Bauernproteste Landwirte lehnen milliardenschweren Finanzausgleich ab

Von Markus Roider

BERLIN/BAYREUTH. Seit Monaten demonstrieren bundesweit die Landwirte um auf ihre Situation aufmerksam zu machen. Dabei geht es nicht nur um das große Thema „Düngeverordnung“, sondern generell um eine zukunftsweisende Agrarpolitik und Respekt in der Bevölkerung. 

 
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Nach massiven Bauernprotesten setzte die Koalition am Donnerstag ein Zeichen. In den kommenden vier Jahren sollen Landwirte eine Milliarde Euro zusätzlich erhalten. Doch diese sind wenig begeistert und sprechen von „Schweigegeld“, das nicht hinnehmbar sei. Die Spitzen von Union und SPD hatten sich am Donnerstag im Koalitionsausschuss darauf geeinigt, dass Landwirte in den kommenden vier Jahren mit insgesamt einer Milliarde Euro unterstützt werden sollen.

Den Landwirten geht es nicht ums Geld

Das Geld soll in Agrar-Umweltprogramme und Investitionen fließen, hieß es in zahlreichen Pressemeldungen. Ziel sei es, die Bauern zu unterstützen, die schärferen Vorgaben der Düngemittelverordnung umzusetzen. CSU-Chef Markus Söder sprach von einer „Bauernmilliarde“. Die stößt den Landwirten allerdings sauer auf. Geld allein Löse die Probleme nicht, sagt Martin Schamel vom oberfränkischen Orgateam „Land schafft Verbindung“. Für ihn stecke mehr dahinter, als einfach nur Geld. Zwar höre sich die Milliarde zunächst hoch an, doch bei näherer Betrachtung und Umrechnung seien das bei bundesweit 266.000 landwirtschaftlichen Betrieben 940 Euro jährlich pro Betrieb. „Das ist ein Witz“, sagt Schamel. Man brauche keine Ausgleichszahlungen für neue Auflagen. Viel wichtiger wären Investitionen in das veraltete Nitrat-Messstellennetz. Erst dann könne man dort wo es tatsächlich grenzwertig ist, gezielt handeln.

LSV Bayern lehne das Angebot geschlossen ab, heißt es gar in einer Pressemitteilung der Bewegung. Die Landwirte fordern vielmehr „eine nachhaltige, zukunftsweisende Agrarpolitik mit sinnvollen Lösungen“. Zudem müsse man Fehler aus der Vergangenheit gemeinsam ausarbeiten. Es ist auch von Versäumnissen der Regierung die Rede. Schamel bringt auch hier die alten Messtechniken ins Spiel. Die Landwirte fühlen sich missverstanden. Wegen einer schnellen Finanzspritze sei man nicht vier Monate lang auf die Straße gegangen.

Fränkische Bauern wollen keinen "Krieg" 

Bundesweit wurden bereits neue Proteste angekündigt. In manchen Teilen des Landes machten sich am Donnerstag erste Landwirte auf den Weg zu den Büros ihrer Wahlkreisabgeordneten. Besonders in München wurden heute schnell Proteste auf den Weg gebracht, Verkehrswege behindert. Eine flächendeckende Demonstration lehnen die meisten Betroffenen aber ab. Martin Schamel sagte im Interview mit Bayern-Reporter, dass man nicht den Zorn der Verbraucher auf sich ziehen wolle. Die meisten von ihnen hätten großes Verständnis für die Forderungen der Landwirte. „Die Menschen sehen, dass wir nachhaltig handeln wollen“. Natürlich könne man die gesamte Region lahm legen, sagt Schamel, aber das sie nicht das Ziel der Bewegung.

Für den 2. Februar sei allerdings schon länger eine kleine Traktorsternfahrt geplant. Ziel ist das oberfränkische Coburg, wo Ministerpräsident Markus Söder auf einer CSU-Wahlkampfveranstaltung erwartet wird. Die Landwirte treffen sich gegen 12.30 Uhr am Goldbergsee um anschließend einmal quer durch die Innenstadt bis zum Anger zu fahren, wo sie ihre Traktoren abstellen. Anschließend marschieren sie geschlossen zu einem LSV-Infostand auf dem Vorplatz des Coburger Kongresshauses. Man hofft auf interessierte Besucher und ein Aufeinandertreffen mit Markus Söder. Die Landwirte suchen den Dialog zu den Bürgern. Mit dabei haben sie Plastiktiere als Anschauungsmaterial, Futtermittel sowie Wurst – und Käsebrote.

Weil Nitratwerte im Grundwasser schon seit Jahren zu hoch sind, hat die EU-Kommission Deutschland beim Europäischen Gerichtshof verklagt und Recht bekommen – daher muss die Bundesregierung weitere Düngebeschränkungen angehen. Dass man politische Versäumnisse nun doch auf die Schultern der ohnehin belasteten Landwirte verteilen will, sei eine Überraschung sagt Schamel. Nach den Gesprächen der letzten Wochen mit zahlreichen Politikern, habe man sich eigentlich verstanden gefühlt. Mit einem kurzen Finanzausgleich für schärfere Auflagen habe man nicht gerechnet, und will man auch nicht rechnen.

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