Bayern gegen Preußen Junger Soldat geht auf Tauchstation

Udo Meixner
So stellte sich ein unbekannter Zeichner das Gefecht bei Seybothenreuth vor. Die Kirche am linken Bildrand steht in Birk. Im Vordergrund rechts das Weizenfeld an der Petzelmühle. Foto: Landesbildstelle Nordbayern

Vor 155 Jahren liegt der Deutsche Bruderkrieg in den letzten Zügen. Am 29. Juli stehen sich beim Gefecht bei Seybothenreuth bayerische und preußische Soldaten gegenüber. Durch eine List entkommt dabei der 18-jährige Johann Müller den preußischen Angreifern

 
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Seybothenreuth - Schüsse aus Vorderladern, wilde Handgemenge. Ein Kompanieführer schlägt wild mit dem Degen um sich, als er im wilden Getümmel schon am Boden liegt. Soldaten, hoch zu Pferd, teilen mit ihren Kavallerie-Säbeln Hiebe aus, um den Widerstand des Feindes zu brechen. Verwundete winden sich auf dem Schlachtfeld. Andere nehmen die Beine in die Hand und fliehen in alle Himmelsrichtungen. Später werden sie aus Scheunen gezerrt, aus Gruben aus kleinen Tümpeln gar.

So lassen sich zeitgenössische Berichte zum „Gefecht von Seybothenreuth“ zusammenfassen. Für die Geschichtsforscher ist dieses Scharmützel bestenfalls eine Fußnote in der deutschen Geschichte. Für den Bayreuther Hobbyhistoriker Rudolf Huttinger hat dieser Schlussakt des deutschen Bruderkrieges jedoch eine besondere Bedeutung: Sein Großonkel Johann Müller gehörte am 29. Juli 1866, vor exakt 155 Jahren also, zu den Kombattanten auf dem Schlachtfeld. Und ein Zufall rettete ihm womöglich das Leben…

Deutscher Bruderkrieg

Der Deutsche Krieg, auch Bruderkrieg oder preußisch-österreichischer Krieg, von 1866 ist die kriegerische Auseinandersetzung zwischen dem Deutschen Bund unter Führung Österreichs einerseits und Preußen sowie dessen Verbündeten andererseits. Zu diesen Verbündeten Preußens gehört außer kleineren deutschen Staaten auch Italien.

Als der „deutsche Bruderkrieg“ Bayern erreicht, ist die entscheidende Schlacht schon geschlagen: Königgrätz, mit etwa 500.000 Soldaten die bis dahin größte der Geschichte. Die Schlacht bei Königgrätz am 3. Juli 1866 nahe der böhmischen Stadt Königgrätz ist die Entscheidungsschlacht im Deutschen Krieg. Die preußische Armee besiegte die Armeen Österreichs und Sachsens.

Bayreuth wird besetzt

In der Folge rückt das preußische II. Reserve-Korps aus dem Raum Leipzig in Richtung Süden vor. Am 23. Juli 1866 wird Hof eingenommen, tags darauf Kulmbach. Am 28. Juli werden Berneck und Bayreuth von den Preußen eingenommen. Alle genannten Städte fallen quasi kampflos in die Hände der Preußen. Die mit Österreich verbündeten Bayern – bei Königgrätz noch davongekommen – sollen mit den Preußen allerdings auch noch unliebsame Bekanntschaft machen. So am 29. Juli 1866 bei Seybothenreuth.

An diesem Tag, einem regnerischen Sonntag, verlassen um 4.30 Uhr die Preußen Bayreuth auf der Suche nach bayerischen Soldaten. Bei Seybothenreuth stoßen sie auf die Leibregiments-Kompanie des Oberleutnants von Aretin, die in Emtmannsberg übernachtet hat. Die jungen Rekruten sind kaum einexerziert oder gar kampferprobt. Bei der Petzelmühle kommt es schließlich zum „Gefecht bei Seybothenreuth“.

Die Petzelmühle liegt zwei Kilometer südöstlich von Seybothenreuth. Sie wird bereits 1692 urkundlich erwähnt. An der südöstlichen Giebelseite des Mühlengebäudes dreht sich um 1860 ein Wasserrad. Vom Laimbach zweigt östlich des Mühlenhofes der Mühlkanal ab. Der im Mühlenhof abgedeckte Kanal und die darüber errichtete Scheune zählen zu den Besonderheiten der Mühlenanlage. Das Gelände südlich der Mühle, bis hin zum Birker Pfarrwald, hat den Flurnamen „Breiter Lettenacker“.

Die Dragoner greifen an

Die Dragoner der II. Preußischen Reservekorps greifen die bayerischen Infanteristen sofort an. Einige Bayern machen den Versuch, sich, so gut es geht zu verstecken. Andere eilen den baumlosen Hügel hinauf, wo der Birker Pfarrwald Deckung bieten könnte. Dicht auf den Fersen folgen ihnen preußische Dragoner. In Windeseile kommt die feindliche Schwadron von Seybothenreuth her angeritten. Auf dem Breiten Lettenacker können sich die Reste der bayerischen Kompanie gerade noch in Gefechtsstellung formieren. Mitten im Weizenfeld beginnt der Kampf. Die bayerischen Rekruten, die das Laden ihrer Gewehre kaum verstehen, haben keine Chance gegen die Angreifer zu Pferd.

Einer der geflohenen Bayern hat sich, offenbar dank seiner Ortskenntnis, ein besonderes Versteck ausgesucht: Den im Mühlhof abgedeckten Mühlkanal mit der darüber errichteten Scheune. Wilhelm Gollwitzer, Autor des 1932 erschienenen Buches „Das Gefecht von Seybothenreuth“ beschreibt, wie er am 20. Juli 1927 im Zuge seiner Recherchen in den Kanal stieg und auf einem Balken unter dem Scheunenboden folgende Bleistiftinschrift findet: „Zur Erinnerung an den 29. Juli 1866, Soldat Johann Müller von Eichschlag“. Eichschlag ist eine kleine Ortschaft bei Seybothenreuth. Der junge Soldat ist zweifelsohne ortskundig, was ihm beim eiligen Suchen eines Versteckes zum Vorteil gereicht.

Laut den Recherchen von Rudolf Huttinger ist der Soldat Johann Müller aber nicht in Eichschlag geboren. Der jüngere Bruder Peter kommt am 18. August 1849 in Eichschlag zur Welt. Die Herkunft seines Vaters Peter Müller ist nicht geklärt. Die Mutter des jungen Soldaten, Kunigunde Müller, geborene Kolb, stammt aus Burghaig bei Kulmbach. Wahrscheinlich zogen die Eltern von Johann Müller erst nach dessen Geburt nach Eichschlag. Noch um 1847 wohnte im Anwesen Nummer 14 eine andere Familie. Vor 1849 ist der Name Müller dort nicht zu finden.

Die Schwester erinnerte sich

Neben seinem Bruder Peter hat Johann Müller noch zwei jüngere Schwestern, Barbara und Kunigunde, die beide am 11. September 1863 in Eichschlag zur Welt kommen. Wörtlich berichtet Kunigunde im betagten Alter, dass sich ihr großer Bruder unter der „Bruck“ (Überdachung des Mühlenhofes) verkrochen hat, „als ihn die Preußen einfangen wollten“. Sie weiß auch von weiteren Soldaten, die sich auf dem Mühlengelände versteckt hielten. Von der Inschrift auf dem Balken spricht sie nie. Wahrscheinlich behielt der Bruder die Angelegenheit für sich.

Aus „Geschichte der Stadt Bayreuth“ ist über das Gefecht zu erfahren: „Der Verlust der Bayern bestand in 3 Todten, welche in Birk beerdigt wurden und 40 Verwundeten, von denen einer bald im Spitale zu Bayreuth starb und ein anderer, dem der Knochen des Oberschenkels zerschmettert war, später seinem Leiden erlag. Die Verwundeten, darunter 3 Offiziere wurden theils im St. Georgen-Lazarett, theils im städtischen Kranken- und Siechenhaus untergebracht.“ Auf preußischer Seite zählte man sieben verwundete Soldaten, sowie acht tote und 28 verwundete Pferde, von denen drei noch am folgenden Tag eingingen.

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