Artillerieübung In Grafenwöhr donnern die Kanonen

Von Peter Engelbrecht

GRAFENWÖHR. Auf dem Truppenübungsplatz Grafenwöhr wird derzeit mit großen Kalibern scharf geschossen. Ein paar dumpfe Schläge weit entfernt, ein Zischen am Himmel, dann der Einschlag im Einschussgebiet mit einer Rauchsäule. Die Artillerieübung heißt „Dynamic Front 19“.

 
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Fast 3200 Soldaten aus 27 Ländern sind im Einsatz. Die Übung findet vom 2. bis 9. März zeitgleich in Grafenwöhr sowie in Torun (Polen) und Riga (Lettland) statt. Das 7th Army Training Command in Grafenwöhr hat Journalisten zum Medientag eingeladen, eine Rundfahrt zur Truppe inklusive. 

Der Gefechtsstand befindet sich in einem unscheinbaren gelben Flachbau auf dem Übungsplatz. Es gibt eine Eingangskontrolle, Fotografieren und Handys sind verboten. Major Champion aus dem US-Hauptquartier in Wiesbaden ist der Chefplaner für die Feuerunterstützung der multinationalen Übung.

Kaffee aus Plastikbechern

Die teilnehmenden Soldaten sollten länderübergreifend kommunizieren, um diese Unterstützung zu geben, erläutert der drahtige Offizier und wirft ein paar Charts an die Wand. Dazu gibt es Kaffee aus Plastikbechern. Die Erfahrungen flössen in die Nato-Doktrin ein, sagt der Offizier, ohne diese näher zu erläutern. Die Kosten der gesamten Übung beziffert er auf zwölf Millionen US-Dollar. Mit dabei sind auch Soldaten aus den einstigen Sowjetrepubliken Aserbaidschan, Georgien, Lettland, Litauen und der Ukraine. Die meisten Teilnehmer kommen aus den USA. 

Dann geht es mit dem Kleinbus zum Feuerpunkt des 2nd Cavalry Regiments, der etwas abseits im Gelände liegt. Die steppenähnliche Landschaft wird von Kiefernwäldern durchzogen. Captain Hunt präsentiert stolz sein gut getarntes M 777-Geschütz mit Kaliber 155 Millimeter.

Die Mannschaft des Batteriechefs zeigt für die Journalisten eine „Trockenübung“ mit einem einzelnen Abschuss, die Ohrenstöpsel können in der Tasche bleiben. Die Schussfolge beträgt normalerweise zehn bis 15 Sekunden, erläutert Hunt, ein Geschoss fliegt bis zu 30 Kilometer weit.

Das Ziel ist zehn Kilometer entfernt

Doch das Ziel ist heute die rund zehn Kilometer entfernte Einschusszone. Vorne auf dem Geschützrohr steht der Name von Captain Huggins, der am 1. April 1889 als Mitglied des 2. Cavalry Regiments eine hohe Auszeichnung bekommen hat. Das Regiment wurde 1836 gegründet und ist damit das älteste der gesamten US-Armee. Darauf sind die Soldaten stolz. 

Der Truppenübungsplatz ist mit knapp 24.000 Hektar der größte in Europa. Christian Kiesel, Kommandeur des Artilleriebataillons 131, steht mit seinen Soldaten am Rande der Schießbahn 131 und wartet um die Mittagszeit darauf, Raketen des Kalibers 110 Millimeter abfeuern zu können. Doch das kann noch bis zum Nachmittag dauern.

Angegliedert ist ein französischer Zug, der dann mit der Batterie ein gemeinsames Feuerkommando erhalten soll. „Wir unterstützen die kämpfende Truppe vorne mit Feuer“, erläutert Kiesel die Aufgabe. Die Batterie ist in der Lage, im Takt von vier Minuten Raketen abzufeuern.

Für ihn ist Grafenwöhr „die zweite Heimat“. Der Übungsplatz habe einen guten Ruf, durch seine Größe könne man gemeinsam üben. „Das Wetter ist gut. Es ist nicht zu kalt und regnet nicht“, freut sich Kiesel. Einst hatten die Soldaten über „Strafenwöhr“ gespottet, hatten sich über die kalten Winter und die staubtrockenen Sommer beklagt. Doch heute scheint die Sonne. 

Und auch der Schießlärm ist heute kein Thema. André Potzler, der Organisator des Medientages und Pressesprecher des 7th Army Training Command, bittet die Journalisten, keine entsprechenden Fragen an die übenden Truppen zu stellen, da das Thema Schießlärm Sache des Übungskommandos sei.

Bürgermeister spricht von Lärmterror

Ein Einwohner der benachbarten Stadt Eschenbach berichtet, dass bereits Anfang der Woche früh um 8 Uhr Schränke und Gläser aufgrund von Schießlärm gewackelt hätten. „Die Leute sind das gewohnt, es gibt kaum Proteste“, berichtet der Einheimische, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen will. Dies hängt seiner Meinung nach auch mit den Arbeitsplätzen zusammen, die der Übungsplatz den Oberpfälzern bietet. „Jeder, der hierher zieht, weiß, auf was er sich einlässt“, meint er. 

Der Auerbacher Bürgermeister Joachim Neuß sieht das anders, er spricht von „Lärmterror“. Colonel Joe Hilpert, der Verantwortliche für den aktuellen Kanonendonner, meint: „Die Übung ist ganz wichtig.“ Mehrere Tausend Schuss werden dabei alleine in Grafenwöhr abgegeben, schätzen US-Offiziere. 

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