Aus Orangenschalen wird Kunststoff

Von Norbert Heimbeck
Oliver Hauenstein zeigt seine Erfindung: Aus Orangenschalen und Kohlendioxid entsteht ein umweltfreundlicher Kunststoff, der nicht nur hitzebeständig und hart, sondern auch extrem durchsichtig ist. Foto: Andreas Harbach Foto: red

Kunststoffe sind aus unserem Alltag nicht wegzudenken. Jeder benutzt sie, oft mit einem schlechten Gewissen, weil sie ein schlechtes Öko-Image haben. Wissenschaftler der Universität Bayreuth haben jetzt einen umweltfreundlichen Bio-Kunststoff erfunden. Er entsteht aus Orangenschalen und Kohlendioxid.

 
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Der neue Bio-Kunststoff ist ökologisch unbedenklich und soll durch seine Robustheit auch für industrielle Anwendungen einsetzbar sein. Warum wurden ausgerechnet Orangenschalen als Ausgangsmaterial gewählt? Oliver Hauenstein, der seine Doktorarbeit über das neue Material schreibt, sagt: "Wir haben einen bio-basierten Kunststoff gesucht, der hitzebeständig ist. Außerdem wollten wir Material benutzen, das nicht als Nahrungsrohstoff dient." Mit Orangenschalen, die bei der industriellen Saftherstellung in großen Mengen anfallen, haben schon andere Wissenschaftler gearbeitet. Oliver Hauenstein, der am Lehrstuhl Makromolekulare Chemie von Professor Andreas Greiner arbeitet, hat es nun tatsächlich als Erster geschafft, einen brauchbaren Kunststoff daraus herzustellen.

Besonders lange Molekülketten

Es ist eine Geschichte von wissenschaftlichem Ehrgeiz, Optimismus und Beinahe-Kapitulation. "Wir waren nahe daran aufzugeben," sagt Oliver Hauenstein. Der neue Kunststoff besteht nämlich aus besonders langen Molekülketten, deren Herstellung sich als äußerst kompliziert erwies. Der Doktorand hatte mit Professorin Seema Agarwal, die ebenfalls an Greiners Lehrstuhl arbeitet, eine Motivatorin, die ihm immer wieder Mut machte. Agarwals eigener Sohn hatte vor Jahren als Schüler mit einem Orangenschalen-Projekt  am Wettbewerb "Jugend forscht" teilgenommen. Hauenstein hatte ihn damals wissenschaftlich betreut.

Grüner Alleskönner

Professor Greiner beschreibt die Arbeit ganz simpel: "Man nehme Orangenschalen, entziehe ihnen den Naturstoff Limonen, oxidiere ihn und verbinde ihn mit Kohlendioxid." Tatsächlich steckt ein anspruchsvolles Verfahren dahinter. Dabei entsteht ein Kunststoff, aus dem sich kostengünstig umweltfreundliche Funktionsmaterialien für verschiedenste Anwendungen herstellen lassen. Limonen (sprich: Limonén mit gedehntem e) ist Bestandteil der ätherischen Pflanzenöle. Der Professor spricht von einem "grünen Alleskönner", der von seinen Erfindern den Namen "PLimC" bekommen hat.

Viele Anwendungsmöglichkeiten

Fachlich korrekt handelt es sich bei PLimC um ein Polycarbonat - aus diesem Material bestehen zum Beispiel CDs. Anders als die herkömmlichen Polycarbonate enthält der neue Kunststoff jedoch nicht die krankmachende Substanz Bisphenol A. Außerdem bringt das Material eine Reihe von Eigenschaften mit, die es für industrielle Anwendungen attraktiv machen. So ist es den Bayreuthern gelungen, extrem klare Folien aus dem neuen Material zu produzieren. Zugleich ist es sehr hart und hitzebeständig. Durch gezielte Eingriffe auf der molekularen Ebene bekommt das Material antimikrobielle Eigenschaften. Dadurch eignet es sich beispielsweise als Beschichtung medizinischer Geräte. Greiner: "Es ist imstande, die Anlagerung von Coli-Bakterien zu verhindern. Dadurch lässt sich das Infektionsrisiko in Krankenhäusern deutlich senken." Die Forscher könnten sich auch vorstellen, aus dem neuen Material Implantate herzustellen, die das Entzündungsrisiko niedrig halten. Ein anderes Beispiel: Wasserlösliche Polymere, die sich im Meer in ökologisch unbedenklich Bestandteile auflösen. Würden Flaschen und Tüten aus dem neuen Material hergestellt, würde die dramatische Vermüllung der Ozeane gebremst. Greiner: "Wir können das Material sogar gezielt mit einem Zersetzungsdatum versehen."

Ausgesprochen umweltfreundlich

Oliver Hauenstein: "Die Herstellung von PLimC ist einfach zu handhaben und ausgesprochen umweltfreundlich. Die Schalenabfälle können recycelt werden, außerdem kann das Treibhausgas CO2 verwertet werden, ehe es in die Atmosphäre entweicht." Die Reaktionen auf die Veröffentlichung von Hauensteins Arbeit in wissenschaftlichen Magazinen sind ermutigend. Für eine industrielle Anwendung muss das Verfahren aber noch weiter entwickelt und auf seine Wirtschaftlichkeit geprüft werden.

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