Apple Vision Pro Wird die Apple-Brille ein teurer Flop?

Jörg Breithut
Apple Vision Pro: Die Hightech-Brille kommt im Frühjahr auf den Markt und soll 3500 Dollar kosten. Foto: Apple

Mit dem Headset durch die Wand: Mit der 3500-Dollar-Brille Vision Pro will Apple die virtuelle Realität massentauglich machen. Doch der Konzern aus Cupertino hat keine Ahnung, wie das klappen soll. Ein Kommentar.

 
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Erst kam der Mac. Dann kam das iPhone. Jetzt soll die Hightech-Brille Vision Pro die Wohnzimmer dieser Welt erobern. Am Montagabend hat Apple ein so genanntes Mixed-Reality-Headset vorgestellt, das den Massenmarkt begeistern soll nach stagnierenden iPhone- und Laptop-Verkäufen. Das ist ein mutiger Vorstoß. Denn gewagt haben den Virtual-Reality-Durchbruch schon viele Konzerne. Gelungen ist das bisher niemandem.

Technisch erklimmt die Brille aus dem Stand den Spitzenplatz: Die Apple Vision Pro ersetzt Rechner, Kopfhörer, Bildschirm und Computermaus. Das Gerät sieht aus wie eine aufgepumpte Skibrille, in der zwei briefmarkengroße Oled-Bildschirme mit einer 4K-Auflösung für jedes Auge stecken. Lautsprecher schmiegen sich in einem Stirnband über die Ohren und dreilagige Zeiss-Linsen aus dem baden-württembergischen Oberkochen schärfen den Blick und ersparen sogar die Brille in der erweiterten Realität.

Auf Steuergeräte verzichtet Apple. Nutzerinnen und Nutzer sollen stattdessen die Augen schweifen lassen, um Icons zu fixieren, und mit ihren Fingern in die Luft kneifen, um Apps zu starten. Mit Wischgesten fliegen die Browser-Fenster beiseite, die beim Blick durch die Brille aussehen, als würden sie mitten im Raum schweben.

Ziemlich skurrile Apple-Werbevideos

Damit sich Programme wie Excel, Photoshop und FaceTime über dem Zimmerteppich aufklappen können, schleusen zwei Prozessoren die Echtzeitbilder aus zwölf Kameras durch die Datenleitungen. Kopfbewegungen werden mit fünf Sensoren erfasst. Sechs Mikrofone lauschen Sprachbefehlen und dem Raumklang. Die Brille scannt sogar die Oberflächen der Möbel im Wohnzimmer, um den Ton an den Raum anzupassen. Das geht achtmal schneller als einmal zu blinzeln.

Doch die ganze Hightech-Hardware verschleiert das eigentliche Problem: Apple weiß offenbar noch gar nicht, wozu die 3500-Dollar-Brille eigentlich taugt. Die hochpolierten Apple-Werbeclips wirken fast schon skurril. Es sieht einfach schräg aus, wenn der Vater mit dem Roboterhelm neben seinen spielenden Kindern sitzt und Seifenblasen-Clips aufzeichnet. Und es wirkt verstörend, wenn sich die Freundin neben eine Frau mit dem Hightech-Taucherhelm aufs Sofa setzt. Dann nämlich leuchten virtuelle Augen auf dem Außendisplay der Vision Pro auf. Das soll volle Aufmerksamkeit vermitteln – erinnert aber eher an einen Schnack mit einem seelenlosen Roboter.

Bisher begrenzt sich das Anwendungsgebiet auf reiche Singles, die sich 3D-Filme auf ihrer Luxuscouch im fernsehfreien Wohnzimmer anschauen. Auch die Büro-Beispielclips von Apple überzeugen nicht: Es ist noch schwer vorstellbar, dass in wenigen Monaten die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wie bei „Minority Report“ an ihren Schreibtischen stehen und virtuelle Fenster durch die Gegend wischen. Das ist allein deshalb undenkbar, weil erste Berichte darauf hindeuten, dass ein Acht-Stunden-Tag mit dem Headset ziemlich schmerzhaft werden dürfte.

Die App-Entwickler sollen es richten

Virtual-Reality-Brillen hatten es schon immer schwer, sich durchzusetzen. Facebook-Chef Mark Zuckerberg versucht es seit Jahren mit der Meta Quest und Sony hat dieses Jahr schon seine zweite Playstation-Brille veröffentlicht. Richtig gezündet hat keines dieser 3D-Aufsätze.

Wird es dem iPhone-Konzern gelingen, die 3D-Brille in die Wohnzimmer zu pressen? Das Projekt wäre schon jetzt zum Scheitern verurteilt, wenn nicht Apple dahinter stehen würde. Experten hatten den Elektronikhersteller auch damals belächelt, als der US-Konzern auf Tasten verzichtete und stattdessen Touch-Displays verbaute. Heute ist der Berührungsbildschirm zum Standard geworden.

Und auch beim Sinn und Zweck der Hightech-Brille setzt Apple auf die gleiche Taktik wie damals beim iPhone: Die Entwickler sollen es richten. Rund 1,6 Millionen Apps gibt es mittlerweile für das iPhone im App Store. Tools wie Microsoft Teams, WhatsApp, Spotify und ChatGPT verwandeln das iPhone in ein mobiles Büro und einen tragbaren Spaßcomputer – und machen künstliche Intelligenz (KI) greifbar.

Apple hofft nun darauf, dass die Softwareschmieden zündende Ideen haben, um die Vision Pro mit ebenso verblüffenden KI-Tools in Szene zu setzen. Damit lässt sich Apple auf ein riskantes Spiel ein. Denn bereits im Frühjahr kommenden Jahres soll die Brille in den USA auf den Markt kommen, kurz darauf in weiteren Ländern. Bis dahin muss es gute Gründe geben, warum man so viel Geld in eine überdimensionale Skibrille investieren sollte.

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