Bayerns Grüne tagen in Bayreuth

Von Moritz Kircher
Die Bayreuther Grünen-Abgeordnete und Landtagsvizepräsidentin Ulrike Gote erklärt die digitale Agenda der bayerischen Grünen. Archivfoto: Inga Kjer/dpa Foto: red

Die fortschreitende Digitalisierung der Gesellschaft steht im Zentrum der Winterklausur, die die Landtagsfraktion von Bündnis90/Die Grünen von Mittwoch an in Bayreuth drei Tage lang beschäftigen wird. Es wird wohl die letzte Klausur für die scheidende Bayreuther Abgeordnete Ulrike Gote sein. Im Kurier-Interview erklärt sie, wo Bayern und wo grüne Politik Nachholbedarf bei der Digitalisierung hat und warum Gesetze für soziale Netzwerke nötig sind.

 
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Frau Gote, die Winterklausur der Landtagsgrünen in Bayreuth – ist das ein Abschiedsgeschenk der Fraktionskollegen für Sie?

Ulrike Gote: Wir gehen bei den Klausuren alle Bezirke nacheinander durch, und Oberfranken war jetzt eben an der Reihe. Aber für mich ist das schon sehr schön, die Fraktion noch einmal hier zu haben mit einem Programm, das auch meinen Themen entgegen kommt. Das war eher ein schöner Zufall.

 

Bayern digital: Frei, gerecht, sicher und nachhaltig“ – das Motto für die Winterklausur klingt nach der eierlegendenInternetwollmilchsau.

Gote: Das ist sie auch eigentlich. Und genau das ist die Herausforderung für uns. Das Thema soll klar machen, dass wir noch nicht wirklich durchdrungen haben, wie stark alle Lebensbereiche von der Digitalisierung betroffen sind. Da geht es nicht nur um Politik und Wirtschaft. Das ist auch ganz stark eine kulturelle Frage. Und es betrifft alle Generationen. Da kann keiner einfach sagen: Ich steige da aus. Und politisch sind wir noch nicht gut genug auf das Thema eingestellt. Wir als Grüne wollen zeigen, was unsere grundsätzliche Haltung zu dieser gesellschaftlichen Entwicklung ist.

 

Frei und sicher soll das digitale Bayern der Grünen sein. Aber bedeutet mehr Sicherheit nicht automatisch weniger Freiheit? Auch im Netz.

Gote: Auch vor der Digitalisierung gab es immer dieses Spannungsverhältnis. Aber es geht auch beides. Sicherheit gegen Freiheit – gerade wir Grüne ringen immer darum, und für uns geht es immer Richtung Freiheit. Aber wir wollen in dieser Frage einen gesellschaftlichen Diskurs anstoßen. Was wollen wir und was wollen wir nicht? Nehmen wir ein klassisches grünes Beispiel, die Energiewende. Wenn wir vernetzte, intelligente Wasserzähler für die Haushalte fordern, da fragen uns die Bürger, was das soll? Wir müssen Verfahren entwickeln, wie wir trotz Digitalisierung die Freiheit erhalten.

 

Haben Sie nicht Angst, einmal mehr als Partei dazustehen, die den Menschen vorschreibt, wie sie zu leben haben? Jetzt auch im Digitalen…

Gote: Im Gegenteil. Wir wollen eben nichts vorschreiben. Die Bürger müssen selbst entscheiden und brauchen dazu die Hoheit über ihre eigenen Daten. Die Bürger müssen nachschauen können, wer Zugriff auf ihre Daten hat und wer vielleicht schon zugegriffen hat. Und man muss ihnen die Möglichkeit geben, sich Datensammlungen zu entziehen und zu sagen: Nein, das will ich nicht.

 

Der Staat versucht in Digitalbereich schon regelnd einzugreifen. Das neue Netzwerkdurchsetzungsgesetz hat erste Blüten getrieben. Twitter löscht vorbeugend Nachrichten und sperrt Accounts aus Angst vor Strafverfolgung. Ist der Gesetzgeber übers Ziel hinaus geschossen?

Gote: Man kann im Netz nicht alles einfach so laufen lassen. Natürlich haben wir die Kritik am Gesetz in den letzten Tagen beobachtet. Wir können die Internet-Konzerne da aber nicht aus ihrer Verantwortung lassen. Andererseits haben wir Grüne große Zweifel, dass das Gesetz funktioniert, so wie es jetzt ist. Wir hätten viel lieber, dass die Entscheidung über die Löschung von Inhalten nicht alleine bei den Konzernen liegt, sondern dass es unabhängige Stellen gibt. Eine Stelle, die auch über Streitfälle entscheidet. Das Gesetz muss auf jeden Fall reformiert werden.

 

Noch einmal zum Motto der Klausur: Schneller Internetzugang für alle Menschen in Bayern, das ist doch schon „gerecht“ und „nachhaltig“, was die CSU da macht. Was fehlt den Grünen noch?

Gote: Man meint immer, da passiert viel. Und da wird auch viel Geld ausgegeben. Aber wir sind weit von dem entfernt, was wir brauchen. Eine Geschwindigkeit von 50 Mbit, die maximal vom Freistaat gefördert wird? Da sind andere Länder schon viel weiter. Da brauchen wir ganz andere Förderprogramme, zum Beispiel für Glasfaseranschlüsse bis in jedes Gebäude. Gigabit-Internet muss Standard werden, damit wir für die Zukunft gerüstet sind in Bayern. Ganz schlimm wird es, wenn wir in Schulen schauen, die oft nicht einmal über eine vernünftige Netzwerkausstattung verfügen.

 

Ein Blick in Ihre persönliche Zukunft: Sie wollen 2019 für die Grünen ins Europaparlament. Wie läuft das Projekt?

Gote: Das Projekt Europaparlament läuft. Das habe ich fest im Blick, und das wäre für mich die richtige Fortsetzung meiner Arbeit. Aber jetzt kommt erst einmal die Landtagswahl. Und da habe ich mich bekanntermaßen entschieden, nicht mehr an der Spitze der oberfränkischen Liste zu kandidieren. Ich werde Wahlkampf für Tim Pargent machen, der hoffentlich mein Nachfolger wird.

Das Programm der Grünen-Winterklausur

Die Landtagsfraktion der bayerischen Grünen kommt ab Mittwoch für drei Tage im Hotel Rheingold in Bayreuth zusammen. Im Zentrum der Winterklausur steht das Thema Digitalisierung. Die Fraktion hat dazu eine ganze Reihe von Experten eingeladen, um Positionspapiere zu verschiedenen Fachfragen zu erarbeiten.

Auf dem Programm steht unter anderem auch ein Besuch im "Kompetenzzentrum Digitales Handwerk" (KDH) der Handwerkskammer für Oberfranken. Dort informieren sich die Grünen bei Präsident Thomas Zimmer, Hauptgeschäftsführer Thomas Koller und KDH-Leiterin Johanna Erlbacher über aktuelle Entwicklungen. Des Weiteren diskutieren die Grünen über notwendige Schritte bei der Digitalisierung im Schulunterricht und den Umgang mit Hassrede im Internet.

Auch ein lokales Thema steht auf der Agenda. Es geht um die "intelligente Nutzung städtischer Flächen". Dazu hat die Fraktion der Landtagsgrünen die Stadträte Sabine Steininger, Stefan Schlags, Tim Pargent und Norbert Aas zur Diskussion eingeladen. Die Ergebnisse der Winterklausur stellen die Grünen am Freitag auf einer Abschluss-Pressekonferenz vor.

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