bayreuth Baroque.

Auch beim sich anschließenden Empfang im Sonnentempel der Eremitage mit Bayerns Wirtschaftsstaatssekretär Roland Weigert waren ausschließlich begeisterte Kommentare der Opernbesucher zu hören. Die ganz große Prominenz aus München war allerdings nicht zu diesem Premierenabend nach Bayreuth gekommen.

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