Anwohner überzeugen Stadträte Bayreuth: Neubauten statt Lärmschutzwall?

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Die Bewohner am Heisenbergring sind stocksauer: Die Stadt Bayreuth plant am Eichelberg fünf neue Bauplätze auszuweisen. Dafür muss jedoch ein mit Bäumen und Sträuchern bewachsener Erdwall abgebaggert werden, der die Anwohner vor Lärm und Feinstaub von der Autobahn schützt. Mit Unterschriften und Einwendungen wehren sich die Bürger und können jetzt einen Erfolg verbuchen. Stadträte mehrerer Fraktionen haben ihnen nach einem Ortstermin zugesagt, ihren in Unwissenheit der Umstände gefassten Beschluss zu revidieren.

 
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120 Meter lang ist der Lärmschutzwall (im Hintergrund), der sich im Laufe von drei Jahrzehnten zu einem Biotop entwickelt hat und hinter dem die Anwohner des Heisenbergrings in erträglicher Ruhe leben. Mit der könnte es vorbei sein, wenn der Erdwall fünf Häusern weichen muss.⋌Foto: Andreas Harbach Foto: red

Drei Jahrzehnte lang hat der Erdwall den Lärm der Autobahn abgehalten, haben darauf gepflanzte Büsche und Bäume den Feinstaub aus der Luft gefiltert. Jetzt soll der von den Anwohnern als „grüne Lunge“ geschätzte Wall entlang der Straße Am Eichelberg einem kleinen Baugebiet weichen. Gegen den Willen der Bürger, die mit Unterschriften und Einsprüchen das Vorhaben verhindern wollen.

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Sinnvoll investiert

Als Wolfgang Jahreis im Jahre 1984 sein Grundstück am Heisenbergring erwarb, musste er neben den Erschließungskosten noch weitere 1560 Mark an die Stadt überweisen. „Wir mussten uns an den Kosten für den Bau des Lärmschutzwalles beteiligen, der zwischen unseren Grundstücken und der Straße Am Eichelberg aufgeschüttet wurde, um den Lärm der Autobahn abzuhalten“, erinnert sich Jahreis. Sinnvoll investiertes Geld, sagt Jahreis, der 1985 sein Haus bezogen hat.

Total geschockt

Der Wall entwickelte sich in den drei Jahrzehnten zu einem Biotop, in dem seltene Vögel nisten, Hasen und Igel leben und der für das Kleinklima der angrenzenden Wohnbebauung von großer Bedeutung sei, wie Peter Lenk vom Landesbund für Vogelschutz bescheinigt. Nachbarin Elfriede Weber-Krenner ist sogar nur deswegen 1997 mit ihrer Familie trotz der nahen Autobahn an den Heisenbergring gezogen, weil sie sich von der Lärm reduzierenden Wirkung des Walles überzeugt hatte. „Es hat mich total geschockt, als ich jetzt gehört habe, dass der Wall abgetragen werden soll, um Platz für fünf Baugrundstücke zu schaffen“, sagt sie.

Keine Information

Der Schock ereilte Weber-Krenner und ihre Nachbarn am 6. Juni, als sie im Nordbayerischen Kurier eine kurze Meldung mit der Überschrift „Neue Grundstücke an der Autobahn“ entdeckten. Im Text erfuhren sie, dass ihr Lärmschutzwall abgetragen wird, um Platz für fünf Wohnbauparzellen zu schaffen. „Informiert hat uns bis dahin niemand“, sagt Renate Schamel, die seit 1985 hinter dem Wall lebt. Schockiert hat sie und ihre Mitstreiter aber auch die Begründung für die Entfernung des Walles: Er sei nicht mehr notwendig, nachdem im Zuge des Ausbaus der Autobahn neue Lärmschutzmaßnahmen errichtet worden seien. „Quatsch“, sagen die Nachbarn. Der Lärm sei je nach Windrichtung noch genauso deutlich zu vernehmen wie zuvor. Wie sonst lasse sich erklären, fragt Mitstreiter Jürgen Kolb, dass die zukünftigen Häuslebauer angehalten werden sollen, ihre Schlafzimmerfenster nach Osten auszurichten, also weg von der Autobahn und damit weg vom Lärm?

Hohe Kosten

Die Beschlüsse von Bauausschuss und Stadtrat – bis auf Bündnis 90/Die Grünen haben alle Fraktionen zugestimmt – verärgert die Anwohner in zweierlei Hinsicht: Zum einen deswegen, weil sie einem von der Verwaltung angestoßenen Projekt zugestimmt hätten, ohne sich vorab ein Bild vor Ort gemacht zu haben. Und, zweitens, weil sie in den beiden Sitzungen im Mai einen wirtschaftlich unsinnigen Beschluss gefasst hätten: Der Ertrag aus dem Verkauf der Grundstücke belaufe sich bestenfalls auf 100 000 Euro, haben sie errechnet. Die Kosten für das Abbaggern ihrer grünen Lunge betragen hingegen 220 000 Euro, nachzulesen in den Sitzungsunterlagen, die die Stadträte spätestens eine Woche vor der Sitzung erhalten hatten.

Probebohrung beschlossen

Tatsächlich kam der Anstoß für die Verdichtung der Bebauung am Eichelweg aus der Verwaltung, genauer aus dem Grundstücksamt, sagt Stadtbaureferent Hans-Dieter Striedl. Dort sei man bei der Suche nach bebaubaren Flächen auf den Lärmschutzwall gestoßen. Bei genauer Untersuchung dieser im „städtischen Innenraum“ liegenden und sich im Besitz der Stadt befindenden Fläche sei man zu dem Ergebnis gekommen, dass der Wall nicht mehr erforderlich sei. Ob das vom Stadtrat nun eingeleitete Bebauungsplanverfahren weiter verfolgt würde, liege im Ermessen der Stadträte, betont Striedl. Soll heißen, sie können das Vorhaben auch wieder stoppen. Was sie jedoch wohl nicht mehr aufhalten können, ist eine Probebohrung am Wall. „Wir wollen damit erfahren, was sich im Inneren des Lärmschutzwalls befindet“, so Striedl.

Fehler gemacht

Die Zeichen stehen jedoch gut für den Erhalt des Biotops. Am Mittwoch ist es den Anliegern gelungen, Stadträte von CSU, SPD, Grüne, Junge Liste und Bayreuther Gemeinschaft an einem Terrassentisch zu versammeln und für ihr Anliegen zu gewinnen. „Wir haben einen Fehler gemacht, als wir zugestimmt haben“, gestand CSU-Stadtrat Harald Rehm. Ernst-Rüdiger Kettel (BG) bezeichnete das Projekt als ein „wirtschaftliches Unding“, das seine Fraktion revidieren werde. Es gehe eine wertvolle Grünzone verloren, die man lassen sollte, wie sie ist. Und Thomas Bauske (SPD) sagte zu, dass seine Fraktion vor der nächsten Sitzung des Stadtrates einen Antrag stellen werde, das Verfahren einzustellen. Der Wall und seine Bepflanzung würden den Lärm fernhalten und den Feinstaub aus der Luft filtern. Entferne man beides, würde die Wohnqualität deutlich verringert.

Gut und wichtig

Einig waren sich die Stadträte aber auch darin, dass die Idee einer innerörtlichen Nachverdichtung gut und wichtig ist, wie Stefan Schuh (Junge Liste) betonte. Und Sabine Steininger (Bündnis 90/Grüne), deren Fraktion als Einzige dagegen gestimmt hatte, betonte, dass es wichtig sei, angesichts des demografischen Wandels schonend mit Ressourcen umzugehen. Man müsse nicht um jeden Preis Bauland ausweisen.

Standpauke vom Naturschützer

Auch wenn sie nun ein Einsehen haben mit den Anwohnern des Lärmschutzwalles – eine Standpauke mussten sich die Stadträte doch noch anhören. Sie sollten sich das nächste Mal erst das Gelände anschauen, bevor sie einen solch unsinnigen Beschluss fassen, sprach ihnen Ex-Stadtratskollege Helmut Korn als Vertreter des Bundes Naturschutz ins Gewissen. Mit ihrer Zustimmung hätten sie den Weg frei gemacht für einen „barbarischen Akt gegen die Natur“.